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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Unter gewöhnlichen Verhältnissen würde die Frage wahrscheinlich
mit einem "nein" beantwortet oder noch viel wahrscheinlicher gar
nicht gestellt worden sein, in Trier aber lagen die Dinge bereits
außerhalb des Gewöhnlichen, indem August von Scharnhorst durch
einen Sturz vom Pferde sich sehr erheblich und zwar bis zur
Dienst-Unfähigkeit verletzt, auch in Folge davon sein Entlassungs-
gesuch bereits eingereicht hatte. So wurde denn freudig zugestimmt
und 1825 der Ankauf von Siethen bewerkstelligt, das nun -- so
wenigstens ging der Plan -- für das junge Scharnhorstsche Paar
eine gleich glückliche Heimstätte werden sollte, wie das Schwester-
dorf Groeben es für das Schlabrendorfsche bereits war. Aber
dieser Plan scheiterte. Des um diese Zeit bereits als Major aus
dem Dienste geschiedenen Rittmeisters von Scharnhorst gesundheit-
liche Störungen waren größer als geglaubt, er kränkelte viel, und
schon ein halbes Jahr nach Uebernahme des Gutes, starb er in
Berlin (Oktober 1826) wohin er sich in ärztliche Behandlung
begeben, und ließ in Siethen ein kaum einjähriges Töchterchen
und eine 23jährige Wittwe zurück.

Ein hartes Loos war dieser gefallen. Und doch hatte sie
dreierlei, was ihr das Leben allmälig wieder lebenswerth machte:
das Kind, die Schwägerin drüben in Groeben und als Drittes
den Wetteifer mit dieser in allen guten Werken. Im Beglücken
Anderer erhob sie sich zu neuer Kraft und als die Tochter (auch
eine Johanna) zu Jedermanns Freude heranwuchs und immer
mehr das Licht ihres Lebens wurde, da kam ihr auch ein Gefühl
des Glückes wieder und in und mit ihm die Hoffnung, die
mehr ist als das Glück.

Aber diese Hoffnung erblaßte vor der Zeit und schwand endlich
hin für immer. Die Tochter erkrankte von einem hitzigen Fieber
befallen, und starb im schwäbischen Wildbad, wohin sie sich in
Begleitung ihrer damals noch lebenden Groebener Tante be-
geben hatte.

Das war im Herbst 1857. Untröstlich war die Mutter, die
nun in Einsamkeit den Rest ihres Lebens durchlebte.

Eh' ich aber diesen Lebensausgang schildere, versuch' ich zuvor
ein Bild der zu früh heimgegangenen Tochter zu geben.

Fontane, Wanderungen. IV. 25

Unter gewöhnlichen Verhältniſſen würde die Frage wahrſcheinlich
mit einem „nein“ beantwortet oder noch viel wahrſcheinlicher gar
nicht geſtellt worden ſein, in Trier aber lagen die Dinge bereits
außerhalb des Gewöhnlichen, indem Auguſt von Scharnhorſt durch
einen Sturz vom Pferde ſich ſehr erheblich und zwar bis zur
Dienſt-Unfähigkeit verletzt, auch in Folge davon ſein Entlaſſungs-
geſuch bereits eingereicht hatte. So wurde denn freudig zugeſtimmt
und 1825 der Ankauf von Siethen bewerkſtelligt, das nun — ſo
wenigſtens ging der Plan — für das junge Scharnhorſtſche Paar
eine gleich glückliche Heimſtätte werden ſollte, wie das Schweſter-
dorf Groeben es für das Schlabrendorfſche bereits war. Aber
dieſer Plan ſcheiterte. Des um dieſe Zeit bereits als Major aus
dem Dienſte geſchiedenen Rittmeiſters von Scharnhorſt geſundheit-
liche Störungen waren größer als geglaubt, er kränkelte viel, und
ſchon ein halbes Jahr nach Uebernahme des Gutes, ſtarb er in
Berlin (Oktober 1826) wohin er ſich in ärztliche Behandlung
begeben, und ließ in Siethen ein kaum einjähriges Töchterchen
und eine 23jährige Wittwe zurück.

