wir liegen darüber seit Jahr und Tag in einer ernsten Fehde. Glücklicherweise unsre einzige. Nicht wahr Krippen¬ stapel?"
Dieser lächelte und verbeugte sich.
"Die beiden Damen," fuhr Dubslav fort, "mögen aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte, die freie Wissenschaft hier in meinem Museum in Banden zu schlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann also nur wieder¬ holen: ,Krippenstapel, Sie haben das Wort'. Und nun, bitte, setzen Sie den Damen Ihrerseits auseinander, warum es nach ganz bestimmten Begleiterscheinungen ein Derff¬ lingerscher nicht sein kann. Bilderbücher aus der Zeit her hat man nicht, und die großen Gobelins lassen einen im Stich und beweisen gar nichts."
Unter diesen Worten hatte Krippenstapel die den Gegenstand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die Hand genommen, und als er sah, daß die Gräfin, -- die, wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch so gefürchteten ,Fliegentöter' längst in ihr Herz geschlossen hatte -- ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬ machung seines Standpunkts auch nicht lange mehr warten und sagte: "Ja, Frau Gräfin, der Streit schwebt nun schon so lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben, und Herr von Stechlin wäre wohl schon längst in das gegnerische Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband stehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wissenschaft¬ lichen Ereiferung seine beständige Freude hätte. Tuche¬ band, einer unsrer Besten und ein Mann, der nicht leicht vorbei schießt, hat auch in dieser Frage gleich das Richtige getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen, von wo diese Wetterfahne stammt. Sie stammt aus dem wenigstens damals noch der alten Familie von Mörner zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment aber, das sich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete, war das Dragoner-Regiment Mörner. Es ist also kein
wir liegen darüber ſeit Jahr und Tag in einer ernſten Fehde. Glücklicherweiſe unſre einzige. Nicht wahr Krippen¬ ſtapel?“
Dieſer lächelte und verbeugte ſich.
„Die beiden Damen,“ fuhr Dubslav fort, „mögen aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte, die freie Wiſſenſchaft hier in meinem Muſeum in Banden zu ſchlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann alſo nur wieder¬ holen: ‚Krippenſtapel, Sie haben das Wort‘. Und nun, bitte, ſetzen Sie den Damen Ihrerſeits auseinander, warum es nach ganz beſtimmten Begleiterſcheinungen ein Derff¬ lingerſcher nicht ſein kann. Bilderbücher aus der Zeit her hat man nicht, und die großen Gobelins laſſen einen im Stich und beweiſen gar nichts.“
Unter dieſen Worten hatte Krippenſtapel die den Gegenſtand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die Hand genommen, und als er ſah, daß die Gräfin, — die, wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch ſo gefürchteten ‚Fliegentöter‘ längſt in ihr Herz geſchloſſen hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬ machung ſeines Standpunkts auch nicht lange mehr warten und ſagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit ſchwebt nun ſchon ſo lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben, und Herr von Stechlin wäre wohl ſchon längſt in das gegneriſche Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband ſtehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wiſſenſchaft¬ lichen Ereiferung ſeine beſtändige Freude hätte. Tuche¬ band, einer unſrer Beſten und ein Mann, der nicht leicht vorbei ſchießt, hat auch in dieſer Frage gleich das Richtige getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen, von wo dieſe Wetterfahne ſtammt. Sie ſtammt aus dem wenigſtens damals noch der alten Familie von Mörner zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment aber, das ſich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete, war das Dragoner-Regiment Mörner. Es iſt alſo kein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0371"n="364"/>
