Gluth hinein und das durch die nebelfeuchte Luft gedämpfte Picken und Hämmern klingt märchenhaft-leise zu Dir herüber. Ein Gefühl beschleicht Dich, als wär' alles ein Wunderland oder als läge die Insel der Glücklichen vor Dir.
Das ist der Zauber eines "Dorfes in der Haide."
Und solch ein Dorf ist auch Kienbaum. Grund genug, ihm einen kurzen Besuch zu machen. Was uns aber heut und noch um die Sommerzeit diesem Haidedorfe zuführt, das ist nicht die Poesie seiner stillen Häuschen, das ist einfach die Thatsache, daß Dorf Kienbaum vor hundert Jahren oder noch weiter zurück ein Con- greßort war, wo die märkischen Bienenzüchter oder doch jedenfalls die Bienenwirthe von Lebus und Barnim zu Berathung ihrer Angelegenheiten zusammenkamen.
Was diesem kleinen Dörflein solche Ehre einbrachte, ist nicht mehr mit Bestimmtheit zu sagen. Wahrscheinlich wirkte Ver- schiednes zusammen, unter anderm auch wohl seine günstige Lage ziemlich inmitten der Provinz. Gleichviel indeß was es war, all- jährlich im Monat August oder September kamen hier die "Beut- ner und Zeidler" zusammen und alle Höfe, besonders aber der Schulzenhof (der durch Jahrhunderte hin ein Hauptbienenhof war) öffneten dann gastlich ihre Thore. Darüber, was auf diesem Convent verhandelt wurde, hört man an Ort und Stelle nur wenig noch und was man hört, widerspricht sich unter ein- ander. "Ja wenn die alte Kettlitzen noch lebte" heißt es im Tone halb des Bedauerns und halb der Entschuldigung. Aber die "Kettlitzen" ist bei solchen Anfragen allemal todt.
Stell' ich nachstehend zusammen, was ich mündlich erfahren oder aus Büchern ersehen konnte, so find' ich, daß der Charakter dieses Bienenconvents im Laufe der Jahrhunderte wechselte. Wäh- rend es sich in alten Zeiten, allem Anscheine nach, um ausschließlich geschäftliche Regulirungen handelte, war dieser Convent unter König Friedrich Wilhelm I. eine halbwissenchaftliche Fachmänner- Versammlung geworden, auf der man sich Producte zeigte, Resul- tate mittheilte und über Verbesserungen in der Bienenzucht nach inzwischen gemachten Erfahrungen berieth.
Dieser totale Wechsel hatte wohl darin seinen Grund, daß
Gluth hinein und das durch die nebelfeuchte Luft gedämpfte Picken und Hämmern klingt märchenhaft-leiſe zu Dir herüber. Ein Gefühl beſchleicht Dich, als wär’ alles ein Wunderland oder als läge die Inſel der Glücklichen vor Dir.
Das iſt der Zauber eines „Dorfes in der Haide.“
Und ſolch ein Dorf iſt auch Kienbaum. Grund genug, ihm einen kurzen Beſuch zu machen. Was uns aber heut und noch um die Sommerzeit dieſem Haidedorfe zuführt, das iſt nicht die Poeſie ſeiner ſtillen Häuschen, das iſt einfach die Thatſache, daß Dorf Kienbaum vor hundert Jahren oder noch weiter zurück ein Con- greßort war, wo die märkiſchen Bienenzüchter oder doch jedenfalls die Bienenwirthe von Lebus und Barnim zu Berathung ihrer Angelegenheiten zuſammenkamen.
Was dieſem kleinen Dörflein ſolche Ehre einbrachte, iſt nicht mehr mit Beſtimmtheit zu ſagen. Wahrſcheinlich wirkte Ver- ſchiednes zuſammen, unter anderm auch wohl ſeine günſtige Lage ziemlich inmitten der Provinz. Gleichviel indeß was es war, all- jährlich im Monat Auguſt oder September kamen hier die „Beut- ner und Zeidler“ zuſammen und alle Höfe, beſonders aber der Schulzenhof (der durch Jahrhunderte hin ein Hauptbienenhof war) öffneten dann gaſtlich ihre Thore. Darüber, was auf dieſem Convent verhandelt wurde, hört man an Ort und Stelle nur wenig noch und was man hört, widerſpricht ſich unter ein- ander. „Ja wenn die alte Kettlitzen noch lebte“ heißt es im Tone halb des Bedauerns und halb der Entſchuldigung. Aber die „Kettlitzen“ iſt bei ſolchen Anfragen allemal todt.
