Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
mäßiger Nähe fand. Es war dies die vorgeschilderte
Wohnung in der Königgrätzerstraße. Sie sollte die¬
selbe zu Beginn des Herbstvierteljahrs beziehen, hatte
das Nötige dazu beschafft und zählte während der
letzten Septembertage die Stunden bis zur Erlösung
aus dem Pensionat.

An einem dieser letzten Tage -- sie hatte sich
eine Viertelstunde zuvor aus dem Eßzimmer zurück¬
gezogen und gedachte sich eben auf einem mit einem
großblumigen Wollstoff überzogenen Seegras-Sofa
auszuruhen --, wurde leise an ihre Thür geklopft.

"Herein."

Das eine Hausmädchen, eine kränklich aussehende
Person von Mitte Dreißig, die, durch beständigen
Aufenthalt auf dem Korridor des Pensionats, den
hier lagernden Dunstkreis überall hin in ihren Falten
mitschleppte, trat ein und sagte: "Die gnädige Frau
möchte entschuldigen, aber es wolle sie jemand
sprechen."

"Wer?"

"Eine Frau."

"Und hat sie ihren Namen genannt?"

"Ja. Roswitha."

Und siehe da, kaum daß Effi diesen Namen ge¬
hört hatte, so schüttelte sie den Halbschlaf von sich
ab und sprang auf und lief auf den Korridor hinaus,

Effi Brieſt
mäßiger Nähe fand. Es war dies die vorgeſchilderte
Wohnung in der Königgrätzerſtraße. Sie ſollte die¬
ſelbe zu Beginn des Herbſtvierteljahrs beziehen, hatte
das Nötige dazu beſchafft und zählte während der
letzten Septembertage die Stunden bis zur Erlöſung
aus dem Penſionat.

An einem dieſer letzten Tage — ſie hatte ſich
eine Viertelſtunde zuvor aus dem Eßzimmer zurück¬
gezogen und gedachte ſich eben auf einem mit einem
großblumigen Wollſtoff überzogenen Seegras-Sofa
auszuruhen —, wurde leiſe an ihre Thür geklopft.

„Herein.“

Das eine Hausmädchen, eine kränklich ausſehende
Perſon von Mitte Dreißig, die, durch beſtändigen
Aufenthalt auf dem Korridor des Penſionats, den
hier lagernden Dunſtkreis überall hin in ihren Falten
mitſchleppte, trat ein und ſagte: „Die gnädige Frau
möchte entſchuldigen, aber es wolle ſie jemand
ſprechen.“

„Wer?“

„Eine Frau.“

„Und hat ſie ihren Namen genannt?“

„Ja. Roswitha.“

Und ſiehe da, kaum daß Effi dieſen Namen ge¬
hört hatte, ſo ſchüttelte ſie den Halbſchlaf von ſich
ab und ſprang auf und lief auf den Korridor hinaus,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0468" n="459"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> mäßiger Nähe fand. Es war dies die vorge&#x017F;childerte<lb/>
Wohnung in der Königgrätzer&#x017F;traße. Sie &#x017F;ollte die¬<lb/>
&#x017F;elbe zu Beginn des Herb&#x017F;tvierteljahrs beziehen, hatte<lb/>
das Nötige dazu be&#x017F;chafft und zählte während der<lb/>
letzten Septembertage die Stunden bis zur Erlö&#x017F;ung<lb/>
aus dem Pen&#x017F;ionat.</p><lb/>
        <p>An einem die&#x017F;er letzten Tage &#x2014; &#x017F;ie hatte &#x017F;ich<lb/>
eine Viertel&#x017F;tunde zuvor aus dem Eßzimmer zurück¬<lb/>
gezogen und gedachte &#x017F;ich eben auf einem mit einem<lb/>
großblumigen Woll&#x017F;toff überzogenen Seegras-Sofa<lb/>
auszuruhen &#x2014;, wurde lei&#x017F;e an ihre Thür geklopft.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das eine Hausmädchen, eine kränklich aus&#x017F;ehende<lb/>
Per&#x017F;on von Mitte Dreißig, die, durch be&#x017F;tändigen<lb/>
Aufenthalt auf dem Korridor des Pen&#x017F;ionats, den<lb/>
hier lagernden Dun&#x017F;tkreis überall hin in ihren Falten<lb/>
mit&#x017F;chleppte, trat ein und &#x017F;agte: &#x201E;Die gnädige Frau<lb/>
möchte ent&#x017F;chuldigen, aber es wolle &#x017F;ie jemand<lb/>
&#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Frau.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und hat &#x017F;ie ihren Namen genannt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Roswitha.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und &#x017F;iehe da, kaum daß Effi die&#x017F;en Namen ge¬<lb/>
hört hatte, &#x017F;o &#x017F;chüttelte &#x017F;ie den Halb&#x017F;chlaf von &#x017F;ich<lb/>
ab und &#x017F;prang auf und lief auf den Korridor hinaus,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0468] Effi Brieſt mäßiger Nähe fand. Es war dies die vorgeſchilderte Wohnung in der Königgrätzerſtraße. Sie ſollte die¬ ſelbe zu Beginn des Herbſtvierteljahrs beziehen, hatte das Nötige dazu beſchafft und zählte während der letzten Septembertage die Stunden bis zur Erlöſung aus dem Penſionat. An einem dieſer letzten Tage — ſie hatte ſich eine Viertelſtunde zuvor aus dem Eßzimmer zurück¬ gezogen und gedachte ſich eben auf einem mit einem großblumigen Wollſtoff überzogenen Seegras-Sofa auszuruhen —, wurde leiſe an ihre Thür geklopft. „Herein.“ Das eine Hausmädchen, eine kränklich ausſehende Perſon von Mitte Dreißig, die, durch beſtändigen Aufenthalt auf dem Korridor des Penſionats, den hier lagernden Dunſtkreis überall hin in ihren Falten mitſchleppte, trat ein und ſagte: „Die gnädige Frau möchte entſchuldigen, aber es wolle ſie jemand ſprechen.“ „Wer?“ „Eine Frau.“ „Und hat ſie ihren Namen genannt?“ „Ja. Roswitha.“ Und ſiehe da, kaum daß Effi dieſen Namen ge¬ hört hatte, ſo ſchüttelte ſie den Halbſchlaf von ſich ab und ſprang auf und lief auf den Korridor hinaus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/468
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/468>, abgerufen am 16.07.2024.