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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
vorzutragen wissen. Ich bin so leicht Eindrücken
hingegeben, und wenn ich die kleinste Gespenster¬
geschichte höre, so zittere ich und kann mich kaum
wieder zurecht finden. Und Sie tragen das so
mächtig und erschütternd vor und sind selbst ganz
heiter und guter Dinge."

"Ja, meine gnädigste Frau, das ist in der Kunst
nicht anders. Und nun gar erst auf dem Theater,
vor dem ich übrigens glücklicher Weise bewahrt ge¬
blieben bin. Denn so gewiß ich mich persönlich
gegen seine Versuchungen gefeit fühle -- es verdirbt
den Ruf, also das beste, was man hat. Im übrigen
stumpft man ab, wie mir Kolleginnen hundertfach
versichert haben. Da wird vergiftet und erstochen,
und der toten Julia flüstert Romeo einen Kalauer
ins Ohr oder wohl auch eine Malice, oder er drückt
ihr einen kleinen Liebesbrief in die Hand."

"Es ist mir unbegreiflich. Und um bei dem
stehen zu bleiben, was ich Ihnen diesen Abend ver¬
danke, beispielsweise bei dem Gespenstischen im Olaf,
ich versichere Ihnen, wenn ich einen ängstlichen Traum
habe, oder wenn ich glaube, über mir hörte ich ein
leises Tanzen oder Musizieren, während doch niemand
da ist, oder es schleicht wer an meinem Bette vorbei,
so bin ich außer mir und kann es Tage lang nicht
vergessen."

Effi Brieſt
vorzutragen wiſſen. Ich bin ſo leicht Eindrücken
hingegeben, und wenn ich die kleinſte Geſpenſter¬
geſchichte höre, ſo zittere ich und kann mich kaum
wieder zurecht finden. Und Sie tragen das ſo
mächtig und erſchütternd vor und ſind ſelbſt ganz
heiter und guter Dinge.“

„Ja, meine gnädigſte Frau, das iſt in der Kunſt
nicht anders. Und nun gar erſt auf dem Theater,
vor dem ich übrigens glücklicher Weiſe bewahrt ge¬
blieben bin. Denn ſo gewiß ich mich perſönlich
gegen ſeine Verſuchungen gefeit fühle — es verdirbt
den Ruf, alſo das beſte, was man hat. Im übrigen
ſtumpft man ab, wie mir Kolleginnen hundertfach
verſichert haben. Da wird vergiftet und erſtochen,
und der toten Julia flüſtert Romeo einen Kalauer
ins Ohr oder wohl auch eine Malice, oder er drückt
ihr einen kleinen Liebesbrief in die Hand.“

„Es iſt mir unbegreiflich. Und um bei dem
ſtehen zu bleiben, was ich Ihnen dieſen Abend ver¬
danke, beiſpielsweiſe bei dem Geſpenſtiſchen im Olaf,
ich verſichere Ihnen, wenn ich einen ängſtlichen Traum
habe, oder wenn ich glaube, über mir hörte ich ein
leiſes Tanzen oder Muſizieren, während doch niemand
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[156/0165] Effi Brieſt vorzutragen wiſſen. Ich bin ſo leicht Eindrücken hingegeben, und wenn ich die kleinſte Geſpenſter¬ geſchichte höre, ſo zittere ich und kann mich kaum wieder zurecht finden. Und Sie tragen das ſo mächtig und erſchütternd vor und ſind ſelbſt ganz heiter und guter Dinge.“ „Ja, meine gnädigſte Frau, das iſt in der Kunſt nicht anders. Und nun gar erſt auf dem Theater, vor dem ich übrigens glücklicher Weiſe bewahrt ge¬ blieben bin. Denn ſo gewiß ich mich perſönlich gegen ſeine Verſuchungen gefeit fühle — es verdirbt den Ruf, alſo das beſte, was man hat. Im übrigen ſtumpft man ab, wie mir Kolleginnen hundertfach verſichert haben. Da wird vergiftet und erſtochen, und der toten Julia flüſtert Romeo einen Kalauer ins Ohr oder wohl auch eine Malice, oder er drückt ihr einen kleinen Liebesbrief in die Hand.“ „Es iſt mir unbegreiflich. Und um bei dem ſtehen zu bleiben, was ich Ihnen dieſen Abend ver¬ danke, beiſpielsweiſe bei dem Geſpenſtiſchen im Olaf, ich verſichere Ihnen, wenn ich einen ängſtlichen Traum habe, oder wenn ich glaube, über mir hörte ich ein leiſes Tanzen oder Muſizieren, während doch niemand da iſt, oder es ſchleicht wer an meinem Bette vorbei, ſo bin ich außer mir und kann es Tage lang nicht vergeſſen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/165>, abgerufen am 14.05.2024.