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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Zauber, so lag er viel viel mehr noch in der einfach distinguirten
Lebensauffassung, die hier still und ungesucht um die Herzen warb,
und in dem Ton, der der Ausdruck dieser Lebensauffassung war.
Es war ganz der gute Ton jener Zeit (einer über- aber freilich
auch unterschätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage so sehr
hervortretende specialistisch Einseitige vermied und umgekehrt in
dem Gelten-lassen andrer Beschäftigungen und Richtungen die
Pflicht und Aufgabe der Gesellschaft erkannte. Nichts war ausge-
schlossen, und Scherz und Anekdote -- selbst wenn sich etwas von
dem Uebermuthe der damaligen Witzweise darin spiegelte -- hatten
so gut ein Haus- und Tisch-Recht, wie die Fragen über Kunst
und Wissenschaft oder die speciell auch in dem Groebener Kreise
mit Vorliebe gepflegten altpreußischen Thematas von Armee und
Verwaltung, von Staat und Kirche.

Sogar Landwirthschaftliches interessirte lebhaft, am meisten
freilich den Grafen selbst, der, im Gegensatz zu seinem dilettantisch
und skurril herum experimentirenden Vater, eine große theoretische
Kenntniß und alsbald auch ein reiches Erfahrungs-Wissen inne
hatte, das ihn zu den mannigfachsten Reformen, Einrichtungen
und Ankäufen gleichmäßig befähigte.

Bei dieser großen Tüchtigkeit und Umsicht in praktischen
Dingen konnt' es nicht ausbleiben, daß ihm mehr als einmal, und
zwar jedesmal aus Regierungskreisen her, der Antrag gemacht
wurde, sich seiner Groebener Einsamkeit begeben und in die
große Welt, in der er in seiner Jugend gelebt und mit der er die
Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wollen. Aber er
lehnte jedes dahin zielende Wort mit der Erklärung ab: "Ich bin
für Groeben bestimmt
."

Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung einer
Rückkehr in das staatliche Leben an ihn stellte, riß ihn nicht
heraus; im Gegentheil, er schloß sich inniger an die Seinen an,
die seiner Treue mit Treue lohnten, und während das ganze
Preußen erschüttert hin und her schwankte, wurde Groeben von
keinem anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen
Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor dem Herren-
hause wachehaltende Linde niederwarf. Er sah sie den Morgen
darauf entwurzelt am Boden liegen und ordnete an, daß sie zu

Zauber, ſo lag er viel viel mehr noch in der einfach diſtinguirten
Lebensauffaſſung, die hier ſtill und ungeſucht um die Herzen warb,
und in dem Ton, der der Ausdruck dieſer Lebensauffaſſung war.
Es war ganz der gute Ton jener Zeit (einer über- aber freilich
auch unterſchätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage ſo ſehr
hervortretende ſpecialiſtiſch Einſeitige vermied und umgekehrt in
dem Gelten-laſſen andrer Beſchäftigungen und Richtungen die
Pflicht und Aufgabe der Geſellſchaft erkannte. Nichts war ausge-
ſchloſſen, und Scherz und Anekdote — ſelbſt wenn ſich etwas von
dem Uebermuthe der damaligen Witzweiſe darin ſpiegelte — hatten
ſo gut ein Haus- und Tiſch-Recht, wie die Fragen über Kunſt
und Wiſſenſchaft oder die ſpeciell auch in dem Groebener Kreiſe
mit Vorliebe gepflegten altpreußiſchen Thematas von Armee und
Verwaltung, von Staat und Kirche.

Sogar Landwirthſchaftliches intereſſirte lebhaft, am meiſten
freilich den Grafen ſelbſt, der, im Gegenſatz zu ſeinem dilettantiſch
und ſkurril herum experimentirenden Vater, eine große theoretiſche
Kenntniß und alsbald auch ein reiches Erfahrungs-Wiſſen inne
hatte, das ihn zu den mannigfachſten Reformen, Einrichtungen
und Ankäufen gleichmäßig befähigte.

Bei dieſer großen Tüchtigkeit und Umſicht in praktiſchen
Dingen konnt’ es nicht ausbleiben, daß ihm mehr als einmal, und
zwar jedesmal aus Regierungskreiſen her, der Antrag gemacht
wurde, ſich ſeiner Groebener Einſamkeit begeben und in die
große Welt, in der er in ſeiner Jugend gelebt und mit der er die
Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wollen. Aber er
lehnte jedes dahin zielende Wort mit der Erklärung ab: „Ich bin
für Groeben beſtimmt
.“

Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung einer
Rückkehr in das ſtaatliche Leben an ihn ſtellte, riß ihn nicht
heraus; im Gegentheil, er ſchloß ſich inniger an die Seinen an,
die ſeiner Treue mit Treue lohnten, und während das ganze
Preußen erſchüttert hin und her ſchwankte, wurde Groeben von
keinem anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen
Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor dem Herren-
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[379/0395] Zauber, ſo lag er viel viel mehr noch in der einfach diſtinguirten Lebensauffaſſung, die hier ſtill und ungeſucht um die Herzen warb, und in dem Ton, der der Ausdruck dieſer Lebensauffaſſung war. Es war ganz der gute Ton jener Zeit (einer über- aber freilich auch unterſchätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage ſo ſehr hervortretende ſpecialiſtiſch Einſeitige vermied und umgekehrt in dem Gelten-laſſen andrer Beſchäftigungen und Richtungen die Pflicht und Aufgabe der Geſellſchaft erkannte. Nichts war ausge- ſchloſſen, und Scherz und Anekdote — ſelbſt wenn ſich etwas von dem Uebermuthe der damaligen Witzweiſe darin ſpiegelte — hatten ſo gut ein Haus- und Tiſch-Recht, wie die Fragen über Kunſt und Wiſſenſchaft oder die ſpeciell auch in dem Groebener Kreiſe mit Vorliebe gepflegten altpreußiſchen Thematas von Armee und Verwaltung, von Staat und Kirche. Sogar Landwirthſchaftliches intereſſirte lebhaft, am meiſten freilich den Grafen ſelbſt, der, im Gegenſatz zu ſeinem dilettantiſch und ſkurril herum experimentirenden Vater, eine große theoretiſche Kenntniß und alsbald auch ein reiches Erfahrungs-Wiſſen inne hatte, das ihn zu den mannigfachſten Reformen, Einrichtungen und Ankäufen gleichmäßig befähigte. Bei dieſer großen Tüchtigkeit und Umſicht in praktiſchen Dingen konnt’ es nicht ausbleiben, daß ihm mehr als einmal, und zwar jedesmal aus Regierungskreiſen her, der Antrag gemacht wurde, ſich ſeiner Groebener Einſamkeit begeben und in die große Welt, in der er in ſeiner Jugend gelebt und mit der er die Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wollen. Aber er lehnte jedes dahin zielende Wort mit der Erklärung ab: „Ich bin für Groeben beſtimmt.“ Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung einer Rückkehr in das ſtaatliche Leben an ihn ſtellte, riß ihn nicht heraus; im Gegentheil, er ſchloß ſich inniger an die Seinen an, die ſeiner Treue mit Treue lohnten, und während das ganze Preußen erſchüttert hin und her ſchwankte, wurde Groeben von keinem anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor dem Herren- hauſe wachehaltende Linde niederwarf. Er ſah ſie den Morgen darauf entwurzelt am Boden liegen und ordnete an, daß ſie zu

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/395>, abgerufen am 22.11.2024.