Der Hummer war noch nicht gekommen, aber der Chablis stand schon da. Voll Unruhe nahm der alte Osten eins der Brötchen aus dem Korb und schnitt es mit ebenso viel Hast wie Virtuosität in Schrägstücke, blos um etwas zu thun zu haben. Dann lies; er das Messer wieder fallen und reichte Wedell die Hand, "Ihnen unendlich verbunden, Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho, Sie dem Club auf ein paar Stunden abspänstig gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute Vorbedeutung, gleich bei meinem ersten Ausgang in Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen."
Und nun begann er einzuschenken, weil er seiner Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine Cliquot kalt zu stellen und fuhr dann fort: "Eigent¬ lich, lieber Wedell, sind wir verwandt; es giebt keine Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbsen wäre; neumärkisch Blut ist in allen. Und wenn ich nun gar mein altes Dragonerblau wiedersehe, da schlägt mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr v. Wedell, alte Liebe rostet nicht. Aber da kommt der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere. Die Scheeren sind immer das Beste . . . Aber, was ich sagen wollte, alte Liebe rostet nicht und der Schneid auch nicht. Und ich setze hinzu, Gott sei Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.
Der Hummer war noch nicht gekommen, aber der Chablis ſtand ſchon da. Voll Unruhe nahm der alte Oſten eins der Brötchen aus dem Korb und ſchnitt es mit ebenſo viel Haſt wie Virtuoſität in Schrägſtücke, blos um etwas zu thun zu haben. Dann lies; er das Meſſer wieder fallen und reichte Wedell die Hand, „Ihnen unendlich verbunden, Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho, Sie dem Club auf ein paar Stunden abſpänſtig gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute Vorbedeutung, gleich bei meinem erſten Ausgang in Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen.“
Und nun begann er einzuſchenken, weil er ſeiner Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine Cliquot kalt zu ſtellen und fuhr dann fort: „Eigent¬ lich, lieber Wedell, ſind wir verwandt; es giebt keine Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbſen wäre; neumärkiſch Blut iſt in allen. Und wenn ich nun gar mein altes Dragonerblau wiederſehe, da ſchlägt mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr v. Wedell, alte Liebe roſtet nicht. Aber da kommt der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere. Die Scheeren ſind immer das Beſte . . . Aber, was ich ſagen wollte, alte Liebe roſtet nicht und der Schneid auch nicht. Und ich ſetze hinzu, Gott ſei Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0074"n="64"/><p>Der Hummer war noch nicht gekommen, aber<lb/>
der Chablis ſtand ſchon da. Voll Unruhe nahm<lb/>
der alte Oſten eins der Brötchen aus dem Korb und<lb/>ſchnitt es mit ebenſo viel Haſt wie Virtuoſität in<lb/>
Schrägſtücke, blos um etwas zu thun zu haben.<lb/>
Dann lies; er das Meſſer wieder fallen und reichte<lb/>
Wedell die Hand, „Ihnen unendlich verbunden,<lb/>
Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho,<lb/>
Sie dem Club auf ein paar Stunden abſpänſtig<lb/>
gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute<lb/>
Vorbedeutung, gleich bei meinem erſten Ausgang in<lb/>
Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen.“</p><lb/><p>Und nun begann er einzuſchenken, weil er ſeiner<lb/>
Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine<lb/>
Cliquot kalt zu ſtellen und fuhr dann fort: „Eigent¬<lb/>
lich, lieber Wedell, ſind wir verwandt; es giebt keine<lb/>
Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und<lb/>
wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbſen wäre;<lb/>
neumärkiſch Blut iſt in allen. Und wenn ich nun<lb/>
gar mein altes Dragonerblau wiederſehe, da ſchlägt<lb/>
mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr<lb/>
v. Wedell, alte Liebe roſtet nicht. Aber da kommt<lb/>
der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere.<lb/>
Die Scheeren ſind immer das Beſte . . . Aber, was<lb/>
ich ſagen wollte, alte Liebe roſtet nicht und der<lb/>
Schneid auch nicht. Und ich ſetze hinzu, Gott ſei<lb/>
Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[64/0074]
Der Hummer war noch nicht gekommen, aber
der Chablis ſtand ſchon da. Voll Unruhe nahm
der alte Oſten eins der Brötchen aus dem Korb und
ſchnitt es mit ebenſo viel Haſt wie Virtuoſität in
Schrägſtücke, blos um etwas zu thun zu haben.
Dann lies; er das Meſſer wieder fallen und reichte
Wedell die Hand, „Ihnen unendlich verbunden,
Herr v. Wedell, und brillanter Einfall von Botho,
Sie dem Club auf ein paar Stunden abſpänſtig
gemacht zu haben. Ich nehm' es als eine gute
Vorbedeutung, gleich bei meinem erſten Ausgang in
Berlin einen Wedell begrüßen zu dürfen.“
Und nun begann er einzuſchenken, weil er ſeiner
Unruhe nicht länger Herr bleiben konnte, befahl eine
Cliquot kalt zu ſtellen und fuhr dann fort: „Eigent¬
lich, lieber Wedell, ſind wir verwandt; es giebt keine
Wedell's, mit denen wir nicht verwandt wären, und
wenn's auch blos durch einen Scheffel Erbſen wäre;
neumärkiſch Blut iſt in allen. Und wenn ich nun
gar mein altes Dragonerblau wiederſehe, da ſchlägt
mir das Herz bis in den Hals hinein. Ja, Herr
v. Wedell, alte Liebe roſtet nicht. Aber da kommt
der Hummer . . . Bitte, hier die große Scheere.
Die Scheeren ſind immer das Beſte . . . Aber, was
ich ſagen wollte, alte Liebe roſtet nicht und der
Schneid auch nicht. Und ich ſetze hinzu, Gott ſei
Dank. Damals hatten wir noch den alten Dobeneck.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/74>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.