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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ich bin ganz Deiner Meinung. Aber wenn
sie Dir nichts gesagt hat, woher weißt Du's?"

"Ich sagte nur, sie habe mir nicht ihr Herz
ausgeschüttet. Solche Generalbeichte, so alles von
der Seele herunter, das liegt nicht in ihr. Es fuhr
alles so bloß ruckweis und plötzlich aus ihr heraus,
und dann war es wieder vorüber. Aber gerade weil
es so ungewollt und wie von ungefähr aus ihrer
Seele kam, deshalb war es mir so wichtig."

"Und wann war es denn und bei welcher Ge¬
legenheit?"

"Es werden jetzt gerade drei Wochen sein, und
wir saßen im Garten, mit allerhand Ausstattungs¬
dingen, großen und kleinen, beschäftigt, als Wilke
einen Brief von Innstetten brachte. Sie steckte ihn
zu sich, und ich mußte sie eine Viertelstunde später
erst erinnern, daß sie ja einen Brief habe. Dann
las sie ihn, aber verzog kaum eine Miene. Ich be¬
kenne Dir, daß mir bang' ums Herz dabei wurde,
so bang', daß ich gern eine Gewißheit haben wollte,
so viel, wie man in diesen Dingen haben kann."

"Sehr wahr, sehr wahr."

"Was meinst Du damit?"

"Nun, ich meine nur ... Aber das ist ja
ganz gleich. Sprich nur weiter; ich bin ganz Ohr."

"Ich fragte also rund heraus, wie's stünde,

Effi Brieſt

„Ich bin ganz Deiner Meinung. Aber wenn
ſie Dir nichts geſagt hat, woher weißt Du's?“

„Ich ſagte nur, ſie habe mir nicht ihr Herz
ausgeſchüttet. Solche Generalbeichte, ſo alles von
der Seele herunter, das liegt nicht in ihr. Es fuhr
alles ſo bloß ruckweis und plötzlich aus ihr heraus,
und dann war es wieder vorüber. Aber gerade weil
es ſo ungewollt und wie von ungefähr aus ihrer
Seele kam, deshalb war es mir ſo wichtig.“

„Und wann war es denn und bei welcher Ge¬
legenheit?“

„Es werden jetzt gerade drei Wochen ſein, und
wir ſaßen im Garten, mit allerhand Ausſtattungs¬
dingen, großen und kleinen, beſchäftigt, als Wilke
einen Brief von Innſtetten brachte. Sie ſteckte ihn
zu ſich, und ich mußte ſie eine Viertelſtunde ſpäter
erſt erinnern, daß ſie ja einen Brief habe. Dann
las ſie ihn, aber verzog kaum eine Miene. Ich be¬
kenne Dir, daß mir bang' ums Herz dabei wurde,
ſo bang', daß ich gern eine Gewißheit haben wollte,
ſo viel, wie man in dieſen Dingen haben kann.“

„Sehr wahr, ſehr wahr.“

„Was meinſt Du damit?“

„Nun, ich meine nur … Aber das iſt ja
ganz gleich. Sprich nur weiter; ich bin ganz Ohr.“

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[58/0067] Effi Brieſt „Ich bin ganz Deiner Meinung. Aber wenn ſie Dir nichts geſagt hat, woher weißt Du's?“ „Ich ſagte nur, ſie habe mir nicht ihr Herz ausgeſchüttet. Solche Generalbeichte, ſo alles von der Seele herunter, das liegt nicht in ihr. Es fuhr alles ſo bloß ruckweis und plötzlich aus ihr heraus, und dann war es wieder vorüber. Aber gerade weil es ſo ungewollt und wie von ungefähr aus ihrer Seele kam, deshalb war es mir ſo wichtig.“ „Und wann war es denn und bei welcher Ge¬ legenheit?“ „Es werden jetzt gerade drei Wochen ſein, und wir ſaßen im Garten, mit allerhand Ausſtattungs¬ dingen, großen und kleinen, beſchäftigt, als Wilke einen Brief von Innſtetten brachte. Sie ſteckte ihn zu ſich, und ich mußte ſie eine Viertelſtunde ſpäter erſt erinnern, daß ſie ja einen Brief habe. Dann las ſie ihn, aber verzog kaum eine Miene. Ich be¬ kenne Dir, daß mir bang' ums Herz dabei wurde, ſo bang', daß ich gern eine Gewißheit haben wollte, ſo viel, wie man in dieſen Dingen haben kann.“ „Sehr wahr, ſehr wahr.“ „Was meinſt Du damit?“ „Nun, ich meine nur … Aber das iſt ja ganz gleich. Sprich nur weiter; ich bin ganz Ohr.“ „Ich fragte alſo rund heraus, wie's ſtünde,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/67>, abgerufen am 23.11.2024.