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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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So viel über unsere Landpastoren.

Und nun ahnt der Leser bereits, vor wem ich mich, als vor
dem Dritten im Bunde, zu verneigen haben werde, natürlich vor
dem Lehrer, der sich mir, unbekümmert darum ob ich ihn bei
seinen Schulstunden oder bei seinen Bienen- und Rosenstöcken
störte, von einem immer gleichen Entgegenkommen erwies. Einen
einzigen Ausnahmefall abgerechnet, über den ich in dem Kapitel
Malchow des Weiteren berichtet habe, hieß es allezeit und alle-
wege: "Klopfet an, so wird euch aufgethan," und selbst auf brief-
lich gestellte Fragen, aus denen sich mehr als einmal eine voll-
ständige Correspondenz entwickelte, bin ich zu keiner Zeit ohne den
gewünschten und oft sehr eingängigen Bescheid geblieben.

Und mit diesen Lehrern auf dem Lande wetteiferten die
Lehrer in der Stadt, aus deren Reihen ich wenigstens Eines
hier unter Nennung seines Namens gedenken möchte: Garnison-
schullehrer Wagener in Potsdam.

Unter seinem im Anfange sowohl ihm wie mir unbewußt
bleibendem Einflusse war es, daß ich mich aus der historischen
Vortragsweise, wie schon Eingangs hervorgehoben, in die genre-
hafte zurückfand und den ursprünglichen Plauderton in sein ihm
zuständiges Recht wieder einsetzte. Die ganze Gruppe der Kapitel
aus der Umgegend von Potsdam, also Bornstedt, Sakrow, Fahr-
land, Falkenrehde, Marquardt, Uetz und Paretz am Nordufer der
Havel und ebenso Werder, Glindow, Petzow, Caput etc. am Süd-
rande hin, entstanden unter seiner Führung, und was von
ernsten und heitren Geschichten unter all' diesen Kapitelüberschriften
enthalten ist, entnahm ich zu sehr wesentlichem Theile seinem
immer frischen und anschaulichen, weil überall aus der Erlebniß-
fülle schöpfenden Unterwegs-Gespräche. Mit einer wahren Her-
zensfreude denk' ich an jene Sommer-Nachmittage zurück, wo wir
von den Dörfern und Ziegelöfen am Schwilow-See heimkehrend,
auf einer vor ein paar ausgebauten Häusern von Alt-Geltow
liegenden Graswalze zu rasten und unser sehr verspätetes Vesper-
brot aus freier Hand einzunehmen pflegten, ohne daß der Rede-
strom auch nur einen Augenblick gestockt hätte. Da vergaßen wir
denn der Flüchtigkeit der Stunde, bis die Mondsichel über den kleinen
Giebelhäusern stand und uns erinnerte, daß es höchste Zeit sei,

So viel über unſere Landpaſtoren.

Und nun ahnt der Leſer bereits, vor wem ich mich, als vor
dem Dritten im Bunde, zu verneigen haben werde, natürlich vor
dem Lehrer, der ſich mir, unbekümmert darum ob ich ihn bei
ſeinen Schulſtunden oder bei ſeinen Bienen- und Roſenſtöcken
ſtörte, von einem immer gleichen Entgegenkommen erwies. Einen
einzigen Ausnahmefall abgerechnet, über den ich in dem Kapitel
Malchow des Weiteren berichtet habe, hieß es allezeit und alle-
wege: „Klopfet an, ſo wird euch aufgethan,“ und ſelbſt auf brief-
lich geſtellte Fragen, aus denen ſich mehr als einmal eine voll-
ſtändige Correspondenz entwickelte, bin ich zu keiner Zeit ohne den
gewünſchten und oft ſehr eingängigen Beſcheid geblieben.

Und mit dieſen Lehrern auf dem Lande wetteiferten die
Lehrer in der Stadt, aus deren Reihen ich wenigſtens Eines
hier unter Nennung ſeines Namens gedenken möchte: Garniſon-
ſchullehrer Wagener in Potsdam.

