Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest war (was denn auch von seiten einiger Familienbeanstandet wurde), für diesen Taufakt festgesetzt, natürlich in der Kirche. Das sich anschließende Fest¬ mahl, weil das landrätliche Haus keinen Saal hatte, fand in dem großen Ressourcen-Hotel am Bollwerk statt, und der gesamte Nachbaradel war geladen und auch erschienen. Pastor Lindequist ließ Mutter und Kind in einem liebenswürdigen und allseitig be¬ wunderten Toaste leben, bei welcher Gelegenheit Sidonie v. Grasenabb zu ihrem Nachbar, einem adligen Assessor von der strengen Richtung, bemerkte: "Ja, seine Kasualreden, das geht. Aber seine Pre¬ digten kann er vor Gott und Menschen nicht ver¬ antworten; er ist ein Halber, einer von denen, die verworfen sind, weil sie lau sind. Ich mag das Bibelwort hier nicht wörtlich zitieren." Gleich danach nahm auch der alte Herr v. Borcke das Wort, um Innstetten leben zu lassen. "Meine Herrschaften, es sind schwere Zeiten, in denen wir leben, Auf¬ lehnung, Trotz, Indisziplin, wohin wir blicken. Aber so lange wir noch Männer haben, und ich darf hinzusetzen, Frauen und Mütter (und hierbei verbeugte er sich mit einer eleganten Handbewegung gegen Effi) ... so lange wir noch Männer haben wie Baron Innstetten, den ich stolz bin meinen Freund nennen zu dürfen, so lange geht es noch, Effi Brieſt war (was denn auch von ſeiten einiger Familienbeanſtandet wurde), für dieſen Taufakt feſtgeſetzt, natürlich in der Kirche. Das ſich anſchließende Feſt¬ mahl, weil das landrätliche Haus keinen Saal hatte, fand in dem großen Reſſourcen-Hotel am Bollwerk ſtatt, und der geſamte Nachbaradel war geladen und auch erſchienen. Paſtor Lindequiſt ließ Mutter und Kind in einem liebenswürdigen und allſeitig be¬ wunderten Toaſte leben, bei welcher Gelegenheit Sidonie v. Graſenabb zu ihrem Nachbar, einem adligen Aſſeſſor von der ſtrengen Richtung, bemerkte: „Ja, ſeine Kaſualreden, das geht. Aber ſeine Pre¬ digten kann er vor Gott und Menſchen nicht ver¬ antworten; er iſt ein Halber, einer von denen, die verworfen ſind, weil ſie lau ſind. Ich mag das Bibelwort hier nicht wörtlich zitieren.“ Gleich danach nahm auch der alte Herr v. Borcke das Wort, um Innſtetten leben zu laſſen. „Meine Herrſchaften, es ſind ſchwere Zeiten, in denen wir leben, Auf¬ lehnung, Trotz, Indisziplin, wohin wir blicken. Aber ſo lange wir noch Männer haben, und ich darf hinzuſetzen, Frauen und Mütter (und hierbei verbeugte er ſich mit einer eleganten Handbewegung gegen Effi) … ſo lange wir noch Männer haben wie Baron Innſtetten, den ich ſtolz bin meinen Freund nennen zu dürfen, ſo lange geht es noch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0208" n="199"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> war (was denn auch von ſeiten einiger Familien<lb/> beanſtandet wurde), für dieſen Taufakt feſtgeſetzt,<lb/> natürlich in der Kirche. Das ſich anſchließende Feſt¬<lb/> mahl, weil das landrätliche Haus keinen Saal hatte,<lb/> fand in dem großen Reſſourcen-Hotel am Bollwerk<lb/> ſtatt, und der geſamte Nachbaradel war geladen und<lb/> auch erſchienen. Paſtor Lindequiſt ließ Mutter und<lb/> Kind in einem liebenswürdigen und allſeitig be¬<lb/> wunderten Toaſte leben, bei welcher Gelegenheit<lb/> Sidonie v. Graſenabb zu ihrem Nachbar, einem<lb/> adligen Aſſeſſor von der ſtrengen Richtung, bemerkte:<lb/> „Ja, ſeine Kaſualreden, das geht. Aber ſeine Pre¬<lb/> digten kann er vor Gott und Menſchen nicht ver¬<lb/> antworten; er iſt ein Halber, einer von denen, die<lb/> verworfen ſind, weil ſie lau ſind. Ich mag das<lb/> Bibelwort hier nicht wörtlich zitieren.“ Gleich danach<lb/> nahm auch der alte Herr v. Borcke das Wort, um<lb/> Innſtetten leben zu laſſen. „Meine Herrſchaften,<lb/> es ſind ſchwere Zeiten, in denen wir leben, Auf¬<lb/> lehnung, Trotz, Indisziplin, wohin wir blicken.<lb/> Aber ſo lange wir noch Männer haben, und ich<lb/> darf hinzuſetzen, Frauen und Mütter (und hierbei<lb/> verbeugte er ſich mit einer eleganten Handbewegung<lb/> gegen Effi) … ſo lange wir noch Männer haben<lb/> wie Baron Innſtetten, den ich ſtolz bin meinen<lb/> Freund nennen zu dürfen, ſo lange geht es noch,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [199/0208]
Effi Brieſt
war (was denn auch von ſeiten einiger Familien
beanſtandet wurde), für dieſen Taufakt feſtgeſetzt,
natürlich in der Kirche. Das ſich anſchließende Feſt¬
mahl, weil das landrätliche Haus keinen Saal hatte,
fand in dem großen Reſſourcen-Hotel am Bollwerk
ſtatt, und der geſamte Nachbaradel war geladen und
auch erſchienen. Paſtor Lindequiſt ließ Mutter und
Kind in einem liebenswürdigen und allſeitig be¬
wunderten Toaſte leben, bei welcher Gelegenheit
Sidonie v. Graſenabb zu ihrem Nachbar, einem
adligen Aſſeſſor von der ſtrengen Richtung, bemerkte:
„Ja, ſeine Kaſualreden, das geht. Aber ſeine Pre¬
digten kann er vor Gott und Menſchen nicht ver¬
antworten; er iſt ein Halber, einer von denen, die
verworfen ſind, weil ſie lau ſind. Ich mag das
Bibelwort hier nicht wörtlich zitieren.“ Gleich danach
nahm auch der alte Herr v. Borcke das Wort, um
Innſtetten leben zu laſſen. „Meine Herrſchaften,
es ſind ſchwere Zeiten, in denen wir leben, Auf¬
lehnung, Trotz, Indisziplin, wohin wir blicken.
Aber ſo lange wir noch Männer haben, und ich
darf hinzuſetzen, Frauen und Mütter (und hierbei
verbeugte er ſich mit einer eleganten Handbewegung
gegen Effi) … ſo lange wir noch Männer haben
wie Baron Innſtetten, den ich ſtolz bin meinen
Freund nennen zu dürfen, ſo lange geht es noch,
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