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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Er glaubte nicht an Zeichen und Ähnliches, im
Gegenteil, wies alles Abergläubische weit zurück.
Aber er konnte trotzdem von den zwei Worten nicht
los, und während Briest immer weiter perorierte,
war es ihm beständig, als wäre der kleine Hergang
doch mehr als ein bloßer Zufall gewesen.


Innstetten, der nur einen kurzen Urlaub ge¬
nommen, war schon am folgenden Tage wieder ab¬
gereist, nachdem er versprochen hatte, jeden Tag
schreiben zu wollen. "Ja, das mußt Du," hatte
Effi gesagt, ein Wort, das ihr von Herzen kam, da
sie seit Jahren nichts Schöneres kannte, als beispiels¬
weise den Empfang vieler Geburtstagsbriefe. Jeder
mußte ihr zu diesem Tage schreiben. In den Brief
eingestreute Wendungen, etwa wie "Gertrud und
Klara senden Dir mit mir ihre herzlichsten Glück¬
wünsche", waren verpönt; Gertrud und Klara, wenn
sie Freundinnen sein wollten, hatten dafür zu sorgen,
daß ein Brief mit selbständiger Marke daläge, wo¬
möglich -- denn ihr Geburtstag fiel noch in die
Reisezeit -- mit einer fremden, aus der Schweiz
oder Karlsbad.

Innstetten, wie versprochen, schrieb wirklich jeden
Tag; was aber den Empfang seiner Briefe ganz
besonders angenehm machte, war der Umstand, daß

Effi Brieſt

Er glaubte nicht an Zeichen und Ähnliches, im
Gegenteil, wies alles Abergläubiſche weit zurück.
Aber er konnte trotzdem von den zwei Worten nicht
los, und während Brieſt immer weiter perorierte,
war es ihm beſtändig, als wäre der kleine Hergang
doch mehr als ein bloßer Zufall geweſen.


Innſtetten, der nur einen kurzen Urlaub ge¬
nommen, war ſchon am folgenden Tage wieder ab¬
gereiſt, nachdem er verſprochen hatte, jeden Tag
ſchreiben zu wollen. „Ja, das mußt Du,“ hatte
Effi geſagt, ein Wort, das ihr von Herzen kam, da
ſie ſeit Jahren nichts Schöneres kannte, als beiſpiels¬
weiſe den Empfang vieler Geburtstagsbriefe. Jeder
mußte ihr zu dieſem Tage ſchreiben. In den Brief
eingeſtreute Wendungen, etwa wie „Gertrud und
Klara ſenden Dir mit mir ihre herzlichſten Glück¬
wünſche“, waren verpönt; Gertrud und Klara, wenn
ſie Freundinnen ſein wollten, hatten dafür zu ſorgen,
daß ein Brief mit ſelbſtändiger Marke daläge, wo¬
möglich — denn ihr Geburtstag fiel noch in die
Reiſezeit — mit einer fremden, aus der Schweiz
oder Karlsbad.

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Tag; was aber den Empfang ſeiner Briefe ganz
beſonders angenehm machte, war der Umſtand, daß

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[27/0036] Effi Brieſt Er glaubte nicht an Zeichen und Ähnliches, im Gegenteil, wies alles Abergläubiſche weit zurück. Aber er konnte trotzdem von den zwei Worten nicht los, und während Brieſt immer weiter perorierte, war es ihm beſtändig, als wäre der kleine Hergang doch mehr als ein bloßer Zufall geweſen. Innſtetten, der nur einen kurzen Urlaub ge¬ nommen, war ſchon am folgenden Tage wieder ab¬ gereiſt, nachdem er verſprochen hatte, jeden Tag ſchreiben zu wollen. „Ja, das mußt Du,“ hatte Effi geſagt, ein Wort, das ihr von Herzen kam, da ſie ſeit Jahren nichts Schöneres kannte, als beiſpiels¬ weiſe den Empfang vieler Geburtstagsbriefe. Jeder mußte ihr zu dieſem Tage ſchreiben. In den Brief eingeſtreute Wendungen, etwa wie „Gertrud und Klara ſenden Dir mit mir ihre herzlichſten Glück¬ wünſche“, waren verpönt; Gertrud und Klara, wenn ſie Freundinnen ſein wollten, hatten dafür zu ſorgen, daß ein Brief mit ſelbſtändiger Marke daläge, wo¬ möglich — denn ihr Geburtstag fiel noch in die Reiſezeit — mit einer fremden, aus der Schweiz oder Karlsbad. Innſtetten, wie verſprochen, ſchrieb wirklich jeden Tag; was aber den Empfang ſeiner Briefe ganz beſonders angenehm machte, war der Umſtand, daß

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/36>, abgerufen am 29.04.2024.