Sommer 1820 vermählte. Zwei Jahre noch verblieb er in Trier, im schwiegerelterlichen Hause, bis er 1822 unter freudiger Zu- stimmung seiner jungen Frau, die die landwirthschaftliche Passion mit ihm theilte, nach Groeben hin übersiedelte, das wieder an die Schlabrendorfs zu bringen -- ein von Jugend auf von ihm ge- hegter Wunsch -- ihm um eben diese Zeit gelungen war.
Die Verhältnisse waren ihm bei diesem Wieder-Ankauf eben so günstig gewesen, als sie sich für den Vorbesitzer und seine Nachkommen einundzwanzig Jahre lang eminent ungünstig erwiesen hatten. Alle Leiden und Nachwehen einer langen Kriegs- und Invasions-Epoche waren zu tragen gewesen und hatten zu solcher Verschuldung des Gutes geführt, daß der nunmehrige Kaufpreis desselben in nichts Weiterem bestand, als in Uebernahme der darauf eingetragenen Hypotheken, die sich freilich, wie gesagt werden muß, hoch genug beliefen.
Es gab nun also wieder eine wirkliche Groebener Gutsherr- schaft und zwar eine, wie man sie lange nicht im Dorfe gekannt hatte, richtiger noch wie sie nie dagewesen war. Ordnung und Sitte waren mit dem jungen Paare gekommen, auch Beistand in Rath und That, und so weit es in Menschenhände gegeben ist dem Unglück und dem Unrecht zu wehren, so weit wurd' ihm gewehrt.
Aber nicht nur die Dorfgemeinde durfte sich der neuen Guts- herrschaft freuen, die neue Gutsherrschaft wußte mit der Erfüllung ihrer nächstliegenden Pflichten auch Schönheitssinn und Sinn für das Allgemeine zu verbinden und erreichte dadurch, daß das Groebener Herrenhaus auf drei Jahrzehnte hin ein Sammel- und Mittelpunkt geistiger Interessen wurde. Von dem Leben der großen Welt hielt man sich geflissentlich fern, aber was sich darin hervorthat, insonderheit als ein "erst Werdendes" hervorthat, das empfing entweder aufmunternde Zustimmung oder wohl auch Pflege, so lang es solcher Pflege bedurfte. Junge Kräfte wurden unterstützt, Bilder und Büsten in Auftrag gegeben, Reise-Stipen- dien erwirkt oder persönlich bewilligt, und wie die Thüren allezeit offen standen, so standen auch die Herzen auf in dem immer son- nigen und immer gastlichen Hause. Diese Gastlichkeit enthielt sich jedes Luxus, ja, verschmähte denselben, aber so schlicht sie sich gab, so grenzenlos gab sie sich auch. Und lag schon hierin ein
Sommer 1820 vermählte. Zwei Jahre noch verblieb er in Trier, im ſchwiegerelterlichen Hauſe, bis er 1822 unter freudiger Zu- ſtimmung ſeiner jungen Frau, die die landwirthſchaftliche Paſſion mit ihm theilte, nach Groeben hin überſiedelte, das wieder an die Schlabrendorfs zu bringen — ein von Jugend auf von ihm ge- hegter Wunſch — ihm um eben dieſe Zeit gelungen war.
Die Verhältniſſe waren ihm bei dieſem Wieder-Ankauf eben ſo günſtig geweſen, als ſie ſich für den Vorbeſitzer und ſeine Nachkommen einundzwanzig Jahre lang eminent ungünſtig erwieſen hatten. Alle Leiden und Nachwehen einer langen Kriegs- und Invaſions-Epoche waren zu tragen geweſen und hatten zu ſolcher Verſchuldung des Gutes geführt, daß der nunmehrige Kaufpreis deſſelben in nichts Weiterem beſtand, als in Uebernahme der darauf eingetragenen Hypotheken, die ſich freilich, wie geſagt werden muß, hoch genug beliefen.
Es gab nun alſo wieder eine wirkliche Groebener Gutsherr- ſchaft und zwar eine, wie man ſie lange nicht im Dorfe gekannt hatte, richtiger noch wie ſie nie dageweſen war. Ordnung und Sitte waren mit dem jungen Paare gekommen, auch Beiſtand in Rath und That, und ſo weit es in Menſchenhände gegeben iſt dem Unglück und dem Unrecht zu wehren, ſo weit wurd’ ihm gewehrt.
