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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Effi winkte mit dem Taschentuch, und der Begrüßte
versäumte nicht, mit seinem blanken Kugelstock zu
salutieren.


Eine Woche später saßen Mutter und Tochter
wieder am alten Fleck, auch wieder mit ihrer Arbeit
beschäftigt. Es war ein wunderschöner Tag; der in
einem zierlichen Beet um die Sonnenuhr herum¬
stehende Heliotrop blühte noch, und die leise Brise,
die ging, trug den Duft davon zu ihnen herüber.

"Ach, wie wohl ich mich fühle," sagte Effi,
"so wohl und so glücklich; ich kann mir den Himmel
nicht schöner denken. Und am Ende, wer weiß, ob
sie im Himmel so wundervollen Heliotrop haben."

"Aber Effi, so darfst Du nicht sprechen; das
hast Du von Deinem Vater, dem nichts heilig ist, und
der neulich sogar sagte: Niemeyer sähe aus wie Lot.
Unerhört. Und was soll es nur heißen? Erstlich
weiß er nicht, wie Lot ausgesehen hat, und zweitens
ist es eine grenzenlose Rücksichtslosigkeit gegen Hulda.
Ein Glück, daß Niemeyer nur die einzige Tochter
hat, dadurch fällt es eigentlich in sich zusammen.
In einem freilich hat er nur zu sehr recht gehabt,
in all' und jedem, was er über "Lots Frau", unsere
gute Frau Pastorin, sagte, die uns denn auch wirk¬
lich wieder mit ihrer Thorheit und Anmaßung den

Effi Brieſt
Effi winkte mit dem Taſchentuch, und der Begrüßte
verſäumte nicht, mit ſeinem blanken Kugelſtock zu
ſalutieren.


Eine Woche ſpäter ſaßen Mutter und Tochter
wieder am alten Fleck, auch wieder mit ihrer Arbeit
beſchäftigt. Es war ein wunderſchöner Tag; der in
einem zierlichen Beet um die Sonnenuhr herum¬
ſtehende Heliotrop blühte noch, und die leiſe Briſe,
die ging, trug den Duft davon zu ihnen herüber.

„Ach, wie wohl ich mich fühle,“ ſagte Effi,
„ſo wohl und ſo glücklich; ich kann mir den Himmel
nicht ſchöner denken. Und am Ende, wer weiß, ob
ſie im Himmel ſo wundervollen Heliotrop haben.“

„Aber Effi, ſo darfſt Du nicht ſprechen; das
haſt Du von Deinem Vater, dem nichts heilig iſt, und
der neulich ſogar ſagte: Niemeyer ſähe aus wie Lot.
Unerhört. Und was ſoll es nur heißen? Erſtlich
weiß er nicht, wie Lot ausgeſehen hat, und zweitens
iſt es eine grenzenloſe Rückſichtsloſigkeit gegen Hulda.
Ein Glück, daß Niemeyer nur die einzige Tochter
hat, dadurch fällt es eigentlich in ſich zuſammen.
In einem freilich hat er nur zu ſehr recht gehabt,
in all' und jedem, was er über „Lots Frau“, unſere
gute Frau Paſtorin, ſagte, die uns denn auch wirk¬
lich wieder mit ihrer Thorheit und Anmaßung den

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[41/0050] Effi Brieſt Effi winkte mit dem Taſchentuch, und der Begrüßte verſäumte nicht, mit ſeinem blanken Kugelſtock zu ſalutieren. Eine Woche ſpäter ſaßen Mutter und Tochter wieder am alten Fleck, auch wieder mit ihrer Arbeit beſchäftigt. Es war ein wunderſchöner Tag; der in einem zierlichen Beet um die Sonnenuhr herum¬ ſtehende Heliotrop blühte noch, und die leiſe Briſe, die ging, trug den Duft davon zu ihnen herüber. „Ach, wie wohl ich mich fühle,“ ſagte Effi, „ſo wohl und ſo glücklich; ich kann mir den Himmel nicht ſchöner denken. Und am Ende, wer weiß, ob ſie im Himmel ſo wundervollen Heliotrop haben.“ „Aber Effi, ſo darfſt Du nicht ſprechen; das haſt Du von Deinem Vater, dem nichts heilig iſt, und der neulich ſogar ſagte: Niemeyer ſähe aus wie Lot. Unerhört. Und was ſoll es nur heißen? Erſtlich weiß er nicht, wie Lot ausgeſehen hat, und zweitens iſt es eine grenzenloſe Rückſichtsloſigkeit gegen Hulda. Ein Glück, daß Niemeyer nur die einzige Tochter hat, dadurch fällt es eigentlich in ſich zuſammen. In einem freilich hat er nur zu ſehr recht gehabt, in all' und jedem, was er über „Lots Frau“, unſere gute Frau Paſtorin, ſagte, die uns denn auch wirk¬ lich wieder mit ihrer Thorheit und Anmaßung den

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/50>, abgerufen am 28.04.2024.