Ein hartes Loos war dieſer gefallen. Und doch hatte ſie
dreierlei, was ihr das Leben allmälig wieder lebenswerth machte:
das Kind, die Schwägerin drüben in Groeben und als Drittes
den Wetteifer mit dieſer in allen guten Werken. Im Beglücken
Anderer erhob ſie ſich zu neuer Kraft und als die Tochter (auch
eine Johanna) zu Jedermanns Freude heranwuchs und immer
mehr das Licht ihres Lebens wurde, da kam ihr auch ein Gefühl
des Glückes wieder und in und mit ihm die Hoffnung, die
mehr iſt als das Glück.

Aber dieſe Hoffnung erblaßte vor der Zeit und ſchwand endlich
hin für immer. Die Tochter erkrankte von einem hitzigen Fieber
befallen, und ſtarb im ſchwäbiſchen Wildbad, wohin ſie ſich in
Begleitung ihrer damals noch lebenden Groebener Tante be-
geben hatte.

Das war im Herbſt 1857. Untröſtlich war die Mutter, die
nun in Einſamkeit den Reſt ihres Lebens durchlebte.

Eh’ ich aber dieſen Lebensausgang ſchildere, verſuch’ ich zuvor
ein Bild der zu früh heimgegangenen Tochter zu geben.

Fontane, Wanderungen. IV. 25
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[385/0401] Unter gewöhnlichen Verhältniſſen würde die Frage wahrſcheinlich mit einem „nein“ beantwortet oder noch viel wahrſcheinlicher gar nicht geſtellt worden ſein, in Trier aber lagen die Dinge bereits außerhalb des Gewöhnlichen, indem Auguſt von Scharnhorſt durch einen Sturz vom Pferde ſich ſehr erheblich und zwar bis zur Dienſt-Unfähigkeit verletzt, auch in Folge davon ſein Entlaſſungs- geſuch bereits eingereicht hatte. So wurde denn freudig zugeſtimmt und 1825 der Ankauf von Siethen bewerkſtelligt, das nun — ſo wenigſtens ging der Plan — für das junge Scharnhorſtſche Paar eine gleich glückliche Heimſtätte werden ſollte, wie das Schweſter- dorf Groeben es für das Schlabrendorfſche bereits war. Aber dieſer Plan ſcheiterte. Des um dieſe Zeit bereits als Major aus dem Dienſte geſchiedenen Rittmeiſters von Scharnhorſt geſundheit- liche Störungen waren größer als geglaubt, er kränkelte viel, und ſchon ein halbes Jahr nach Uebernahme des Gutes, ſtarb er in Berlin (Oktober 1826) wohin er ſich in ärztliche Behandlung begeben, und ließ in Siethen ein kaum einjähriges Töchterchen und eine 23jährige Wittwe zurück. Ein hartes Loos war dieſer gefallen. Und doch hatte ſie dreierlei, was ihr das Leben allmälig wieder lebenswerth machte: das Kind, die Schwägerin drüben in Groeben und als Drittes den Wetteifer mit dieſer in allen guten Werken. Im Beglücken Anderer erhob ſie ſich zu neuer Kraft und als die Tochter (auch eine Johanna) zu Jedermanns Freude heranwuchs und immer mehr das Licht ihres Lebens wurde, da kam ihr auch ein Gefühl des Glückes wieder und in und mit ihm die Hoffnung, die mehr iſt als das Glück. Aber dieſe Hoffnung erblaßte vor der Zeit und ſchwand endlich hin für immer. Die Tochter erkrankte von einem hitzigen Fieber befallen, und ſtarb im ſchwäbiſchen Wildbad, wohin ſie ſich in Begleitung ihrer damals noch lebenden Groebener Tante be- geben hatte. Das war im Herbſt 1857. Untröſtlich war die Mutter, die nun in Einſamkeit den Reſt ihres Lebens durchlebte. Eh’ ich aber dieſen Lebensausgang ſchildere, verſuch’ ich zuvor ein Bild der zu früh heimgegangenen Tochter zu geben. Fontane, Wanderungen. IV. 25

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/401>, abgerufen am 22.11.2024.