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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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ehemaligen Heim, und als er nach einiger Zeit davon hörte, schrieb
er zurück: "Wie freut es mein altes Herz, daß meine vier Wände
nun die Heimstätte für so viel Gutes geworden sind." Und er
rief den ferneren Segen Gottes dafür an.

Ich sagte, daß ich noch zur Einweihung eintraf. Diese fand
im August statt. Es war ein schöner Tag und der Geistliche
sprach über die Wichtigkeit unsres Berufes, und daß dieser "Beruf
des Erziehens zu Gott" ein Glück und eine Ehre für uns sei. Von
der Gemeinde fehlte niemand und unter den erschienenen Gästen
war auch Agnes v. Scharnhorst (eine Cousine Johanna's) und
der Verlobte derselben, Baron von Münchhausen. Als Schlußge-
sang war Johanna's Lieblingslied gewählt worden, und während
die Kinderstimmen es intonirten, wurde sie, der es galt, tief be-
wegt und sie weinte lang und schmerzlich. Gedachte sie doch, wie
sie mir später in vertraulichem Gespräche mittheilte, nunmehr
zurückliegender Tage, deren Schmerz sich ihr in diesem Augenblick
erneuerte. Sie nahm eben Abschied von Manchem, was ihr lieb
gewesen, und erbat sich Kraft und Muth und Ausdauer zu dem
Wege der nun dunkel vor ihr lag.

Aber er hellte sich auf, dieser Weg, und es kamen auf eine
gute Weile, wenn auch freilich nicht auf lange genug, jene glück-
lichen und gesegneten Tage, die der alte Müller für uns erbeten
hatte. Mutter und Tochter wetteiferten alsbald und halfen überall.
Es war ein frisches, fröhliches Arbeiten und ich konnte nach Haus
und nach Kaiserswerth hin schreiben, "daß mir ein lieblich Loos
gefallen sei". Wir hatten vorsorglich und ängstlich fast mit einer
Kleinkinder- und Sonntagsschule begonnen, aber der Feuereifer
beider Scharnhorstschen Damen konnte sich kein Genüge thun, und
ehe noch viel Zeit in's Land gegangen war, war aus jenen ersten
Anfängen auch schon ein Krankenhaus und bald danach auch ein
Waisenhaus geworden.

Unter den vielen Gaben, die Johanna für ihren Beruf mit-
brachte, war auch die des Erzählens. Sie wußte Geschichten aller
Art mit einer ihr eigenthümlichen, zu Herzen gehenden Einfachheit
vorzutragen und dabei jeden Ton zu treffen, am glücklichsten
vielleicht den humoristischen. Es war eine Lust, ihr zuzuhören,

ehemaligen Heim, und als er nach einiger Zeit davon hörte, ſchrieb
er zurück: „Wie freut es mein altes Herz, daß meine vier Wände
nun die Heimſtätte für ſo viel Gutes geworden ſind.“ Und er
rief den ferneren Segen Gottes dafür an.

Ich ſagte, daß ich noch zur Einweihung eintraf. Dieſe fand
im Auguſt ſtatt. Es war ein ſchöner Tag und der Geiſtliche
ſprach über die Wichtigkeit unſres Berufes, und daß dieſer „Beruf
des Erziehens zu Gott“ ein Glück und eine Ehre für uns ſei. Von
der Gemeinde fehlte niemand und unter den erſchienenen Gäſten
war auch Agnes v. Scharnhorſt (eine Couſine Johanna’s) und
der Verlobte derſelben, Baron von Münchhauſen. Als Schlußge-
ſang war Johanna’s Lieblingslied gewählt worden, und während
die Kinderſtimmen es intonirten, wurde ſie, der es galt, tief be-
wegt und ſie weinte lang und ſchmerzlich. Gedachte ſie doch, wie
ſie mir ſpäter in vertraulichem Geſpräche mittheilte, nunmehr
zurückliegender Tage, deren Schmerz ſich ihr in dieſem Augenblick
erneuerte. Sie nahm eben Abſchied von Manchem, was ihr lieb
geweſen, und erbat ſich Kraft und Muth und Ausdauer zu dem
Wege der nun dunkel vor ihr lag.

