Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.heimkehrende Maler Eduard Hildebrandt eine große Zahl seiner in Wasserfarben ausgeführten und seitdem berühmt gewordenen Skizzen ausgestellt hatte; - beispielsweise der Siam-Elephant, mit der blutrot neben ihm untergehenden Sonne, stand mir ganz deutlich wieder vor der Seele. Was mir aber zur Zeit jener Ausstellung am meisten gefallen hatte, waren einige farbenblasse, halb hingehauchte Bildchen, langgestreckte Inselprofile, die mit ihrem phantastischen Felsengezack in umschleierter Morgenbeleuchtung, vom Bord des Schiffes her, also in ziemlich beträchtlichem Abstand aufgenommen worden waren. Nur vorübergefahren war der Künstler an diesen Inseln, ohne den Boden derselben auch nur einen Augenblick zu berühren, und doch hatten wir in seinen Skizzen das Wesentliche von der Sache, die Gesamtphysiognomie. Das sollte mir jetzt Beispiel, Vorbild sein und in ganz ähnlicher Weise, wie Hildebrandt an den Sechellen und Comoren, wollt' ich an den Gesandtschaften vorüberfahren und ihr Wesentliches aus ehrfurchtsvoller und bequemer Entfernung studieren. Aber mit welcher sollt' ich beginnen? Ich überflog die Gesamtheit der Ambassaden und da mir als gutem Deutschen der Zug innewohnt, alles was weither ist, zu bevorzugen, entschied ich mich natürlich für China, Heydtstraße 17. China lag heimkehrende Maler Eduard Hildebrandt eine große Zahl seiner in Wasserfarben ausgeführten und seitdem berühmt gewordenen Skizzen ausgestellt hatte; – beispielsweise der Siam-Elephant, mit der blutrot neben ihm untergehenden Sonne, stand mir ganz deutlich wieder vor der Seele. Was mir aber zur Zeit jener Ausstellung am meisten gefallen hatte, waren einige farbenblasse, halb hingehauchte Bildchen, langgestreckte Inselprofile, die mit ihrem phantastischen Felsengezack in umschleierter Morgenbeleuchtung, vom Bord des Schiffes her, also in ziemlich beträchtlichem Abstand aufgenommen worden waren. Nur vorübergefahren war der Künstler an diesen Inseln, ohne den Boden derselben auch nur einen Augenblick zu berühren, und doch hatten wir in seinen Skizzen das Wesentliche von der Sache, die Gesamtphysiognomie. Das sollte mir jetzt Beispiel, Vorbild sein und in ganz ähnlicher Weise, wie Hildebrandt an den Sechellen und Comoren, wollt’ ich an den Gesandtschaften vorüberfahren und ihr Wesentliches aus ehrfurchtsvoller und bequemer Entfernung studieren. Aber mit welcher sollt’ ich beginnen? Ich überflog die Gesamtheit der Ambassaden und da mir als gutem Deutschen der Zug innewohnt, alles was weither ist, zu bevorzugen, entschied ich mich natürlich für China, Heydtstraße 17. China lag <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0160" n="158"/> heimkehrende Maler Eduard Hildebrandt eine große Zahl seiner in Wasserfarben ausgeführten und seitdem berühmt gewordenen Skizzen ausgestellt hatte; – beispielsweise der Siam-Elephant, mit der blutrot neben ihm untergehenden Sonne, stand mir ganz deutlich wieder vor der Seele. Was mir aber zur Zeit jener Ausstellung am meisten gefallen hatte, waren einige farbenblasse, halb hingehauchte Bildchen, langgestreckte Inselprofile, die mit ihrem phantastischen Felsengezack in umschleierter Morgenbeleuchtung, vom Bord des Schiffes her, also in ziemlich beträchtlichem Abstand aufgenommen worden waren. Nur vorübergefahren war der Künstler an diesen Inseln, ohne den Boden derselben auch nur einen Augenblick zu berühren, und doch hatten wir in seinen Skizzen das Wesentliche von der Sache, die Gesamtphysiognomie. Das sollte mir jetzt Beispiel, Vorbild sein und in ganz ähnlicher Weise, wie Hildebrandt an den Sechellen und Comoren, wollt’ ich an den Gesandtschaften vorüberfahren und ihr Wesentliches aus ehrfurchtsvoller und bequemer Entfernung studieren.</p><lb/> <p>Aber mit welcher sollt’ ich beginnen? Ich überflog die Gesamtheit der Ambassaden und da mir als gutem Deutschen der Zug innewohnt, alles was weither ist, zu bevorzugen, entschied ich mich natürlich für China, Heydtstraße 17. China lag </p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0160]
heimkehrende Maler Eduard Hildebrandt eine große Zahl seiner in Wasserfarben ausgeführten und seitdem berühmt gewordenen Skizzen ausgestellt hatte; – beispielsweise der Siam-Elephant, mit der blutrot neben ihm untergehenden Sonne, stand mir ganz deutlich wieder vor der Seele. Was mir aber zur Zeit jener Ausstellung am meisten gefallen hatte, waren einige farbenblasse, halb hingehauchte Bildchen, langgestreckte Inselprofile, die mit ihrem phantastischen Felsengezack in umschleierter Morgenbeleuchtung, vom Bord des Schiffes her, also in ziemlich beträchtlichem Abstand aufgenommen worden waren. Nur vorübergefahren war der Künstler an diesen Inseln, ohne den Boden derselben auch nur einen Augenblick zu berühren, und doch hatten wir in seinen Skizzen das Wesentliche von der Sache, die Gesamtphysiognomie. Das sollte mir jetzt Beispiel, Vorbild sein und in ganz ähnlicher Weise, wie Hildebrandt an den Sechellen und Comoren, wollt’ ich an den Gesandtschaften vorüberfahren und ihr Wesentliches aus ehrfurchtsvoller und bequemer Entfernung studieren.
Aber mit welcher sollt’ ich beginnen? Ich überflog die Gesamtheit der Ambassaden und da mir als gutem Deutschen der Zug innewohnt, alles was weither ist, zu bevorzugen, entschied ich mich natürlich für China, Heydtstraße 17. China lag
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/160>, abgerufen am 28.07.2024. |