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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
verzeihen Sie dies Wort, Forderungen stellt ...
Ich habe so viel vom Leben gesehen ... aber nichts
mehr in diesem Sinne. Mit der Bitte, mich Ihrem
Herrn Gemahl empfehlen zu wollen, in vorzüglicher
Ergebenheit Dr. Rummschüttel."

Frau von Briest hatte den Brief ihrem Manne
vorgelesen; beide saßen auf dem schattigen Steinfliesen¬
gange, den Gartensaal im Rücken, das Rondell mit
der Sonnenuhr vor sich. Der um die Fenster sich
rankende wilde Wein bewegte sich leis in dem Luft¬
zuge, der ging, und über dem Wasser standen ein
paar Libellen im hellen Sonnenschein.

Briest schwieg und trommelte mit dem Finger
auf dem Theebrett.

"Bitte, trommle nicht; sprich lieber."

"Ach, Luise, was soll ich sagen. Daß ich
trommle, sagt gerade genug. Du weißt seit Jahr
und Tag, wie ich darüber denke. Damals als Inn¬
stetten's Brief kam, ein Blitz aus heiterem Himmel,
damals war ich Deiner Meinung. Aber das ist
nun schon wieder eine halbe Ewigkeit her; soll ich
hier bis an mein Lebensende den Großinquisitor
spielen? Ich kann Dir sagen, ich hab' es seit lange
satt ..."

"Mache mir keine Vorwürfe, Briest; ich liebe
sie so wie Du, vielleicht noch mehr; jeder hat seine

Effi Brieſt
verzeihen Sie dies Wort, Forderungen ſtellt …
Ich habe ſo viel vom Leben geſehen … aber nichts
mehr in dieſem Sinne. Mit der Bitte, mich Ihrem
Herrn Gemahl empfehlen zu wollen, in vorzüglicher
Ergebenheit Dr. Rummſchüttel.“

Frau von Brieſt hatte den Brief ihrem Manne
vorgeleſen; beide ſaßen auf dem ſchattigen Steinflieſen¬
gange, den Gartenſaal im Rücken, das Rondell mit
der Sonnenuhr vor ſich. Der um die Fenſter ſich
rankende wilde Wein bewegte ſich leis in dem Luft¬
zuge, der ging, und über dem Waſſer ſtanden ein
paar Libellen im hellen Sonnenſchein.

Brieſt ſchwieg und trommelte mit dem Finger
auf dem Theebrett.

„Bitte, trommle nicht; ſprich lieber.“

„Ach, Luiſe, was ſoll ich ſagen. Daß ich
trommle, ſagt gerade genug. Du weißt ſeit Jahr
und Tag, wie ich darüber denke. Damals als Inn¬
ſtetten's Brief kam, ein Blitz aus heiterem Himmel,
damals war ich Deiner Meinung. Aber das iſt
nun ſchon wieder eine halbe Ewigkeit her; ſoll ich
hier bis an mein Lebensende den Großinquiſitor
ſpielen? Ich kann Dir ſagen, ich hab' es ſeit lange
ſatt …“

„Mache mir keine Vorwürfe, Brieſt; ich liebe
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[487/0496] Effi Brieſt verzeihen Sie dies Wort, Forderungen ſtellt … Ich habe ſo viel vom Leben geſehen … aber nichts mehr in dieſem Sinne. Mit der Bitte, mich Ihrem Herrn Gemahl empfehlen zu wollen, in vorzüglicher Ergebenheit Dr. Rummſchüttel.“ Frau von Brieſt hatte den Brief ihrem Manne vorgeleſen; beide ſaßen auf dem ſchattigen Steinflieſen¬ gange, den Gartenſaal im Rücken, das Rondell mit der Sonnenuhr vor ſich. Der um die Fenſter ſich rankende wilde Wein bewegte ſich leis in dem Luft¬ zuge, der ging, und über dem Waſſer ſtanden ein paar Libellen im hellen Sonnenſchein. Brieſt ſchwieg und trommelte mit dem Finger auf dem Theebrett. „Bitte, trommle nicht; ſprich lieber.“ „Ach, Luiſe, was ſoll ich ſagen. Daß ich trommle, ſagt gerade genug. Du weißt ſeit Jahr und Tag, wie ich darüber denke. Damals als Inn¬ ſtetten's Brief kam, ein Blitz aus heiterem Himmel, damals war ich Deiner Meinung. Aber das iſt nun ſchon wieder eine halbe Ewigkeit her; ſoll ich hier bis an mein Lebensende den Großinquiſitor ſpielen? Ich kann Dir ſagen, ich hab' es ſeit lange ſatt …“ „Mache mir keine Vorwürfe, Brieſt; ich liebe ſie ſo wie Du, vielleicht noch mehr; jeder hat ſeine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/496>, abgerufen am 16.07.2024.