Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.über und fuhren nun unserm Ziele zu. Das letzte Dorf hieß Kamminke. Halben Wegs zwischen diesem Dorf und Swinemünde selbst passirten wir eine mitten im Walde gelegene Bohlenbrücke, zu deren beiden Seiten sich eine dunkelschwarze Wasserfläche mit weißen Nymphäen ausbreitete; die niedergehende Sonne stand schon hinter den Tannen und ein rother Schimmer, der zwischen den Wipfeln glühte, spiegelte sich unten in dem schönen und zugleich etwas unheimlichen Teich. Es steht vor mir, als hätt' ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hörte der Wald auf und ein kurzer chaussirter Weg kam, von dem aus man, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf, wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahllose Torfpyramiden standen. Der chaussirte Weg, auf dem wir fuhren, war von jungen Silberpappeln eingefaßt und als diese kurze Chausseestrecke hinter uns lag, begann die Stadt selbst, deren erstes Haus, nicht weit ab zu unsrer Linken, auf einer kleinen Anhöhe lag. Ein Tischler wohnte darin. Das Strohdach des Hauses hing weit herab und ließ den Lehm- und Fachwerkbau mit seinen Fensterchen nur undeutlich erkennen, aber neben dem Hause zog sich ein Hof- und Gartenstreifen und auf einem den Garten durchschneidenden und über und fuhren nun unserm Ziele zu. Das letzte Dorf hieß Kamminke. Halben Wegs zwischen diesem Dorf und Swinemünde selbst passirten wir eine mitten im Walde gelegene Bohlenbrücke, zu deren beiden Seiten sich eine dunkelschwarze Wasserfläche mit weißen Nymphäen ausbreitete; die niedergehende Sonne stand schon hinter den Tannen und ein rother Schimmer, der zwischen den Wipfeln glühte, spiegelte sich unten in dem schönen und zugleich etwas unheimlichen Teich. Es steht vor mir, als hätt’ ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hörte der Wald auf und ein kurzer chaussirter Weg kam, von dem aus man, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf, wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahllose Torfpyramiden standen. Der chaussirte Weg, auf dem wir fuhren, war von jungen Silberpappeln eingefaßt und als diese kurze Chausseestrecke hinter uns lag, begann die Stadt selbst, deren erstes Haus, nicht weit ab zu unsrer Linken, auf einer kleinen Anhöhe lag. Ein Tischler wohnte darin. Das Strohdach des Hauses hing weit herab und ließ den Lehm- und Fachwerkbau mit seinen Fensterchen nur undeutlich erkennen, aber neben dem Hause zog sich ein Hof- und Gartenstreifen und auf einem den Garten durchschneidenden und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="42"/> über und fuhren nun unserm Ziele zu. Das letzte Dorf hieß Kamminke. Halben Wegs zwischen diesem Dorf und Swinemünde selbst passirten wir eine mitten im Walde gelegene Bohlenbrücke, zu deren beiden Seiten sich eine dunkelschwarze Wasserfläche mit weißen Nymphäen ausbreitete; die niedergehende Sonne stand schon hinter den Tannen und ein rother Schimmer, der zwischen den Wipfeln glühte, spiegelte sich unten in dem schönen und zugleich etwas unheimlichen Teich. Es steht vor mir, als hätt’ ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hörte der Wald auf und ein kurzer chaussirter Weg kam, von dem aus man, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf, wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahllose Torfpyramiden standen. Der chaussirte Weg, auf dem wir fuhren, war von jungen Silberpappeln eingefaßt und als diese kurze Chausseestrecke hinter uns lag, begann die Stadt selbst, deren erstes Haus, nicht weit ab zu unsrer Linken, auf einer kleinen Anhöhe lag. Ein Tischler wohnte darin. Das Strohdach des Hauses hing weit herab und ließ den Lehm- und Fachwerkbau mit seinen Fensterchen nur undeutlich erkennen, aber neben dem Hause zog sich ein Hof- und Gartenstreifen und auf einem den Garten durchschneidenden und </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0050]
über und fuhren nun unserm Ziele zu. Das letzte Dorf hieß Kamminke. Halben Wegs zwischen diesem Dorf und Swinemünde selbst passirten wir eine mitten im Walde gelegene Bohlenbrücke, zu deren beiden Seiten sich eine dunkelschwarze Wasserfläche mit weißen Nymphäen ausbreitete; die niedergehende Sonne stand schon hinter den Tannen und ein rother Schimmer, der zwischen den Wipfeln glühte, spiegelte sich unten in dem schönen und zugleich etwas unheimlichen Teich. Es steht vor mir, als hätt’ ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hörte der Wald auf und ein kurzer chaussirter Weg kam, von dem aus man, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf, wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahllose Torfpyramiden standen. Der chaussirte Weg, auf dem wir fuhren, war von jungen Silberpappeln eingefaßt und als diese kurze Chausseestrecke hinter uns lag, begann die Stadt selbst, deren erstes Haus, nicht weit ab zu unsrer Linken, auf einer kleinen Anhöhe lag. Ein Tischler wohnte darin. Das Strohdach des Hauses hing weit herab und ließ den Lehm- und Fachwerkbau mit seinen Fensterchen nur undeutlich erkennen, aber neben dem Hause zog sich ein Hof- und Gartenstreifen und auf einem den Garten durchschneidenden und
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/50>, abgerufen am 16.07.2024. |