Unter ſeinem im Anfange ſowohl ihm wie mir unbewußt
bleibendem Einfluſſe war es, daß ich mich aus der hiſtoriſchen
Vortragsweiſe, wie ſchon Eingangs hervorgehoben, in die genre-
hafte zurückfand und den urſprünglichen Plauderton in ſein ihm
zuſtändiges Recht wieder einſetzte. Die ganze Gruppe der Kapitel
aus der Umgegend von Potsdam, alſo Bornſtedt, Sakrow, Fahr-
land, Falkenrehde, Marquardt, Uetz und Paretz am Nordufer der
Havel und ebenſo Werder, Glindow, Petzow, Caput ꝛc. am Süd-
rande hin, entſtanden unter ſeiner Führung, und was von
ernſten und heitren Geſchichten unter all’ dieſen Kapitelüberſchriften
enthalten iſt, entnahm ich zu ſehr weſentlichem Theile ſeinem
immer friſchen und anſchaulichen, weil überall aus der Erlebniß-
fülle ſchöpfenden Unterwegs-Geſpräche. Mit einer wahren Her-
zensfreude denk’ ich an jene Sommer-Nachmittage zurück, wo wir
von den Dörfern und Ziegelöfen am Schwilow-See heimkehrend,
auf einer vor ein paar ausgebauten Häuſern von Alt-Geltow
liegenden Graswalze zu raſten und unſer ſehr verſpätetes Vesper-
brot aus freier Hand einzunehmen pflegten, ohne daß der Rede-
ſtrom auch nur einen Augenblick geſtockt hätte. Da vergaßen wir
denn der Flüchtigkeit der Stunde, bis die Mondſichel über den kleinen
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[458/0474] So viel über unſere Landpaſtoren. Und nun ahnt der Leſer bereits, vor wem ich mich, als vor dem Dritten im Bunde, zu verneigen haben werde, natürlich vor dem Lehrer, der ſich mir, unbekümmert darum ob ich ihn bei ſeinen Schulſtunden oder bei ſeinen Bienen- und Roſenſtöcken ſtörte, von einem immer gleichen Entgegenkommen erwies. Einen einzigen Ausnahmefall abgerechnet, über den ich in dem Kapitel Malchow des Weiteren berichtet habe, hieß es allezeit und alle- wege: „Klopfet an, ſo wird euch aufgethan,“ und ſelbſt auf brief- lich geſtellte Fragen, aus denen ſich mehr als einmal eine voll- ſtändige Correspondenz entwickelte, bin ich zu keiner Zeit ohne den gewünſchten und oft ſehr eingängigen Beſcheid geblieben. Und mit dieſen Lehrern auf dem Lande wetteiferten die Lehrer in der Stadt, aus deren Reihen ich wenigſtens Eines hier unter Nennung ſeines Namens gedenken möchte: Garniſon- ſchullehrer Wagener in Potsdam. Unter ſeinem im Anfange ſowohl ihm wie mir unbewußt bleibendem Einfluſſe war es, daß ich mich aus der hiſtoriſchen Vortragsweiſe, wie ſchon Eingangs hervorgehoben, in die genre- hafte zurückfand und den urſprünglichen Plauderton in ſein ihm zuſtändiges Recht wieder einſetzte. Die ganze Gruppe der Kapitel aus der Umgegend von Potsdam, alſo Bornſtedt, Sakrow, Fahr- land, Falkenrehde, Marquardt, Uetz und Paretz am Nordufer der Havel und ebenſo Werder, Glindow, Petzow, Caput ꝛc. am Süd- rande hin, entſtanden unter ſeiner Führung, und was von ernſten und heitren Geſchichten unter all’ dieſen Kapitelüberſchriften enthalten iſt, entnahm ich zu ſehr weſentlichem Theile ſeinem immer friſchen und anſchaulichen, weil überall aus der Erlebniß- fülle ſchöpfenden Unterwegs-Geſpräche. Mit einer wahren Her- zensfreude denk’ ich an jene Sommer-Nachmittage zurück, wo wir von den Dörfern und Ziegelöfen am Schwilow-See heimkehrend, auf einer vor ein paar ausgebauten Häuſern von Alt-Geltow liegenden Graswalze zu raſten und unſer ſehr verſpätetes Vesper- brot aus freier Hand einzunehmen pflegten, ohne daß der Rede- ſtrom auch nur einen Augenblick geſtockt hätte. Da vergaßen wir denn der Flüchtigkeit der Stunde, bis die Mondſichel über den kleinen Giebelhäuſern ſtand und uns erinnerte, daß es höchſte Zeit ſei,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/474>, abgerufen am 11.05.2024.