Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Ich kann es fast sagen. Aber Du darfst sie
nicht verderben. Nun, was hast Du noch? Ich
sehe, daß Du 'was auf dem Herzen hast."

"Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬
schichte ? Sie war so sonderbar, halb wie ein Kind,
und dann wieder sehr selbstbewußt und durchaus
nicht so bescheiden, wie sie's solchem Manne gegen¬
über sein müßte. Das kann doch nur so zusammen¬
hängen, daß sie noch nicht recht weiß, was sie an
ihm hat. Oder ist es einfach, daß sie ihn nicht recht
liebt? Das wäre schlimm. Denn bei all' seinen
Vorzügen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe
mit leichter Manier zu gewinnen."

Frau von Briest schwieg und zählte die Stiche
auf dem Kanevas. Endlich sagte sie: "Was Du da
sagst, Briest, ist das gescheiteste, was ich seit drei
Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tisch
mit eingerechnet. Ich habe auch so meine Bedenken
gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen."

"Hat sie Dir ihr Herz ausgeschüttet?"

"So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl
das Bedürfnis zu sprechen, aber sie hat nicht das
Bedürfnis, sich so recht von Herzen auszusprechen,
und macht vieles in sich selber ab; sie ist mitteilsam
und verschlossen zugleich, beinah' versteckt; überhaupt
ein ganz eigenes Gemisch."

Effi Brieſt

„Ich kann es faſt ſagen. Aber Du darfſt ſie
nicht verderben. Nun, was haſt Du noch? Ich
ſehe, daß Du 'was auf dem Herzen haſt.“

„Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬
ſchichte ? Sie war ſo ſonderbar, halb wie ein Kind,
und dann wieder ſehr ſelbſtbewußt und durchaus
nicht ſo beſcheiden, wie ſie's ſolchem Manne gegen¬
über ſein müßte. Das kann doch nur ſo zuſammen¬
hängen, daß ſie noch nicht recht weiß, was ſie an
ihm hat. Oder iſt es einfach, daß ſie ihn nicht recht
liebt? Das wäre ſchlimm. Denn bei all' ſeinen
Vorzügen, er iſt nicht der Mann, ſich dieſe Liebe
mit leichter Manier zu gewinnen.“

Frau von Brieſt ſchwieg und zählte die Stiche
auf dem Kanevas. Endlich ſagte ſie: „Was Du da
ſagſt, Brieſt, iſt das geſcheiteſte, was ich ſeit drei
Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tiſch
mit eingerechnet. Ich habe auch ſo meine Bedenken
gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“

„Hat ſie Dir ihr Herz ausgeſchüttet?“

„So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl
das Bedürfnis zu ſprechen, aber ſie hat nicht das
Bedürfnis, ſich ſo recht von Herzen auszuſprechen,
und macht vieles in ſich ſelber ab; ſie iſt mitteilſam
und verſchloſſen zugleich, beinah' verſteckt; überhaupt
ein ganz eigenes Gemiſch.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0066" n="57"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Ich kann es fa&#x017F;t &#x017F;agen. Aber Du darf&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
nicht verderben. Nun, was ha&#x017F;t Du noch? Ich<lb/>
&#x017F;ehe, daß Du 'was auf dem Herzen ha&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬<lb/>
&#x017F;chichte ? Sie war &#x017F;o &#x017F;onderbar, halb wie ein Kind,<lb/>
und dann wieder &#x017F;ehr &#x017F;elb&#x017F;tbewußt und durchaus<lb/>
nicht &#x017F;o be&#x017F;cheiden, wie &#x017F;ie's &#x017F;olchem Manne gegen¬<lb/>
über &#x017F;ein müßte. Das kann doch nur &#x017F;o zu&#x017F;ammen¬<lb/>
hängen, daß &#x017F;ie noch nicht recht weiß, was &#x017F;ie an<lb/>
ihm hat. Oder i&#x017F;t es einfach, daß &#x017F;ie ihn nicht recht<lb/>
liebt? Das wäre &#x017F;chlimm. Denn bei all' &#x017F;einen<lb/>
Vorzügen, er i&#x017F;t nicht der Mann, &#x017F;ich die&#x017F;e Liebe<lb/>
mit leichter Manier zu gewinnen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Frau von Brie&#x017F;t &#x017F;chwieg und zählte die Stiche<lb/>
auf dem Kanevas. Endlich &#x017F;agte &#x017F;ie: &#x201E;Was Du da<lb/>
&#x017F;ag&#x017F;t, Brie&#x017F;t, i&#x017F;t das ge&#x017F;cheite&#x017F;te, was ich &#x017F;eit drei<lb/>
Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Ti&#x017F;ch<lb/>
mit eingerechnet. Ich habe auch &#x017F;o meine Bedenken<lb/>
gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hat &#x017F;ie Dir ihr Herz ausge&#x017F;chüttet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl<lb/>
das Bedürfnis zu &#x017F;prechen, aber &#x017F;ie hat nicht das<lb/>
Bedürfnis, &#x017F;ich &#x017F;o recht von Herzen auszu&#x017F;prechen,<lb/>
und macht vieles in &#x017F;ich &#x017F;elber ab; &#x017F;ie i&#x017F;t mitteil&#x017F;am<lb/>
und ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en zugleich, beinah' ver&#x017F;teckt; überhaupt<lb/>
ein ganz eigenes Gemi&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0066] Effi Brieſt „Ich kann es faſt ſagen. Aber Du darfſt ſie nicht verderben. Nun, was haſt Du noch? Ich ſehe, daß Du 'was auf dem Herzen haſt.“ „Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬ ſchichte ? Sie war ſo ſonderbar, halb wie ein Kind, und dann wieder ſehr ſelbſtbewußt und durchaus nicht ſo beſcheiden, wie ſie's ſolchem Manne gegen¬ über ſein müßte. Das kann doch nur ſo zuſammen¬ hängen, daß ſie noch nicht recht weiß, was ſie an ihm hat. Oder iſt es einfach, daß ſie ihn nicht recht liebt? Das wäre ſchlimm. Denn bei all' ſeinen Vorzügen, er iſt nicht der Mann, ſich dieſe Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.“ Frau von Brieſt ſchwieg und zählte die Stiche auf dem Kanevas. Endlich ſagte ſie: „Was Du da ſagſt, Brieſt, iſt das geſcheiteſte, was ich ſeit drei Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tiſch mit eingerechnet. Ich habe auch ſo meine Bedenken gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“ „Hat ſie Dir ihr Herz ausgeſchüttet?“ „So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl das Bedürfnis zu ſprechen, aber ſie hat nicht das Bedürfnis, ſich ſo recht von Herzen auszuſprechen, und macht vieles in ſich ſelber ab; ſie iſt mitteilſam und verſchloſſen zugleich, beinah' verſteckt; überhaupt ein ganz eigenes Gemiſch.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/66
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/66>, abgerufen am 27.11.2024.