Sein Schutz, sein Eigenthum, Er laß es feste stehn Zu seinem ewgen Ruhm.
Das Feuer, das aus diesem Spruch auflohte, schien mir un- ausreichend die Kirchentemperatur zu verbessern, und so schlug ich einen raschen Rückzug an die Herdplätze menschlicher Wohnungen vor. Der Pfarrer schien von demselben Verlangen erfüllt, und ehe fünf Minuten um waren, waren wir wieder daheim und stampften auf der Strohmatte seines Flurs den Schnee von unseren Füßen.
Drinnen brannte jetzt Licht, aus der Nebenstube klangen Kinderstimmen und vom Flur her hörten wir das Klappern der Plätteisen, wenn neue Bolzen eingeschüttet wurden. An Wand und Decke hin aber huschten die Schatten der draußen an unserem Fenster Vorbeipassirenden. Der Thorwaldsensche Christus über dem Sopha schien in dem Widerspiel von Licht und Schatten zu wachsen und während die Gestalten seiner Jünger mehr und mehr zurücktraten, war es als stünd' er freundlich segnend uns zu Häupten, der gute Hirt einer allerkleinsten Gemeinde. Die Kreuz- Zeitung war inzwischen sorgfältig zusammengefaltet worden und statt ihrer lag das Malchower Kirchenbuch auf dem Tisch. Es waren Blätter von 1698 bis 1704 die wir nun überflogen, um vielleicht an der Hand des alten Porst, damaligen Predigers zu Malchow, einen Blick in die von Fuchs'sche Herrschaft jener Epoche thun zu können. Aus allem ging hervor, daß es der alte Gesangbuchmann mit Predigt und Seelsorge sehr ernst genommen haben mußte, was aber die Fuchsiana betraf, so schien uns leider auch diese Quelle versagen zu wollen. Ich beschloß deshalb auch vor dem Letzten nicht zurückzuschrecken und die Taufregister auf Namen und Titel hin gewissenhaft durchzulesen. Und siehe da, der Mosesstab, der den Quell aus dem Stein weckt, war auf der Stelle gefunden. Es tröpfelte zwar nur, aber die Kühle frischen Wassers labte doch meine Zunge. Sieben Jahre lang hatte Johannes Porst an eben dieser Stelle fungirt und in jedem dieser sieben Jahre siebenmal getauft; -- auch darin also vollzog sich ein Gesetz. Und als ich nun mit allen 49 Taufen glücklich durch war, kannt' ich Malchow in seinem damaligen Besitz- und
Sein Schutz, ſein Eigenthum, Er laß es feſte ſtehn Zu ſeinem ewgen Ruhm.
Das Feuer, das aus dieſem Spruch auflohte, ſchien mir un- ausreichend die Kirchentemperatur zu verbeſſern, und ſo ſchlug ich einen raſchen Rückzug an die Herdplätze menſchlicher Wohnungen vor. Der Pfarrer ſchien von demſelben Verlangen erfüllt, und ehe fünf Minuten um waren, waren wir wieder daheim und ſtampften auf der Strohmatte ſeines Flurs den Schnee von unſeren Füßen.
