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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
die bei Briest mehr Zustimmung als Ablehnung ge¬
funden hatten. "Es ist möglich, daß Du recht hast,
Luise."

Gleich nach Aufhebung der Tafel beurlaubte
sich Effi, um einen Besuch drüben bei Pastors zu
machen. Unterwegs sagte sie sich: "Ich glaube,
Hulda wird sich ärgern. Nun bin ich ihr doch zu¬
vorgekommen -- sie war immer zu eitel und ein¬
gebildet." Aber Effi traf es mit ihrer Erwartung
nicht ganz; Hulda, durchaus Haltung bewahrend,
benahm sich sehr gut und überließ die Bezeugung
von Unmut und Ärger ihrer Mutter, der Frau
Pastorin, die denn auch sehr sonderbare Bemerkungen
machte. "Ja, ja, so geht es. Natürlich. Wenn's
die Mutter nicht sein konnte, muß es die Tochter
sein. Das kennt man. Alte Familien halten immer
zusammen, und wo 'was is, kommt 'was dazu."
Der alte Niemeyer kam in arge Verlegenheit über
diese fortgesetzten spitzen Redensarten ohne Bildung
und Anstand und beklagte 'mal wieder, eine Wirt¬
schafterin geheiratet zu haben.

Von Pastors ging Effi natürlich auch zu Kantor
Jahnkes; die Zwillinge hatten schon nach ihr aus¬
geschaut und empfingen sie im Vorgarten.

"Nun, Effi," sagte Hertha, während alle drei
zwischen den rechts und links blühenden Studenten¬

Effi Brieſt
die bei Brieſt mehr Zuſtimmung als Ablehnung ge¬
funden hatten. „Es iſt möglich, daß Du recht haſt,
Luiſe.“

Gleich nach Aufhebung der Tafel beurlaubte
ſich Effi, um einen Beſuch drüben bei Paſtors zu
machen. Unterwegs ſagte ſie ſich: „Ich glaube,
Hulda wird ſich ärgern. Nun bin ich ihr doch zu¬
vorgekommen — ſie war immer zu eitel und ein¬
gebildet.“ Aber Effi traf es mit ihrer Erwartung
nicht ganz; Hulda, durchaus Haltung bewahrend,
benahm ſich ſehr gut und überließ die Bezeugung
von Unmut und Ärger ihrer Mutter, der Frau
Paſtorin, die denn auch ſehr ſonderbare Bemerkungen
machte. „Ja, ja, ſo geht es. Natürlich. Wenn's
die Mutter nicht ſein konnte, muß es die Tochter
ſein. Das kennt man. Alte Familien halten immer
zuſammen, und wo 'was is, kommt 'was dazu.“
Der alte Niemeyer kam in arge Verlegenheit über
dieſe fortgeſetzten ſpitzen Redensarten ohne Bildung
und Anſtand und beklagte 'mal wieder, eine Wirt¬
ſchafterin geheiratet zu haben.

Von Paſtors ging Effi natürlich auch zu Kantor
Jahnkes; die Zwillinge hatten ſchon nach ihr aus¬
geſchaut und empfingen ſie im Vorgarten.

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[24/0033] Effi Brieſt die bei Brieſt mehr Zuſtimmung als Ablehnung ge¬ funden hatten. „Es iſt möglich, daß Du recht haſt, Luiſe.“ Gleich nach Aufhebung der Tafel beurlaubte ſich Effi, um einen Beſuch drüben bei Paſtors zu machen. Unterwegs ſagte ſie ſich: „Ich glaube, Hulda wird ſich ärgern. Nun bin ich ihr doch zu¬ vorgekommen — ſie war immer zu eitel und ein¬ gebildet.“ Aber Effi traf es mit ihrer Erwartung nicht ganz; Hulda, durchaus Haltung bewahrend, benahm ſich ſehr gut und überließ die Bezeugung von Unmut und Ärger ihrer Mutter, der Frau Paſtorin, die denn auch ſehr ſonderbare Bemerkungen machte. „Ja, ja, ſo geht es. Natürlich. Wenn's die Mutter nicht ſein konnte, muß es die Tochter ſein. Das kennt man. Alte Familien halten immer zuſammen, und wo 'was is, kommt 'was dazu.“ Der alte Niemeyer kam in arge Verlegenheit über dieſe fortgeſetzten ſpitzen Redensarten ohne Bildung und Anſtand und beklagte 'mal wieder, eine Wirt¬ ſchafterin geheiratet zu haben. Von Paſtors ging Effi natürlich auch zu Kantor Jahnkes; die Zwillinge hatten ſchon nach ihr aus¬ geſchaut und empfingen ſie im Vorgarten. „Nun, Effi,“ ſagte Hertha, während alle drei zwiſchen den rechts und links blühenden Studenten¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/33>, abgerufen am 28.04.2024.