Woldemar, als er sich von den jungen Damen im Barbyschen Hause verabschiedet hatte, hatte versprechen müssen, seinen Besuch recht bald zu wiederholen.
Aber was war "recht bald"? Er rechnete hin und her und fand, daß der dritte Tag dem etwa entsprechen würde; das war "recht bald" und doch auch wieder nicht zu früh. Und so ging er denn, als der Abend dieses dritten Tages da war, auf die Hallische Brücke zu, wartete hier die Ringbahn ab und fuhr, am Potsdamer- und Brandenburgerthor vorüber, bis an jene sonderbare Reichs¬ tagsuferstelle, wo, von mächtiger Giebelwand herab, ein wohl zwanzig Fuß hohes, riesiges Kaffeemädchen mit einem ganz kleinen Häubchen auf dem Kopf freundlich auf die Welt der Vorübereilenden herniederblickt, um ihnen ein Paket Kneippschen Malzkaffee zu präsentieren. An dieser echt berlinisch-pittoresken Ecke stieg Woldemar ab, um die von hier aus nur noch kurze Strecke bis an das Kron¬ prinzenufer zu Fuß zurückzulegen.
Es war gegen acht, als er in dem Barbyschen Hause die mit Teppich überdeckte Marmortreppe hinauf stieg und die Klingel zog. Im selben Augenblick, wo Jeserich öffnete, sah Woldemar an des Alten verlegenem Gesicht, daß die Damen aller Wahrscheinlichkeit nach wieder nicht zu Hause waren. Aber eine Verstimmung darüber durfte
Dreizehntes Kapitel.
Woldemar, als er ſich von den jungen Damen im Barbyſchen Hauſe verabſchiedet hatte, hatte verſprechen müſſen, ſeinen Beſuch recht bald zu wiederholen.
Aber was war „recht bald“? Er rechnete hin und her und fand, daß der dritte Tag dem etwa entſprechen würde; das war „recht bald“ und doch auch wieder nicht zu früh. Und ſo ging er denn, als der Abend dieſes dritten Tages da war, auf die Halliſche Brücke zu, wartete hier die Ringbahn ab und fuhr, am Potsdamer- und Brandenburgerthor vorüber, bis an jene ſonderbare Reichs¬ tagsuferſtelle, wo, von mächtiger Giebelwand herab, ein wohl zwanzig Fuß hohes, rieſiges Kaffeemädchen mit einem ganz kleinen Häubchen auf dem Kopf freundlich auf die Welt der Vorübereilenden herniederblickt, um ihnen ein Paket Kneippſchen Malzkaffee zu präſentieren. An dieſer echt berliniſch-pittoresken Ecke ſtieg Woldemar ab, um die von hier aus nur noch kurze Strecke bis an das Kron¬ prinzenufer zu Fuß zurückzulegen.
Es war gegen acht, als er in dem Barbyſchen Hauſe die mit Teppich überdeckte Marmortreppe hinauf ſtieg und die Klingel zog. Im ſelben Augenblick, wo Jeſerich öffnete, ſah Woldemar an des Alten verlegenem Geſicht, daß die Damen aller Wahrſcheinlichkeit nach wieder nicht zu Hauſe waren. Aber eine Verſtimmung darüber durfte
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0167"n="[160]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Dreizehntes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Woldemar, als er ſich von den jungen Damen im<lb/>
Barbyſchen Hauſe verabſchiedet hatte, hatte verſprechen<lb/>
müſſen, ſeinen Beſuch recht bald zu wiederholen.</p><lb/><p>Aber was war „recht bald“? Er rechnete hin und<lb/>
her und fand, daß der dritte Tag dem etwa entſprechen<lb/>
würde; das war „recht bald“ und doch auch wieder nicht<lb/>
zu früh. Und ſo ging er denn, als der Abend dieſes<lb/>
dritten Tages da war, auf die Halliſche Brücke zu, wartete<lb/>
hier die Ringbahn ab und fuhr, am Potsdamer- und<lb/>
Brandenburgerthor vorüber, bis an jene ſonderbare Reichs¬<lb/>
tagsuferſtelle, wo, von mächtiger Giebelwand herab, ein<lb/>
wohl zwanzig Fuß hohes, rieſiges Kaffeemädchen mit einem<lb/>
ganz kleinen Häubchen auf dem Kopf freundlich auf die<lb/>
Welt der Vorübereilenden herniederblickt, um ihnen ein<lb/>
Paket Kneippſchen Malzkaffee zu präſentieren. An dieſer<lb/>
echt berliniſch-pittoresken Ecke ſtieg Woldemar ab, um die<lb/>
von hier aus nur noch kurze Strecke bis an das Kron¬<lb/>
prinzenufer zu Fuß zurückzulegen.</p><lb/><p>Es war gegen acht, als er in dem Barbyſchen Hauſe<lb/>
die mit Teppich überdeckte Marmortreppe hinauf ſtieg und<lb/>
die Klingel zog. Im ſelben Augenblick, wo Jeſerich<lb/>
öffnete, ſah Woldemar an des Alten verlegenem Geſicht,<lb/>
daß die Damen aller Wahrſcheinlichkeit nach wieder nicht<lb/>
zu Hauſe waren. Aber eine Verſtimmung darüber durfte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[160]/0167]
Dreizehntes Kapitel.
Woldemar, als er ſich von den jungen Damen im
Barbyſchen Hauſe verabſchiedet hatte, hatte verſprechen
müſſen, ſeinen Beſuch recht bald zu wiederholen.
Aber was war „recht bald“? Er rechnete hin und
her und fand, daß der dritte Tag dem etwa entſprechen
würde; das war „recht bald“ und doch auch wieder nicht
zu früh. Und ſo ging er denn, als der Abend dieſes
dritten Tages da war, auf die Halliſche Brücke zu, wartete
hier die Ringbahn ab und fuhr, am Potsdamer- und
Brandenburgerthor vorüber, bis an jene ſonderbare Reichs¬
tagsuferſtelle, wo, von mächtiger Giebelwand herab, ein
wohl zwanzig Fuß hohes, rieſiges Kaffeemädchen mit einem
ganz kleinen Häubchen auf dem Kopf freundlich auf die
Welt der Vorübereilenden herniederblickt, um ihnen ein
Paket Kneippſchen Malzkaffee zu präſentieren. An dieſer
echt berliniſch-pittoresken Ecke ſtieg Woldemar ab, um die
von hier aus nur noch kurze Strecke bis an das Kron¬
prinzenufer zu Fuß zurückzulegen.
Es war gegen acht, als er in dem Barbyſchen Hauſe
die mit Teppich überdeckte Marmortreppe hinauf ſtieg und
die Klingel zog. Im ſelben Augenblick, wo Jeſerich
öffnete, ſah Woldemar an des Alten verlegenem Geſicht,
daß die Damen aller Wahrſcheinlichkeit nach wieder nicht
zu Hauſe waren. Aber eine Verſtimmung darüber durfte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [160]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/167>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.