Drinnen brannte jetzt Licht, aus der Nebenſtube klangen Kinderſtimmen und vom Flur her hörten wir das Klappern der Plätteiſen, wenn neue Bolzen eingeſchüttet wurden. An Wand und Decke hin aber huſchten die Schatten der draußen an unſerem Fenſter Vorbeipaſſirenden. Der Thorwaldſenſche Chriſtus über dem Sopha ſchien in dem Widerſpiel von Licht und Schatten zu wachſen und während die Geſtalten ſeiner Jünger mehr und mehr zurücktraten, war es als ſtünd’ er freundlich ſegnend uns zu Häupten, der gute Hirt einer allerkleinſten Gemeinde. Die Kreuz- Zeitung war inzwiſchen ſorgfältig zuſammengefaltet worden und ſtatt ihrer lag das Malchower Kirchenbuch auf dem Tiſch. Es waren Blätter von 1698 bis 1704 die wir nun überflogen, um vielleicht an der Hand des alten Porſt, damaligen Predigers zu Malchow, einen Blick in die von Fuchs’ſche Herrſchaft jener Epoche thun zu können. Aus allem ging hervor, daß es der alte Geſangbuchmann mit Predigt und Seelſorge ſehr ernſt genommen haben mußte, was aber die Fuchſiana betraf, ſo ſchien uns leider auch dieſe Quelle verſagen zu wollen. Ich beſchloß deshalb auch vor dem Letzten nicht zurückzuſchrecken und die Taufregiſter auf Namen und Titel hin gewiſſenhaft durchzuleſen. Und ſiehe da, der Moſesſtab, der den Quell aus dem Stein weckt, war auf der Stelle gefunden. Es tröpfelte zwar nur, aber die Kühle friſchen Waſſers labte doch meine Zunge. Sieben Jahre lang hatte Johannes Porſt an eben dieſer Stelle fungirt und in jedem dieſer ſieben Jahre ſiebenmal getauft; — auch darin alſo vollzog ſich ein Geſetz. Und als ich nun mit allen 49 Taufen glücklich durch war, kannt’ ich Malchow in ſeinem damaligen Beſitz- und
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Sein Schutz, ſein Eigenthum,
Er laß es feſte ſtehn
Zu ſeinem ewgen Ruhm.
Das Feuer, das aus dieſem Spruch auflohte, ſchien mir un-
ausreichend die Kirchentemperatur zu verbeſſern, und ſo ſchlug ich
einen raſchen Rückzug an die Herdplätze menſchlicher Wohnungen
vor. Der Pfarrer ſchien von demſelben Verlangen erfüllt, und
ehe fünf Minuten um waren, waren wir wieder daheim und
ſtampften auf der Strohmatte ſeines Flurs den Schnee von unſeren
Füßen.
Drinnen brannte jetzt Licht, aus der Nebenſtube klangen
Kinderſtimmen und vom Flur her hörten wir das Klappern der
Plätteiſen, wenn neue Bolzen eingeſchüttet wurden. An Wand
und Decke hin aber huſchten die Schatten der draußen an unſerem
Fenſter Vorbeipaſſirenden. Der Thorwaldſenſche Chriſtus über
dem Sopha ſchien in dem Widerſpiel von Licht und Schatten zu
wachſen und während die Geſtalten ſeiner Jünger mehr und mehr
zurücktraten, war es als ſtünd’ er freundlich ſegnend uns zu
Häupten, der gute Hirt einer allerkleinſten Gemeinde. Die Kreuz-
Zeitung war inzwiſchen ſorgfältig zuſammengefaltet worden und
ſtatt ihrer lag das Malchower Kirchenbuch auf dem Tiſch. Es
waren Blätter von 1698 bis 1704 die wir nun überflogen, um
vielleicht an der Hand des alten Porſt, damaligen Predigers zu
Malchow, einen Blick in die von Fuchs’ſche Herrſchaft jener
Epoche thun zu können. Aus allem ging hervor, daß es der alte
Geſangbuchmann mit Predigt und Seelſorge ſehr ernſt genommen
haben mußte, was aber die Fuchſiana betraf, ſo ſchien uns
leider auch dieſe Quelle verſagen zu wollen. Ich beſchloß deshalb
auch vor dem Letzten nicht zurückzuſchrecken und die Taufregiſter
auf Namen und Titel hin gewiſſenhaft durchzuleſen. Und ſiehe
da, der Moſesſtab, der den Quell aus dem Stein weckt, war auf
der Stelle gefunden. Es tröpfelte zwar nur, aber die Kühle
friſchen Waſſers labte doch meine Zunge. Sieben Jahre lang
hatte Johannes Porſt an eben dieſer Stelle fungirt und in jedem
dieſer ſieben Jahre ſiebenmal getauft; — auch darin alſo vollzog
ſich ein Geſetz. Und als ich nun mit allen 49 Taufen glücklich
durch war, kannt’ ich Malchow in ſeinem damaligen Beſitz- und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/254>, abgerufen am 22.11.2024.
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