Und nun war Wahltagmorgen. Kurz vor acht er¬ schien Lorenzen auf dem Schloß, um in Dubslavs schon auf der Rampe haltenden Kaleschewagen einzusteigen und mit nach Rheinsberg zu fahren. Der Alte, bereits ge¬ stiefelt und gespornt, empfing ihn mit gewohnter Herz¬ lichkeit und guter Laune. "Das ist recht, Lorenzen. Und nun wollen wir auch gleich aufsteigen. Aber warum haben Sie mich nicht an Ihrem Pfarrgarten erwartet? Muß ja doch dran vorüber" -- und dabei schob er ihm voll Sorglichkeit eine Decke zu, während die Pferde schon anrückten. "Übrigens freut es mich trotzdem (man widerspricht sich immer), daß Sie nicht so praktisch ge¬ wesen und doch lieber gekommen sind. Es is 'ne Politesse. Und die Menschen sind jetzt so schrecklich unpoliert und geradezu unmanierlich ... Aber lassen wir's; ich kann es nicht ändern, und es grämt mich auch nicht."
"Weil Sie gütig sind und jene Heiterkeit haben, die, menschlich angesehn, so ziemlich unser Bestes ist."
Dubslav lachte. "Ja, so viel ist richtig; Kopf¬ hängerei war nie meine Sache, und wäre das verdammte Geld nicht ... Hören Sie, Lorenzen, das mit dem Mammon und dem goldnen Kalb, das sind doch eigent¬ lich alles sehr feine Sachen."
"Gewiß, Herr von Stechlin."
Neunzehntes Kapitel.
Und nun war Wahltagmorgen. Kurz vor acht er¬ ſchien Lorenzen auf dem Schloß, um in Dubslavs ſchon auf der Rampe haltenden Kaleſchewagen einzuſteigen und mit nach Rheinsberg zu fahren. Der Alte, bereits ge¬ ſtiefelt und geſpornt, empfing ihn mit gewohnter Herz¬ lichkeit und guter Laune. „Das iſt recht, Lorenzen. Und nun wollen wir auch gleich aufſteigen. Aber warum haben Sie mich nicht an Ihrem Pfarrgarten erwartet? Muß ja doch dran vorüber“ — und dabei ſchob er ihm voll Sorglichkeit eine Decke zu, während die Pferde ſchon anrückten. „Übrigens freut es mich trotzdem (man widerſpricht ſich immer), daß Sie nicht ſo praktiſch ge¬ weſen und doch lieber gekommen ſind. Es is 'ne Politeſſe. Und die Menſchen ſind jetzt ſo ſchrecklich unpoliert und geradezu unmanierlich ... Aber laſſen wir's; ich kann es nicht ändern, und es grämt mich auch nicht.“
„Weil Sie gütig ſind und jene Heiterkeit haben, die, menſchlich angeſehn, ſo ziemlich unſer Beſtes iſt.“
Dubslav lachte. „Ja, ſo viel iſt richtig; Kopf¬ hängerei war nie meine Sache, und wäre das verdammte Geld nicht ... Hören Sie, Lorenzen, das mit dem Mammon und dem goldnen Kalb, das ſind doch eigent¬ lich alles ſehr feine Sachen.“
„Gewiß, Herr von Stechlin.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0238"n="[231]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Neunzehntes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Und nun war Wahltagmorgen. Kurz vor acht er¬<lb/>ſchien Lorenzen auf dem Schloß, um in Dubslavs ſchon<lb/>
auf der Rampe haltenden Kaleſchewagen einzuſteigen und<lb/>
mit nach Rheinsberg zu fahren. Der Alte, bereits ge¬<lb/>ſtiefelt und geſpornt, empfing ihn mit gewohnter Herz¬<lb/>
lichkeit und guter Laune. „Das iſt recht, Lorenzen.<lb/>
Und nun wollen wir auch gleich aufſteigen. Aber warum<lb/>
haben Sie mich nicht an Ihrem Pfarrgarten erwartet?<lb/>
Muß ja doch dran vorüber“— und dabei ſchob er<lb/>
ihm voll Sorglichkeit eine Decke zu, während die Pferde<lb/>ſchon anrückten. „Übrigens freut es mich trotzdem (man<lb/>
widerſpricht ſich immer), daß Sie nicht ſo praktiſch ge¬<lb/>
weſen <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice> doch lieber gekommen ſind. Es is 'ne Politeſſe.<lb/>
Und die Menſchen ſind jetzt ſo ſchrecklich unpoliert und<lb/>
geradezu unmanierlich ... Aber laſſen wir's; ich kann<lb/>
es nicht ändern, und es grämt mich auch nicht.“</p><lb/><p>„Weil Sie gütig ſind und jene Heiterkeit haben,<lb/>
die, menſchlich angeſehn, ſo ziemlich unſer Beſtes iſt.“</p><lb/><p>Dubslav lachte. „Ja, ſo viel iſt richtig; Kopf¬<lb/>
hängerei war nie meine Sache, und wäre das verdammte<lb/>
Geld nicht ... Hören Sie, Lorenzen, das mit dem<lb/>
Mammon und dem goldnen Kalb, das ſind doch eigent¬<lb/>
lich alles ſehr feine Sachen.“</p><lb/><p>„Gewiß, Herr von Stechlin.“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[231]/0238]
Neunzehntes Kapitel.
Und nun war Wahltagmorgen. Kurz vor acht er¬
ſchien Lorenzen auf dem Schloß, um in Dubslavs ſchon
auf der Rampe haltenden Kaleſchewagen einzuſteigen und
mit nach Rheinsberg zu fahren. Der Alte, bereits ge¬
ſtiefelt und geſpornt, empfing ihn mit gewohnter Herz¬
lichkeit und guter Laune. „Das iſt recht, Lorenzen.
Und nun wollen wir auch gleich aufſteigen. Aber warum
haben Sie mich nicht an Ihrem Pfarrgarten erwartet?
Muß ja doch dran vorüber“ — und dabei ſchob er
ihm voll Sorglichkeit eine Decke zu, während die Pferde
ſchon anrückten. „Übrigens freut es mich trotzdem (man
widerſpricht ſich immer), daß Sie nicht ſo praktiſch ge¬
weſen und doch lieber gekommen ſind. Es is 'ne Politeſſe.
Und die Menſchen ſind jetzt ſo ſchrecklich unpoliert und
geradezu unmanierlich ... Aber laſſen wir's; ich kann
es nicht ändern, und es grämt mich auch nicht.“
„Weil Sie gütig ſind und jene Heiterkeit haben,
die, menſchlich angeſehn, ſo ziemlich unſer Beſtes iſt.“
Dubslav lachte. „Ja, ſo viel iſt richtig; Kopf¬
hängerei war nie meine Sache, und wäre das verdammte
Geld nicht ... Hören Sie, Lorenzen, das mit dem
Mammon und dem goldnen Kalb, das ſind doch eigent¬
lich alles ſehr feine Sachen.“
„Gewiß, Herr von Stechlin.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [231]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/238>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.