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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Nun, er wurde gewählt. Aber nicht ohne Zwiſchenfälle.
Es muß wahr ſein, nie habe ich ſolche Vertilgung von Grog
und Glühwein geſehen. In ſolchem Moment höchſter Hitze
ſprang der Oberprediger aus Cremmen, ein ſcharfer Liberaler,
auf die Tribüne und ſchrie: „Was wollt Ihr jungen Moſt in
alte Schläuche faſſen; weg mit Patow, ich ſtelle mich zur
Wahl.“ Sein Anhang (kein Drittel) rief Bravo; aber ein
Pächter aus Preſſentin, der ſchon völlig unter Grog ſtand,
ſchrie in die Verſammlung hinein: „’runter mit ihm, hinein
in’s Feuer.“ Allgemeines Gelächter; der Oberprediger indeß,
der klugerweiſe nicht abwarten wollte, wie viel hier Ernſt oder
Spaß war (denn einige faßten bereits zu) rettete ſich durch
einen Sprung und verſchwand im Unterholze des Brieſelang.
Er hat den Tag nicht vergeſſen können.

So ging das Geſpräch.

Es war inzwiſchen heiß geworden, ſo heiß, daß unſere
Phantaſie mit einem gewiſſen Neid an dem Winterbilde hing,
das unſer Führer eben vor uns entrollt hatte und ſchon däm-
merte die Frage herauf, ob nicht ein flüchtiges „Ausſpannen“,
eine Lagerung an ſchattiger Stelle geſtattet ſei, als wir deutlich
eine Art Janitſcharenmuſik vernahmen belebende Klänge, die,
immer lauter werdend, unſern Füßen ihre Elaſticität wieder
gaben. Wir waren am Ziel, wenigſtens an einem vorläufigen.
Der Finkenkrug blitzte durch’s Gezweig, und in guter Haltung
rückten wir auf einen kaſtanienumſchatteten Platz, zu dem ſich
der Waldweg hier verbreitert. Eine Alternative, vor die wir
uns plötzlich und gegen Erwarten geſtellt ſahen, gebot uns
mitten im Wege halt zu machen. Der Finkenkrug umfaßt
nämlich eine Doppelwirthſchaft: links iſt Kaffee und Kegelbahn,
rechts iſt Bier und Büchſenſtand; dies hielt ſich die Wage;
aber was zuletzt unſerem Schwanken ein Ende machte, war,
daß nach rechts hin, wo das verlockende Seidel blühte, zugleich
die minder verlockende Janitſcharenmuſik ihren Platz genommen
hatte, die, in die Waldesferne hinein unbedingt ſegensreich
wirkend, in nächſter Nähe ihr entſchieden Bedenkliches hatte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/57>, abgerufen am 20.02.2025.