"Es scheint, wir sind gleicher Meinung. Im übrigen, wie Du schon sagtest, ich bin selber schuld; von einem faux pas mag ich nicht sprechen, das ist in diesem Zusammenhange kein gutes Wort. Also selber schuld, und es soll nicht wieder vorkommen, so weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn ich Dir raten darf, sei auf Deiner Hut. Er ist ein Mann der Rücksichtslosigkeiten und hat so seine An¬ sichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher."
"Ich werde mir Deine Worte gesagt sein lassen. Nur so viel, ich glaube, Du verkennst ihn."
"Ich verkenne ihn nicht."
"Oder mich," sagte sie mit einer Kraftanstrengung und versuchte seinem Blicke zu begegnen.
"Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du bist eine reizende kleine Frau, aber Festigkeit ist nicht eben Deine Spezialität."
Er erhob sich, um zu gehen. Als er bis an die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein Gieshübler'sches Billet abzugeben, das natürlich an die gnädige Frau gerichtet war.
Effi nahm es. "Eine Geheimkorrespondenz mit Gieshübler," sagte sie; "Stoff zu neuer Eifersucht für meinen gestrengen Herrn. Oder nicht?"
"Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬
Effi Brieſt
Effi ſah vor ſich hin und ſchwieg.
„Es ſcheint, wir ſind gleicher Meinung. Im übrigen, wie Du ſchon ſagteſt, ich bin ſelber ſchuld; von einem faux pas mag ich nicht ſprechen, das iſt in dieſem Zuſammenhange kein gutes Wort. Alſo ſelber ſchuld, und es ſoll nicht wieder vorkommen, ſo weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn ich Dir raten darf, ſei auf Deiner Hut. Er iſt ein Mann der Rückſichtsloſigkeiten und hat ſo ſeine An¬ ſichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher.“
„Ich werde mir Deine Worte geſagt ſein laſſen. Nur ſo viel, ich glaube, Du verkennſt ihn.“
„Ich verkenne ihn nicht.“
„Oder mich,“ ſagte ſie mit einer Kraftanſtrengung und verſuchte ſeinem Blicke zu begegnen.
„Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du biſt eine reizende kleine Frau, aber Feſtigkeit iſt nicht eben Deine Spezialität.“
Er erhob ſich, um zu gehen. Als er bis an die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein Gieshübler'ſches Billet abzugeben, das natürlich an die gnädige Frau gerichtet war.
Effi nahm es. „Eine Geheimkorreſpondenz mit Gieshübler,“ ſagte ſie; „Stoff zu neuer Eiferſucht für meinen geſtrengen Herrn. Oder nicht?“
„Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0293"n="284"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw><p>Effi ſah vor ſich hin und ſchwieg.</p><lb/><p>„Es ſcheint, wir ſind gleicher Meinung. Im<lb/>
übrigen, wie Du ſchon ſagteſt, ich bin ſelber ſchuld;<lb/>
von einem <hirendition="#aq">faux pas</hi> mag ich nicht ſprechen, das<lb/>
iſt in dieſem Zuſammenhange kein gutes Wort. Alſo<lb/>ſelber ſchuld, und es ſoll nicht wieder vorkommen,<lb/>ſo weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn<lb/>
ich Dir raten darf, ſei auf Deiner Hut. Er iſt ein<lb/>
Mann der Rückſichtsloſigkeiten und hat ſo ſeine An¬<lb/>ſichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher.“</p><lb/><p>„Ich werde mir Deine Worte geſagt ſein laſſen.<lb/>
Nur ſo viel, ich glaube, Du verkennſt ihn.“</p><lb/><p>„Ich verkenne ihn <hirendition="#g">nicht</hi>.“</p><lb/><p>„Oder mich,“ſagte ſie mit einer Kraftanſtrengung<lb/>
und verſuchte ſeinem Blicke zu begegnen.</p><lb/><p>„Auch <hirendition="#g">Dich</hi> nicht, meine liebe Effi. Du biſt<lb/>
eine reizende kleine Frau, aber Feſtigkeit iſt nicht<lb/>
eben Deine Spezialität.“</p><lb/><p>Er erhob ſich, um zu gehen. Als er bis an<lb/>
die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein<lb/>
Gieshübler'ſches Billet abzugeben, das natürlich an<lb/>
die gnädige Frau gerichtet war.</p><lb/><p>Effi nahm es. „Eine Geheimkorreſpondenz mit<lb/>
Gieshübler,“ſagte ſie; „Stoff zu neuer Eiferſucht<lb/>
für meinen geſtrengen Herrn. Oder nicht?“</p><lb/><p>„Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[284/0293]
Effi Brieſt
Effi ſah vor ſich hin und ſchwieg.
„Es ſcheint, wir ſind gleicher Meinung. Im
übrigen, wie Du ſchon ſagteſt, ich bin ſelber ſchuld;
von einem faux pas mag ich nicht ſprechen, das
iſt in dieſem Zuſammenhange kein gutes Wort. Alſo
ſelber ſchuld, und es ſoll nicht wieder vorkommen,
ſo weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn
ich Dir raten darf, ſei auf Deiner Hut. Er iſt ein
Mann der Rückſichtsloſigkeiten und hat ſo ſeine An¬
ſichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher.“
„Ich werde mir Deine Worte geſagt ſein laſſen.
Nur ſo viel, ich glaube, Du verkennſt ihn.“
„Ich verkenne ihn nicht.“
„Oder mich,“ ſagte ſie mit einer Kraftanſtrengung
und verſuchte ſeinem Blicke zu begegnen.
„Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du biſt
eine reizende kleine Frau, aber Feſtigkeit iſt nicht
eben Deine Spezialität.“
Er erhob ſich, um zu gehen. Als er bis an
die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein
Gieshübler'ſches Billet abzugeben, das natürlich an
die gnädige Frau gerichtet war.
Effi nahm es. „Eine Geheimkorreſpondenz mit
Gieshübler,“ ſagte ſie; „Stoff zu neuer Eiferſucht
für meinen geſtrengen Herrn. Oder nicht?“
„Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/293>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.