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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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öffnete sich die Thür und der Zugwind trieb über unsre Köpfe
weg einen breiten Schneestreifen in die Kirche hinein. Ein fahles
Roth stand noch in den Scheiben, gerade hell genug, um uns alles
rundum erkennen zu lassen. Die Wände zeigten sich frisch ge-
tüncht, Orgel und Altar blank, und die Pfeiler mit vielen Bibel-
sprüchen bedeckt, aber das erste Gefühl, das ich angesichts dieser
Herrlichkeit hatte, war doch das einer gewissen Beschämung und einer
halben Aussöhnung mit dem maeitre d'ecole drüben. "Ihr Be-
such würde resultatlos verlaufen," waren seine gebildeten Worte
gewesen, und er schien Recht behalten zu sollen.

Es mochte sich etwas von Enttäuschung in meinem Gesichte
spiegeln, weshalb der Prediger, als wir den Mittelgang halb
hinauf waren, in freundlichstem Tone zu mir sagte: "hier war die
Gruft."

Ich meinerseits hielt es für angezeigt dieser Freundlichkeit
durch eine gleiche zu begegnen und erwiederte: "Ja, hier muß es
gewesen sein. Man kann noch deutlich die neuen Fliesen von den
alten unterscheiden." Eigentlich aber war es nicht der Fall.

"Und" fuhr der Prediger fort, "hier war auch das Fuchs'sche
Wappen." Und dabei wies er mit dem Zeigefinger auf einen
Punkt in der Luft, etwa vier Fuß hoch über der Brüstung eines
niedrigen Chorstuhls. Es hatte durchaus etwas Gespenstisch-
Visionäres, wie wenn Macbeth den Dolch sieht, und das be-
stimmt ausgesprochene "hier" ließ mich auf eine Sekunde ganz
ernsthaft nach der Erscheinung suchen. Aber es blieb alles un-
sichtbar und ich fröstelte nur noch die Frage heraus: "Dies ist
also alles?"

"Ich fürchte, ja. Wenn Sie sich nicht vielleicht für einen
Spruch interessiren, den des alten Johann Porst's Nachfolger an
die Sakristeithür geschrieben hat."

"O, ich interessire mich sehr für Sprüche ..." Und so
las ich denn:

Printz Markgraff Ludewig
Stiff't hier zu Gottes Ehren
Kirch'fenster, Sakristei
Nebst zweien neuen Chören.
Gott sei sein Schild, sein Lohn,

öffnete ſich die Thür und der Zugwind trieb über unſre Köpfe
weg einen breiten Schneeſtreifen in die Kirche hinein. Ein fahles
Roth ſtand noch in den Scheiben, gerade hell genug, um uns alles
rundum erkennen zu laſſen. Die Wände zeigten ſich friſch ge-
tüncht, Orgel und Altar blank, und die Pfeiler mit vielen Bibel-
ſprüchen bedeckt, aber das erſte Gefühl, das ich angeſichts dieſer
Herrlichkeit hatte, war doch das einer gewiſſen Beſchämung und einer
halben Ausſöhnung mit dem maître d’école drüben. „Ihr Be-
ſuch würde reſultatlos verlaufen,“ waren ſeine gebildeten Worte
geweſen, und er ſchien Recht behalten zu ſollen.

Es mochte ſich etwas von Enttäuſchung in meinem Geſichte
ſpiegeln, weshalb der Prediger, als wir den Mittelgang halb
hinauf waren, in freundlichſtem Tone zu mir ſagte: „hier war die
Gruft.“

Ich meinerſeits hielt es für angezeigt dieſer Freundlichkeit
durch eine gleiche zu begegnen und erwiederte: „Ja, hier muß es
geweſen ſein. Man kann noch deutlich die neuen Flieſen von den
alten unterſcheiden.“ Eigentlich aber war es nicht der Fall.

„Und“ fuhr der Prediger fort, „hier war auch das Fuchs’ſche
Wappen.“ Und dabei wies er mit dem Zeigefinger auf einen
Punkt in der Luft, etwa vier Fuß hoch über der Brüſtung eines
niedrigen Chorſtuhls. Es hatte durchaus etwas Geſpenſtiſch-
Viſionäres, wie wenn Macbeth den Dolch ſieht, und das be-
ſtimmt ausgeſprochene „hier“ ließ mich auf eine Sekunde ganz
ernſthaft nach der Erſcheinung ſuchen. Aber es blieb alles un-
ſichtbar und ich fröſtelte nur noch die Frage heraus: „Dies iſt
alſo alles?“

„Ich fürchte, ja. Wenn Sie ſich nicht vielleicht für einen
Spruch intereſſiren, den des alten Johann Porſt’s Nachfolger an
die Sakriſteithür geſchrieben hat.“

„O, ich intereſſire mich ſehr für Sprüche …“ Und ſo
las ich denn:

Printz Markgraff Ludewig
Stiff’t hier zu Gottes Ehren
Kirch’fenſter, Sakriſtei
Nebſt zweien neuen Chören.
Gott ſei ſein Schild, ſein Lohn,
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[237/0253] öffnete ſich die Thür und der Zugwind trieb über unſre Köpfe weg einen breiten Schneeſtreifen in die Kirche hinein. Ein fahles Roth ſtand noch in den Scheiben, gerade hell genug, um uns alles rundum erkennen zu laſſen. Die Wände zeigten ſich friſch ge- tüncht, Orgel und Altar blank, und die Pfeiler mit vielen Bibel- ſprüchen bedeckt, aber das erſte Gefühl, das ich angeſichts dieſer Herrlichkeit hatte, war doch das einer gewiſſen Beſchämung und einer halben Ausſöhnung mit dem maître d’école drüben. „Ihr Be- ſuch würde reſultatlos verlaufen,“ waren ſeine gebildeten Worte geweſen, und er ſchien Recht behalten zu ſollen. Es mochte ſich etwas von Enttäuſchung in meinem Geſichte ſpiegeln, weshalb der Prediger, als wir den Mittelgang halb hinauf waren, in freundlichſtem Tone zu mir ſagte: „hier war die Gruft.“ Ich meinerſeits hielt es für angezeigt dieſer Freundlichkeit durch eine gleiche zu begegnen und erwiederte: „Ja, hier muß es geweſen ſein. Man kann noch deutlich die neuen Flieſen von den alten unterſcheiden.“ Eigentlich aber war es nicht der Fall. „Und“ fuhr der Prediger fort, „hier war auch das Fuchs’ſche Wappen.“ Und dabei wies er mit dem Zeigefinger auf einen Punkt in der Luft, etwa vier Fuß hoch über der Brüſtung eines niedrigen Chorſtuhls. Es hatte durchaus etwas Geſpenſtiſch- Viſionäres, wie wenn Macbeth den Dolch ſieht, und das be- ſtimmt ausgeſprochene „hier“ ließ mich auf eine Sekunde ganz ernſthaft nach der Erſcheinung ſuchen. Aber es blieb alles un- ſichtbar und ich fröſtelte nur noch die Frage heraus: „Dies iſt alſo alles?“ „Ich fürchte, ja. Wenn Sie ſich nicht vielleicht für einen Spruch intereſſiren, den des alten Johann Porſt’s Nachfolger an die Sakriſteithür geſchrieben hat.“ „O, ich intereſſire mich ſehr für Sprüche …“ Und ſo las ich denn: Printz Markgraff Ludewig Stiff’t hier zu Gottes Ehren Kirch’fenſter, Sakriſtei Nebſt zweien neuen Chören. Gott ſei ſein Schild, ſein Lohn,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/253>, abgerufen am 22.11.2024.