Aber nicht nur die Dorfgemeinde durfte ſich der neuen Guts- herrſchaft freuen, die neue Gutsherrſchaft wußte mit der Erfüllung ihrer nächſtliegenden Pflichten auch Schönheitsſinn und Sinn für das Allgemeine zu verbinden und erreichte dadurch, daß das Groebener Herrenhaus auf drei Jahrzehnte hin ein Sammel- und Mittelpunkt geiſtiger Intereſſen wurde. Von dem Leben der großen Welt hielt man ſich gefliſſentlich fern, aber was ſich darin hervorthat, inſonderheit als ein „erſt Werdendes“ hervorthat, das empfing entweder aufmunternde Zuſtimmung oder wohl auch Pflege, ſo lang es ſolcher Pflege bedurfte. Junge Kräfte wurden unterſtützt, Bilder und Büſten in Auftrag gegeben, Reiſe-Stipen- dien erwirkt oder perſönlich bewilligt, und wie die Thüren allezeit offen ſtanden, ſo ſtanden auch die Herzen auf in dem immer ſon- nigen und immer gaſtlichen Hauſe. Dieſe Gaſtlichkeit enthielt ſich jedes Luxus, ja, verſchmähte denſelben, aber ſo ſchlicht ſie ſich gab, ſo grenzenlos gab ſie ſich auch. Und lag ſchon hierin ein
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Sommer 1820 vermählte. Zwei Jahre noch verblieb er in Trier,
im ſchwiegerelterlichen Hauſe, bis er 1822 unter freudiger Zu-
ſtimmung ſeiner jungen Frau, die die landwirthſchaftliche Paſſion
mit ihm theilte, nach Groeben hin überſiedelte, das wieder an die
Schlabrendorfs zu bringen — ein von Jugend auf von ihm ge-
hegter Wunſch — ihm um eben dieſe Zeit gelungen war.
Die Verhältniſſe waren ihm bei dieſem Wieder-Ankauf eben
ſo günſtig geweſen, als ſie ſich für den Vorbeſitzer und ſeine
Nachkommen einundzwanzig Jahre lang eminent ungünſtig erwieſen
hatten. Alle Leiden und Nachwehen einer langen Kriegs- und
Invaſions-Epoche waren zu tragen geweſen und hatten zu ſolcher
Verſchuldung des Gutes geführt, daß der nunmehrige Kaufpreis
deſſelben in nichts Weiterem beſtand, als in Uebernahme der
darauf eingetragenen Hypotheken, die ſich freilich, wie geſagt
werden muß, hoch genug beliefen.
Es gab nun alſo wieder eine wirkliche Groebener Gutsherr-
ſchaft und zwar eine, wie man ſie lange nicht im Dorfe gekannt
hatte, richtiger noch wie ſie nie dageweſen war. Ordnung und
Sitte waren mit dem jungen Paare gekommen, auch Beiſtand in
Rath und That, und ſo weit es in Menſchenhände gegeben iſt dem
Unglück und dem Unrecht zu wehren, ſo weit wurd’ ihm gewehrt.
Aber nicht nur die Dorfgemeinde durfte ſich der neuen Guts-
herrſchaft freuen, die neue Gutsherrſchaft wußte mit der Erfüllung
ihrer nächſtliegenden Pflichten auch Schönheitsſinn und Sinn für
das Allgemeine zu verbinden und erreichte dadurch, daß das
Groebener Herrenhaus auf drei Jahrzehnte hin ein Sammel- und
Mittelpunkt geiſtiger Intereſſen wurde. Von dem Leben der
großen Welt hielt man ſich gefliſſentlich fern, aber was ſich darin
hervorthat, inſonderheit als ein „erſt Werdendes“ hervorthat, das
empfing entweder aufmunternde Zuſtimmung oder wohl auch
Pflege, ſo lang es ſolcher Pflege bedurfte. Junge Kräfte wurden
unterſtützt, Bilder und Büſten in Auftrag gegeben, Reiſe-Stipen-
dien erwirkt oder perſönlich bewilligt, und wie die Thüren allezeit
offen ſtanden, ſo ſtanden auch die Herzen auf in dem immer ſon-
nigen und immer gaſtlichen Hauſe. Dieſe Gaſtlichkeit enthielt ſich
jedes Luxus, ja, verſchmähte denſelben, aber ſo ſchlicht ſie ſich
gab, ſo grenzenlos gab ſie ſich auch. Und lag ſchon hierin ein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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