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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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zwar kein sonderliches Ansehen, ist aber desto nutzbarer. Wir
sollen unserm Erlöser nicht allein die Gelehrten und Großen zu-
führen, sondern unter den Geringen und Einfältigen wuchert sein
Evangelium am meisten. Allzu hohe Lieder nutzen Niemandem,
oder doch nur wenigen."

So er selbst. Die Urtheile Neurer über den Werth seiner
Dichtungen weichen erheblich von einander ab. Koch schreibt:
"Woltersdorf ist ein lebendiges Zeugniß der dichtenden Kraft des
heiligen Geistes in der lutherischen Kirche," wogegen Hagenbach
nicht nur an der Weitschweifigkeit seiner Lieder, die wegen ihrer
Länge nie gesungen werden können, Anstoß nimmt, sondern auch
"Fluß und Guß, mit einem Wort die rechte Rundung und Voll-
endung in ihnen vermißt." Selbst R. Besser, in seinem "Leben
E. G. Woltersdorfs" kann nicht umhin auf eine gewisse Unselbst-
ständigkeit Woltersdorfs hinzuweisen und sagt in seiner anschau-
lichen Ausdrucksweise: "er suchte wie eine Hopfenrebe stets gern
einen tragenden Halt für seine Dichtungen."

Wir selbst haben die besten seiner Dichtungen mit Freudig-
keit und nicht ohne Erhebung gelesen. Wie schön beispielsweise
sind folgende Strophen:

Wer ist der Braut des Lammes gleich?
Wer ist so arm? und wer so reich?
Wer ist so häßlich und so schön?
Wem kanns so wohl und übel gehn?
Lamm Gottes, du und deine seelge Schaar
Sind Mensch' und Engeln wunderbar.
Verfolgt, verlassen und verflucht,
Doch von dem Herrn hervorgesucht;
Ein Narr vor aller klugen Welt
Bei dem die Weisheit Lager hält;
Verdrängt, verjagt, besiegt und ausgefegt,
Und doch ein Held, der Palmen trägt.
Das ist der Gottheit Wunderwerk
Und seines Herzens Augenmerk:
Ein Meisterstück aus nichts gemacht,
So weit hat's Christi Blut gebracht;
Hier forscht und betet an ihr Seraphim,
Bewundert uns und danket ihm.

zwar kein ſonderliches Anſehen, iſt aber deſto nutzbarer. Wir
ſollen unſerm Erlöſer nicht allein die Gelehrten und Großen zu-
führen, ſondern unter den Geringen und Einfältigen wuchert ſein
Evangelium am meiſten. Allzu hohe Lieder nutzen Niemandem,
oder doch nur wenigen.“

So er ſelbſt. Die Urtheile Neurer über den Werth ſeiner
Dichtungen weichen erheblich von einander ab. Koch ſchreibt:
„Woltersdorf iſt ein lebendiges Zeugniß der dichtenden Kraft des
heiligen Geiſtes in der lutheriſchen Kirche,“ wogegen Hagenbach
nicht nur an der Weitſchweifigkeit ſeiner Lieder, die wegen ihrer
Länge nie geſungen werden können, Anſtoß nimmt, ſondern auch
„Fluß und Guß, mit einem Wort die rechte Rundung und Voll-
endung in ihnen vermißt.“ Selbſt R. Beſſer, in ſeinem „Leben
E. G. Woltersdorfs“ kann nicht umhin auf eine gewiſſe Unſelbſt-
ſtändigkeit Woltersdorfs hinzuweiſen und ſagt in ſeiner anſchau-
lichen Ausdrucksweiſe: „er ſuchte wie eine Hopfenrebe ſtets gern
einen tragenden Halt für ſeine Dichtungen.“

Wir ſelbſt haben die beſten ſeiner Dichtungen mit Freudig-
keit und nicht ohne Erhebung geleſen. Wie ſchön beiſpielsweiſe
ſind folgende Strophen:

Wer iſt der Braut des Lammes gleich?
Wer iſt ſo arm? und wer ſo reich?
Wer iſt ſo häßlich und ſo ſchön?
Wem kanns ſo wohl und übel gehn?
Lamm Gottes, du und deine ſeelge Schaar
Sind Menſch’ und Engeln wunderbar.
Verfolgt, verlaſſen und verflucht,
Doch von dem Herrn hervorgeſucht;
Ein Narr vor aller klugen Welt
Bei dem die Weisheit Lager hält;
Verdrängt, verjagt, beſiegt und ausgefegt,
Und doch ein Held, der Palmen trägt.
Das iſt der Gottheit Wunderwerk
Und ſeines Herzens Augenmerk:
Ein Meiſterſtück aus nichts gemacht,
So weit hat’s Chriſti Blut gebracht;
Hier forſcht und betet an ihr Seraphim,
Bewundert uns und danket ihm.
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[160/0176] zwar kein ſonderliches Anſehen, iſt aber deſto nutzbarer. Wir ſollen unſerm Erlöſer nicht allein die Gelehrten und Großen zu- führen, ſondern unter den Geringen und Einfältigen wuchert ſein Evangelium am meiſten. Allzu hohe Lieder nutzen Niemandem, oder doch nur wenigen.“ So er ſelbſt. Die Urtheile Neurer über den Werth ſeiner Dichtungen weichen erheblich von einander ab. Koch ſchreibt: „Woltersdorf iſt ein lebendiges Zeugniß der dichtenden Kraft des heiligen Geiſtes in der lutheriſchen Kirche,“ wogegen Hagenbach nicht nur an der Weitſchweifigkeit ſeiner Lieder, die wegen ihrer Länge nie geſungen werden können, Anſtoß nimmt, ſondern auch „Fluß und Guß, mit einem Wort die rechte Rundung und Voll- endung in ihnen vermißt.“ Selbſt R. Beſſer, in ſeinem „Leben E. G. Woltersdorfs“ kann nicht umhin auf eine gewiſſe Unſelbſt- ſtändigkeit Woltersdorfs hinzuweiſen und ſagt in ſeiner anſchau- lichen Ausdrucksweiſe: „er ſuchte wie eine Hopfenrebe ſtets gern einen tragenden Halt für ſeine Dichtungen.“ Wir ſelbſt haben die beſten ſeiner Dichtungen mit Freudig- keit und nicht ohne Erhebung geleſen. Wie ſchön beiſpielsweiſe ſind folgende Strophen: Wer iſt der Braut des Lammes gleich? Wer iſt ſo arm? und wer ſo reich? Wer iſt ſo häßlich und ſo ſchön? Wem kanns ſo wohl und übel gehn? Lamm Gottes, du und deine ſeelge Schaar Sind Menſch’ und Engeln wunderbar. Verfolgt, verlaſſen und verflucht, Doch von dem Herrn hervorgeſucht; Ein Narr vor aller klugen Welt Bei dem die Weisheit Lager hält; Verdrängt, verjagt, beſiegt und ausgefegt, Und doch ein Held, der Palmen trägt. Das iſt der Gottheit Wunderwerk Und ſeines Herzens Augenmerk: Ein Meiſterſtück aus nichts gemacht, So weit hat’s Chriſti Blut gebracht; Hier forſcht und betet an ihr Seraphim, Bewundert uns und danket ihm.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/176>, abgerufen am 21.11.2024.