Stell’ ich nachſtehend zuſammen, was ich mündlich erfahren oder aus Büchern erſehen konnte, ſo find’ ich, daß der Charakter dieſes Bienenconvents im Laufe der Jahrhunderte wechſelte. Wäh- rend es ſich in alten Zeiten, allem Anſcheine nach, um ausſchließlich geſchäftliche Regulirungen handelte, war dieſer Convent unter König Friedrich Wilhelm I. eine halbwiſſenchaftliche Fachmänner- Verſammlung geworden, auf der man ſich Producte zeigte, Reſul- tate mittheilte und über Verbeſſerungen in der Bienenzucht nach inzwiſchen gemachten Erfahrungen berieth.
Dieſer totale Wechſel hatte wohl darin ſeinen Grund, daß
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Gluth hinein und das durch die nebelfeuchte Luft gedämpfte Picken
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Gefühl beſchleicht Dich, als wär’ alles ein Wunderland oder als
läge die Inſel der Glücklichen vor Dir.
Das iſt der Zauber eines „Dorfes in der Haide.“
Und ſolch ein Dorf iſt auch Kienbaum. Grund genug, ihm
einen kurzen Beſuch zu machen. Was uns aber heut und noch um
die Sommerzeit dieſem Haidedorfe zuführt, das iſt nicht die Poeſie
ſeiner ſtillen Häuschen, das iſt einfach die Thatſache, daß Dorf
Kienbaum vor hundert Jahren oder noch weiter zurück ein Con-
greßort war, wo die märkiſchen Bienenzüchter oder doch
jedenfalls die Bienenwirthe von Lebus und Barnim zu Berathung
ihrer Angelegenheiten zuſammenkamen.
Was dieſem kleinen Dörflein ſolche Ehre einbrachte, iſt nicht
mehr mit Beſtimmtheit zu ſagen. Wahrſcheinlich wirkte Ver-
ſchiednes zuſammen, unter anderm auch wohl ſeine günſtige Lage
ziemlich inmitten der Provinz. Gleichviel indeß was es war, all-
jährlich im Monat Auguſt oder September kamen hier die „Beut-
ner und Zeidler“ zuſammen und alle Höfe, beſonders aber der
Schulzenhof (der durch Jahrhunderte hin ein Hauptbienenhof
war) öffneten dann gaſtlich ihre Thore. Darüber, was auf
dieſem Convent verhandelt wurde, hört man an Ort und Stelle
nur wenig noch und was man hört, widerſpricht ſich unter ein-
ander. „Ja wenn die alte Kettlitzen noch lebte“ heißt es im
Tone halb des Bedauerns und halb der Entſchuldigung. Aber
die „Kettlitzen“ iſt bei ſolchen Anfragen allemal todt.
Stell’ ich nachſtehend zuſammen, was ich mündlich erfahren
oder aus Büchern erſehen konnte, ſo find’ ich, daß der Charakter
dieſes Bienenconvents im Laufe der Jahrhunderte wechſelte. Wäh-
rend es ſich in alten Zeiten, allem Anſcheine nach, um ausſchließlich
geſchäftliche Regulirungen handelte, war dieſer Convent unter
König Friedrich Wilhelm I. eine halbwiſſenchaftliche Fachmänner-
Verſammlung geworden, auf der man ſich Producte zeigte, Reſul-
tate mittheilte und über Verbeſſerungen in der Bienenzucht nach
inzwiſchen gemachten Erfahrungen berieth.
Dieſer totale Wechſel hatte wohl darin ſeinen Grund, daß
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/260>, abgerufen am 22.11.2024.
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