Aber er hellte ſich auf, dieſer Weg, und es kamen auf eine
gute Weile, wenn auch freilich nicht auf lange genug, jene glück-
lichen und geſegneten Tage, die der alte Müller für uns erbeten
hatte. Mutter und Tochter wetteiferten alsbald und halfen überall.
Es war ein friſches, fröhliches Arbeiten und ich konnte nach Haus
und nach Kaiſerswerth hin ſchreiben, „daß mir ein lieblich Loos
gefallen ſei“. Wir hatten vorſorglich und ängſtlich faſt mit einer
Kleinkinder- und Sonntagsſchule begonnen, aber der Feuereifer
beider Scharnhorſtſchen Damen konnte ſich kein Genüge thun, und
ehe noch viel Zeit in’s Land gegangen war, war aus jenen erſten
Anfängen auch ſchon ein Krankenhaus und bald danach auch ein
Waiſenhaus geworden.

Unter den vielen Gaben, die Johanna für ihren Beruf mit-
brachte, war auch die des Erzählens. Sie wußte Geſchichten aller
Art mit einer ihr eigenthümlichen, zu Herzen gehenden Einfachheit
vorzutragen und dabei jeden Ton zu treffen, am glücklichſten
vielleicht den humoriſtiſchen. Es war eine Luſt, ihr zuzuhören,

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[388/0404] ehemaligen Heim, und als er nach einiger Zeit davon hörte, ſchrieb er zurück: „Wie freut es mein altes Herz, daß meine vier Wände nun die Heimſtätte für ſo viel Gutes geworden ſind.“ Und er rief den ferneren Segen Gottes dafür an. Ich ſagte, daß ich noch zur Einweihung eintraf. Dieſe fand im Auguſt ſtatt. Es war ein ſchöner Tag und der Geiſtliche ſprach über die Wichtigkeit unſres Berufes, und daß dieſer „Beruf des Erziehens zu Gott“ ein Glück und eine Ehre für uns ſei. Von der Gemeinde fehlte niemand und unter den erſchienenen Gäſten war auch Agnes v. Scharnhorſt (eine Couſine Johanna’s) und der Verlobte derſelben, Baron von Münchhauſen. Als Schlußge- ſang war Johanna’s Lieblingslied gewählt worden, und während die Kinderſtimmen es intonirten, wurde ſie, der es galt, tief be- wegt und ſie weinte lang und ſchmerzlich. Gedachte ſie doch, wie ſie mir ſpäter in vertraulichem Geſpräche mittheilte, nunmehr zurückliegender Tage, deren Schmerz ſich ihr in dieſem Augenblick erneuerte. Sie nahm eben Abſchied von Manchem, was ihr lieb geweſen, und erbat ſich Kraft und Muth und Ausdauer zu dem Wege der nun dunkel vor ihr lag. Aber er hellte ſich auf, dieſer Weg, und es kamen auf eine gute Weile, wenn auch freilich nicht auf lange genug, jene glück- lichen und geſegneten Tage, die der alte Müller für uns erbeten hatte. Mutter und Tochter wetteiferten alsbald und halfen überall. Es war ein friſches, fröhliches Arbeiten und ich konnte nach Haus und nach Kaiſerswerth hin ſchreiben, „daß mir ein lieblich Loos gefallen ſei“. Wir hatten vorſorglich und ängſtlich faſt mit einer Kleinkinder- und Sonntagsſchule begonnen, aber der Feuereifer beider Scharnhorſtſchen Damen konnte ſich kein Genüge thun, und ehe noch viel Zeit in’s Land gegangen war, war aus jenen erſten Anfängen auch ſchon ein Krankenhaus und bald danach auch ein Waiſenhaus geworden. Unter den vielen Gaben, die Johanna für ihren Beruf mit- brachte, war auch die des Erzählens. Sie wußte Geſchichten aller Art mit einer ihr eigenthümlichen, zu Herzen gehenden Einfachheit vorzutragen und dabei jeden Ton zu treffen, am glücklichſten vielleicht den humoriſtiſchen. Es war eine Luſt, ihr zuzuhören,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/404>, abgerufen am 22.11.2024.