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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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gearbeitet, hatte sie, seit es zu dunkeln begann, aus der
Hand gelegt und spielte statt dessen mit einem Ball¬
becher, zu dem sie regelmäßig griff, wenn es galt, leere
Minuten auszufüllen. Sie spielte das Spiel sehr geschickt,
und es gab immer einen kleinen hellen Schlag, wenn der
Ball in den Becher fiel. Melusine stand draußen auf
dem Balkon, die Hand an die Stirn gelegt, um
sich gegen die Blendung der untergehenden Sonne zu
schützen.

"Armgard," rief sie in das Zimmer hinein, "komm;
die Sonne geht eben unter!"

"Laß. Ich sehe hier lieber in den Kamin. Und
ich habe auch schon zwölfmal gefangen."

"Wen?"

"Nun natürlich den Ball."

"Ich glaube, du fingst lieber wen anders. Und
wenn ich dich so dasitzen sehe, so kommt es mir fast
vor, als dächtest du selber auch so was. Du sitzt so
märchenhaft da."

"Ach, du denkst immer nur an Märchen und
glaubst, weil du Melusine heißt, du hast so was wie
eine Verpflichtung dazu."

"Kann sein. Aber vor allem glaub' ich, daß ich
es getroffen habe. Weißt du, was?"

"Nun?"

"Ich kann es so leicht nicht sagen. Du sitzt zu
weit ab."

"Dann komm und sag es mir ins Ohr."

"Das ist zu viel verlangt. Denn erstens bin ich
die ältere, und zweitens bist du's, die was von mir
will. Aber ich will es so genau nicht nehmen."

Und dabei ging Melusine vom Balkon her auf
die Schwester zu, nahm ihr das Fangspiel fort und
sagte, während sie ihr die Hand auf die Stirn legte:
"Du bist verliebt."

gearbeitet, hatte ſie, ſeit es zu dunkeln begann, aus der
Hand gelegt und ſpielte ſtatt deſſen mit einem Ball¬
becher, zu dem ſie regelmäßig griff, wenn es galt, leere
Minuten auszufüllen. Sie ſpielte das Spiel ſehr geſchickt,
und es gab immer einen kleinen hellen Schlag, wenn der
Ball in den Becher fiel. Meluſine ſtand draußen auf
dem Balkon, die Hand an die Stirn gelegt, um
ſich gegen die Blendung der untergehenden Sonne zu
ſchützen.

„Armgard,“ rief ſie in das Zimmer hinein, „komm;
die Sonne geht eben unter!“

„Laß. Ich ſehe hier lieber in den Kamin. Und
ich habe auch ſchon zwölfmal gefangen.“

„Wen?“

„Nun natürlich den Ball.“

„Ich glaube, du fingſt lieber wen anders. Und
wenn ich dich ſo daſitzen ſehe, ſo kommt es mir faſt
vor, als dächteſt du ſelber auch ſo was. Du ſitzt ſo
märchenhaft da.“

„Ach, du denkſt immer nur an Märchen und
glaubſt, weil du Meluſine heißt, du haſt ſo was wie
eine Verpflichtung dazu.“

„Kann ſein. Aber vor allem glaub' ich, daß ich
es getroffen habe. Weißt du, was?“

„Nun?“

„Ich kann es ſo leicht nicht ſagen. Du ſitzt zu
weit ab.“

„Dann komm und ſag es mir ins Ohr.“

„Das iſt zu viel verlangt. Denn erſtens bin ich
die ältere, und zweitens biſt du's, die was von mir
will. Aber ich will es ſo genau nicht nehmen.“

Und dabei ging Meluſine vom Balkon her auf
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[141/0148] gearbeitet, hatte ſie, ſeit es zu dunkeln begann, aus der Hand gelegt und ſpielte ſtatt deſſen mit einem Ball¬ becher, zu dem ſie regelmäßig griff, wenn es galt, leere Minuten auszufüllen. Sie ſpielte das Spiel ſehr geſchickt, und es gab immer einen kleinen hellen Schlag, wenn der Ball in den Becher fiel. Meluſine ſtand draußen auf dem Balkon, die Hand an die Stirn gelegt, um ſich gegen die Blendung der untergehenden Sonne zu ſchützen. „Armgard,“ rief ſie in das Zimmer hinein, „komm; die Sonne geht eben unter!“ „Laß. Ich ſehe hier lieber in den Kamin. Und ich habe auch ſchon zwölfmal gefangen.“ „Wen?“ „Nun natürlich den Ball.“ „Ich glaube, du fingſt lieber wen anders. Und wenn ich dich ſo daſitzen ſehe, ſo kommt es mir faſt vor, als dächteſt du ſelber auch ſo was. Du ſitzt ſo märchenhaft da.“ „Ach, du denkſt immer nur an Märchen und glaubſt, weil du Meluſine heißt, du haſt ſo was wie eine Verpflichtung dazu.“ „Kann ſein. Aber vor allem glaub' ich, daß ich es getroffen habe. Weißt du, was?“ „Nun?“ „Ich kann es ſo leicht nicht ſagen. Du ſitzt zu weit ab.“ „Dann komm und ſag es mir ins Ohr.“ „Das iſt zu viel verlangt. Denn erſtens bin ich die ältere, und zweitens biſt du's, die was von mir will. Aber ich will es ſo genau nicht nehmen.“ Und dabei ging Meluſine vom Balkon her auf die Schweſter zu, nahm ihr das Fangſpiel fort und ſagte, während ſie ihr die Hand auf die Stirn legte: „Du biſt verliebt.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/148>, abgerufen am 24.11.2024.