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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nicht wahr haben, daß die Frische von ihnen ausgegangen
sei. Jeder, der was davon versteht ..."

"Ja, Baron, das is es eben. Wer was davon
versteht! Aber wer versteht was davon? Ich jeden¬
falls nicht."

Unter diesen Worten war man, vom "Prinzregenten"
aus, die Hauptstraße hinuntergeschritten und über eine
kleine Brücke fort erst in den Schloßhof und dann in
den Park eingetreten. Der See plätscherte leis. Kähne
lagen da, mehrere an einem Steg, der von dem Kies¬
ufer her in den See hineinlief. Ein paar der Herren,
unter ihnen auch Dubslav, schritten die ziemlich wacklige
Bretterlage hinunter und blickten, als sie bis ans Ende
gekommen waren, wieder auf die beiden Schloßflügel
und ihre kurzabgestumpften Türme zurück. Der Turm
rechts war der, wo Kronprinz Fritz sein Arbeitszimmer
gehabt hatte.

"Dort hat er gewohnt," sagte von der Nonne.
"Wie begrenzt ist doch unser Können. Mir weckt der
Anblick solcher Fridericianischen Stätten immer ein Schmerz¬
gefühl über das Unzulängliche des Menschlichen über¬
haupt, freilich auch wieder ein Hochgefühl, daß wir
dieser Unzulänglichkeit und Schwäche Herr werden können.
Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?
Dieser König. Er war ein großer Geist, gewiß; aber
doch auch ein verirrter Geist. Und je patriotischer wir
fühlen, je schmerzlicher berührt uns die Frage nach dem
Heil seiner Seele. Die Seelenmessen -- das empfind'
ich in solchem Augenblicke -- sind doch eine wirklich
trostspendende Seite des Katholizismus, und daß es
(selbstverständlich unter Gewähr eines höchsten Willens)
in die Macht Überlebender gelegt ist, eine Seele frei zu
beten, das ist und bleibt eine große Sache."

"Nonne," sagte Molchow, "machen Sie sich nicht
komisch. Was haben Sie für 'ne Vorstellung vom lieben

Fontane, Der Stechlin. 16

nicht wahr haben, daß die Friſche von ihnen ausgegangen
ſei. Jeder, der was davon verſteht ...“

„Ja, Baron, das is es eben. Wer was davon
verſteht! Aber wer verſteht was davon? Ich jeden¬
falls nicht.“

Unter dieſen Worten war man, vom „Prinzregenten“
aus, die Hauptſtraße hinuntergeſchritten und über eine
kleine Brücke fort erſt in den Schloßhof und dann in
den Park eingetreten. Der See plätſcherte leis. Kähne
lagen da, mehrere an einem Steg, der von dem Kies¬
ufer her in den See hineinlief. Ein paar der Herren,
unter ihnen auch Dubslav, ſchritten die ziemlich wacklige
Bretterlage hinunter und blickten, als ſie bis ans Ende
gekommen waren, wieder auf die beiden Schloßflügel
und ihre kurzabgeſtumpften Türme zurück. Der Turm
rechts war der, wo Kronprinz Fritz ſein Arbeitszimmer
gehabt hatte.

„Dort hat er gewohnt,“ ſagte von der Nonne.
„Wie begrenzt iſt doch unſer Können. Mir weckt der
Anblick ſolcher Fridericianiſchen Stätten immer ein Schmerz¬
gefühl über das Unzulängliche des Menſchlichen über¬
haupt, freilich auch wieder ein Hochgefühl, daß wir
dieſer Unzulänglichkeit und Schwäche Herr werden können.
Tod, wo iſt dein Stachel, Hölle, wo iſt dein Sieg?
Dieſer König. Er war ein großer Geiſt, gewiß; aber
doch auch ein verirrter Geiſt. Und je patriotiſcher wir
fühlen, je ſchmerzlicher berührt uns die Frage nach dem
Heil ſeiner Seele. Die Seelenmeſſen — das empfind'
ich in ſolchem Augenblicke — ſind doch eine wirklich
troſtſpendende Seite des Katholizismus, und daß es
(ſelbſtverſtändlich unter Gewähr eines höchſten Willens)
in die Macht Überlebender gelegt iſt, eine Seele frei zu
beten, das iſt und bleibt eine große Sache.“

„Nonne,“ ſagte Molchow, „machen Sie ſich nicht
komiſch. Was haben Sie für 'ne Vorſtellung vom lieben

Fontane, Der Stechlin. 16
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[241/0248] nicht wahr haben, daß die Friſche von ihnen ausgegangen ſei. Jeder, der was davon verſteht ...“ „Ja, Baron, das is es eben. Wer was davon verſteht! Aber wer verſteht was davon? Ich jeden¬ falls nicht.“ Unter dieſen Worten war man, vom „Prinzregenten“ aus, die Hauptſtraße hinuntergeſchritten und über eine kleine Brücke fort erſt in den Schloßhof und dann in den Park eingetreten. Der See plätſcherte leis. Kähne lagen da, mehrere an einem Steg, der von dem Kies¬ ufer her in den See hineinlief. Ein paar der Herren, unter ihnen auch Dubslav, ſchritten die ziemlich wacklige Bretterlage hinunter und blickten, als ſie bis ans Ende gekommen waren, wieder auf die beiden Schloßflügel und ihre kurzabgeſtumpften Türme zurück. Der Turm rechts war der, wo Kronprinz Fritz ſein Arbeitszimmer gehabt hatte. „Dort hat er gewohnt,“ ſagte von der Nonne. „Wie begrenzt iſt doch unſer Können. Mir weckt der Anblick ſolcher Fridericianiſchen Stätten immer ein Schmerz¬ gefühl über das Unzulängliche des Menſchlichen über¬ haupt, freilich auch wieder ein Hochgefühl, daß wir dieſer Unzulänglichkeit und Schwäche Herr werden können. Tod, wo iſt dein Stachel, Hölle, wo iſt dein Sieg? Dieſer König. Er war ein großer Geiſt, gewiß; aber doch auch ein verirrter Geiſt. Und je patriotiſcher wir fühlen, je ſchmerzlicher berührt uns die Frage nach dem Heil ſeiner Seele. Die Seelenmeſſen — das empfind' ich in ſolchem Augenblicke — ſind doch eine wirklich troſtſpendende Seite des Katholizismus, und daß es (ſelbſtverſtändlich unter Gewähr eines höchſten Willens) in die Macht Überlebender gelegt iſt, eine Seele frei zu beten, das iſt und bleibt eine große Sache.“ „Nonne,“ ſagte Molchow, „machen Sie ſich nicht komiſch. Was haben Sie für 'ne Vorſtellung vom lieben Fontane, Der Stechlin. 16

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/248>, abgerufen am 21.11.2024.