Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen
feierlichen Ton vermeiden und alles so leicht wie
möglich, ja beinah' scherzhaft nehmen wollte, so warf
ich die Frage hin, ob sie vielleicht den Vetter Briest,
der ihr in Berlin sehr stark den Hof gemacht hatte,
ob sie den vielleicht lieber heiraten würde ..."

"Und?"

"Da hättest Du sie sehen sollen. Ihre nächste
Antwort war ein schnippisches Lachen. Der Vetter
sei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnants¬
uniform. Und einen Kadetten könne sie nicht einmal
lieben, geschweige heiraten. Und dann sprach sie
von Innstetten, der ihr mit einemmale der Träger
aller männlichen Tugenden war."

"Und wie erklärst Du Dir das?"

"Ganz einfach. So geweckt und temperament¬
voll und beinahe leidenschaftlich sie ist, oder viel¬
leicht auch weil sie es ist, sie gehört nicht zu
denen, die so recht eigentlich auf Liebe gestellt
sind, wenigstens nicht auf das, was den Namen
ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, sogar mit
Nachdruck und einem gewissen Überzeugungston, aber
doch nur, weil sie irgendwo gelesen hat, Liebe sei
nun 'mal das Höchste, das Schönste, das Herrlichste.
Vielleicht hat sie's auch bloß von der sentimentalen
Person, der Hulda, gehört und spricht es ihr nach.

Effi Brieſt
und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen
feierlichen Ton vermeiden und alles ſo leicht wie
möglich, ja beinah' ſcherzhaft nehmen wollte, ſo warf
ich die Frage hin, ob ſie vielleicht den Vetter Brieſt,
der ihr in Berlin ſehr ſtark den Hof gemacht hatte,
ob ſie den vielleicht lieber heiraten würde …“

„Und?“

„Da hätteſt Du ſie ſehen ſollen. Ihre nächſte
Antwort war ein ſchnippiſches Lachen. Der Vetter
ſei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnants¬
uniform. Und einen Kadetten könne ſie nicht einmal
lieben, geſchweige heiraten. Und dann ſprach ſie
von Innſtetten, der ihr mit einemmale der Träger
aller männlichen Tugenden war.“

„Und wie erklärſt Du Dir das?“

„Ganz einfach. So geweckt und temperament¬
voll und beinahe leidenſchaftlich ſie iſt, oder viel¬
leicht auch weil ſie es iſt, ſie gehört nicht zu
denen, die ſo recht eigentlich auf Liebe geſtellt
ſind, wenigſtens nicht auf das, was den Namen
ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, ſogar mit
Nachdruck und einem gewiſſen Überzeugungston, aber
doch nur, weil ſie irgendwo geleſen hat, Liebe ſei
nun 'mal das Höchſte, das Schönſte, das Herrlichſte.
Vielleicht hat ſie's auch bloß von der ſentimentalen
Perſon, der Hulda, gehört und ſpricht es ihr nach.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="59"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen<lb/>
feierlichen Ton vermeiden und alles &#x017F;o leicht wie<lb/>
möglich, ja beinah' &#x017F;cherzhaft nehmen wollte, &#x017F;o warf<lb/>
ich die Frage hin, ob &#x017F;ie vielleicht den Vetter Brie&#x017F;t,<lb/>
der ihr in Berlin &#x017F;ehr &#x017F;tark den Hof gemacht hatte,<lb/>
ob &#x017F;ie den vielleicht lieber heiraten würde &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da hätte&#x017F;t Du &#x017F;ie &#x017F;ehen &#x017F;ollen. Ihre näch&#x017F;te<lb/>
Antwort war ein &#x017F;chnippi&#x017F;ches Lachen. Der Vetter<lb/>
&#x017F;ei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnants¬<lb/>
uniform. Und einen Kadetten könne &#x017F;ie nicht einmal<lb/>
lieben, ge&#x017F;chweige heiraten. Und dann &#x017F;prach &#x017F;ie<lb/>
von Inn&#x017F;tetten, der ihr mit einemmale der Träger<lb/>
aller männlichen Tugenden war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wie erklär&#x017F;t Du Dir das?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz einfach. So geweckt und temperament¬<lb/>
voll und beinahe leiden&#x017F;chaftlich &#x017F;ie i&#x017F;t, oder viel¬<lb/>
leicht auch weil &#x017F;ie es i&#x017F;t, &#x017F;ie gehört nicht zu<lb/>
denen, die &#x017F;o recht eigentlich auf Liebe ge&#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ind, wenig&#x017F;tens nicht auf das, was den Namen<lb/>
ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, &#x017F;ogar mit<lb/>
Nachdruck und einem gewi&#x017F;&#x017F;en Überzeugungston, aber<lb/>
doch nur, weil &#x017F;ie irgendwo gele&#x017F;en hat, Liebe &#x017F;ei<lb/>
nun 'mal das Höch&#x017F;te, das Schön&#x017F;te, das Herrlich&#x017F;te.<lb/>
Vielleicht hat &#x017F;ie's auch bloß von der &#x017F;entimentalen<lb/>
Per&#x017F;on, der Hulda, gehört und &#x017F;pricht es ihr nach.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0068] Effi Brieſt und weil ich bei ihrem eigenen Charakter einen feierlichen Ton vermeiden und alles ſo leicht wie möglich, ja beinah' ſcherzhaft nehmen wollte, ſo warf ich die Frage hin, ob ſie vielleicht den Vetter Brieſt, der ihr in Berlin ſehr ſtark den Hof gemacht hatte, ob ſie den vielleicht lieber heiraten würde …“ „Und?“ „Da hätteſt Du ſie ſehen ſollen. Ihre nächſte Antwort war ein ſchnippiſches Lachen. Der Vetter ſei doch eigentlich nur ein großer Kadett in Leutnants¬ uniform. Und einen Kadetten könne ſie nicht einmal lieben, geſchweige heiraten. Und dann ſprach ſie von Innſtetten, der ihr mit einemmale der Träger aller männlichen Tugenden war.“ „Und wie erklärſt Du Dir das?“ „Ganz einfach. So geweckt und temperament¬ voll und beinahe leidenſchaftlich ſie iſt, oder viel¬ leicht auch weil ſie es iſt, ſie gehört nicht zu denen, die ſo recht eigentlich auf Liebe geſtellt ſind, wenigſtens nicht auf das, was den Namen ehrlich verdient. Sie redet zwar davon, ſogar mit Nachdruck und einem gewiſſen Überzeugungston, aber doch nur, weil ſie irgendwo geleſen hat, Liebe ſei nun 'mal das Höchſte, das Schönſte, das Herrlichſte. Vielleicht hat ſie's auch bloß von der ſentimentalen Perſon, der Hulda, gehört und ſpricht es ihr nach.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/68
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/68>, abgerufen am 27.11.2024.