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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Sie sich ja den in der Oranienstraße jeden Tag
ansehen. Aber ich weiß schon, mit Ihnen ist nicht
zu reden. Zeuthen und Kirchhof, alles Unsinn.
Da bleiben wir doch lieber hier und sehen gar
nichts. Kommen Sie, Kleine, geben Sie mir Ihren
Arm wieder."

Die Kleine, die durchaus nicht klein war, war
Lene. Sie gehorchte. Die Königin aber fuhr jetzt,
indem sie wieder voraufging, in vertraulichem Tone
fort: "Ach, diese Johanna, man kann eigentlich nicht
mit ihr umgehn; sie hat keinen guten Ruf und is
eine Gans. Ach, Kind, Sie glauben gar nicht, was
jetzt alles so mitläuft; nu ja, sie hat 'ne hübsche
Figur und hält auf ihre Handschuh. Aber sie sollte
lieber auf 'was andres halten. Und sehen Sie, die,
die so sind, die reden immer von sterben und Kirch¬
hof. Und nun sollen Sie sie nachher sehn! So
lang es so geht, geht es. Aber wenn dann die
Bowle kommt und wieder leer is und wieder kommt,
dann quietscht und johlt sie. Keine Idee von An¬
stand. Aber wo soll es auch herkommen? Sie war
immer blos bei kleinen Leuten, draußen auf der
Chaussee nach Tegel, wo kein Mensch recht hinkommt
und blos mal Artillerie vorbei fährt. Und Artillerie...
Nu ja . . . Sie glauben gar nich, wie verschieden
das alles ist. Und nun hat sie der Serge da 'raus¬
genommen und will was aus ihr machen. Ja, Du

Sie ſich ja den in der Oranienſtraße jeden Tag
anſehen. Aber ich weiß ſchon, mit Ihnen iſt nicht
zu reden. Zeuthen und Kirchhof, alles Unſinn.
Da bleiben wir doch lieber hier und ſehen gar
nichts. Kommen Sie, Kleine, geben Sie mir Ihren
Arm wieder.“

Die Kleine, die durchaus nicht klein war, war
Lene. Sie gehorchte. Die Königin aber fuhr jetzt,
indem ſie wieder voraufging, in vertraulichem Tone
fort: „Ach, dieſe Johanna, man kann eigentlich nicht
mit ihr umgehn; ſie hat keinen guten Ruf und is
eine Gans. Ach, Kind, Sie glauben gar nicht, was
jetzt alles ſo mitläuft; nu ja, ſie hat 'ne hübſche
Figur und hält auf ihre Handſchuh. Aber ſie ſollte
lieber auf 'was andres halten. Und ſehen Sie, die,
die ſo ſind, die reden immer von ſterben und Kirch¬
hof. Und nun ſollen Sie ſie nachher ſehn! So
lang es ſo geht, geht es. Aber wenn dann die
Bowle kommt und wieder leer is und wieder kommt,
dann quietſcht und johlt ſie. Keine Idee von An¬
ſtand. Aber wo ſoll es auch herkommen? Sie war
immer blos bei kleinen Leuten, draußen auf der
Chauſſee nach Tegel, wo kein Menſch recht hinkommt
und blos mal Artillerie vorbei fährt. Und Artillerie...
Nu ja . . . Sie glauben gar nich, wie verſchieden
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[138/0148] Sie ſich ja den in der Oranienſtraße jeden Tag anſehen. Aber ich weiß ſchon, mit Ihnen iſt nicht zu reden. Zeuthen und Kirchhof, alles Unſinn. Da bleiben wir doch lieber hier und ſehen gar nichts. Kommen Sie, Kleine, geben Sie mir Ihren Arm wieder.“ Die Kleine, die durchaus nicht klein war, war Lene. Sie gehorchte. Die Königin aber fuhr jetzt, indem ſie wieder voraufging, in vertraulichem Tone fort: „Ach, dieſe Johanna, man kann eigentlich nicht mit ihr umgehn; ſie hat keinen guten Ruf und is eine Gans. Ach, Kind, Sie glauben gar nicht, was jetzt alles ſo mitläuft; nu ja, ſie hat 'ne hübſche Figur und hält auf ihre Handſchuh. Aber ſie ſollte lieber auf 'was andres halten. Und ſehen Sie, die, die ſo ſind, die reden immer von ſterben und Kirch¬ hof. Und nun ſollen Sie ſie nachher ſehn! So lang es ſo geht, geht es. Aber wenn dann die Bowle kommt und wieder leer is und wieder kommt, dann quietſcht und johlt ſie. Keine Idee von An¬ ſtand. Aber wo ſoll es auch herkommen? Sie war immer blos bei kleinen Leuten, draußen auf der Chauſſee nach Tegel, wo kein Menſch recht hinkommt und blos mal Artillerie vorbei fährt. Und Artillerie... Nu ja . . . Sie glauben gar nich, wie verſchieden das alles iſt. Und nun hat ſie der Serge da 'raus¬ genommen und will was aus ihr machen. Ja, Du

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/148>, abgerufen am 21.11.2024.