wir liegen darüber ſeit Jahr und Tag in einer ernſten<lb/>
Fehde. Glücklicherweiſe unſre einzige. Nicht wahr Krippen¬<lb/>ſtapel?“</p><lb/><p>Dieſer lächelte und verbeugte ſich.</p><lb/><p>„Die beiden Damen,“ fuhr Dubslav fort, „mögen<lb/>
aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte,<lb/>
die freie Wiſſenſchaft hier in meinem Muſeum in Banden<lb/>
zu ſchlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann alſo nur wieder¬<lb/>
holen: ‚Krippenſtapel, Sie haben das Wort‘. Und nun, bitte,<lb/>ſetzen Sie den Damen Ihrerſeits auseinander, warum es<lb/>
nach ganz beſtimmten Begleiterſcheinungen ein Derff¬<lb/>
lingerſcher <hirendition="#g">nicht</hi>ſein kann. Bilderbücher aus der Zeit<lb/>
her hat man nicht, und die großen Gobelins laſſen einen<lb/>
im Stich und beweiſen gar nichts.“</p><lb/><p>Unter dieſen Worten hatte Krippenſtapel die den<lb/>
Gegenſtand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die<lb/>
Hand genommen, und als er ſah, daß die Gräfin, — die,<lb/>
wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch<lb/>ſo gefürchteten ‚Fliegentöter‘ längſt in ihr Herz geſchloſſen<lb/>
hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬<lb/>
machung ſeines Standpunkts auch nicht lange mehr warten<lb/>
und ſagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit ſchwebt nun<lb/>ſchon ſo lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben,<lb/>
und Herr von Stechlin wäre wohl ſchon längſt in das<lb/>
gegneriſche Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband<lb/>ſtehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wiſſenſchaft¬<lb/>
lichen Ereiferung ſeine beſtändige Freude hätte. Tuche¬<lb/>
band, einer unſrer Beſten und ein Mann, der nicht leicht<lb/>
vorbei ſchießt, hat auch in dieſer Frage gleich das Richtige<lb/>
getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen,<lb/>
von wo dieſe Wetterfahne ſtammt. Sie ſtammt aus dem<lb/>
wenigſtens damals noch der alten Familie von Mörner<lb/>
zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment<lb/>
aber, das ſich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete,<lb/>
war das Dragoner-Regiment Mörner. Es iſt alſo kein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[364/0371]
wir liegen darüber ſeit Jahr und Tag in einer ernſten
Fehde. Glücklicherweiſe unſre einzige. Nicht wahr Krippen¬
ſtapel?“
Dieſer lächelte und verbeugte ſich.
„Die beiden Damen,“ fuhr Dubslav fort, „mögen
aber nicht etwa glauben, daß ich mich für berechtigt halte,
die freie Wiſſenſchaft hier in meinem Muſeum in Banden
zu ſchlagen. Grad' umgekehrt. Ich kann alſo nur wieder¬
holen: ‚Krippenſtapel, Sie haben das Wort‘. Und nun, bitte,
ſetzen Sie den Damen Ihrerſeits auseinander, warum es
nach ganz beſtimmten Begleiterſcheinungen ein Derff¬
lingerſcher nicht ſein kann. Bilderbücher aus der Zeit
her hat man nicht, und die großen Gobelins laſſen einen
im Stich und beweiſen gar nichts.“
Unter dieſen Worten hatte Krippenſtapel die den
Gegenſtand des Streits bildende Wetterfahne wieder in die
Hand genommen, und als er ſah, daß die Gräfin, — die,
wie das in ihrer Natur lag, den vor zehn Minuten noch
ſo gefürchteten ‚Fliegentöter‘ längſt in ihr Herz geſchloſſen
hatte — ihm freundlich zunickte, ließ er auf Geltend¬
machung ſeines Standpunkts auch nicht lange mehr warten
und ſagte: „Ja, Frau Gräfin, der Streit ſchwebt nun
ſchon ſo lange, wie wir den Dragoner überhaupt haben,
und Herr von Stechlin wäre wohl ſchon längſt in das
gegneriſche Lager, in dem ich und Oberlehrer Tucheband
ſtehn, übergegangen, wenn er nicht an meiner wiſſenſchaft¬
lichen Ereiferung ſeine beſtändige Freude hätte. Tuche¬
band, einer unſrer Beſten und ein Mann, der nicht leicht
vorbei ſchießt, hat auch in dieſer Frage gleich das Richtige
getroffen. Er hat nämlich den Ort in Erwägung gezogen,
von wo dieſe Wetterfahne ſtammt. Sie ſtammt aus dem
wenigſtens damals noch der alten Familie von Mörner
zugehörigen Dorfe Zellin in der Neumark. Das Regiment
aber, das ſich bei Fehrbellin vor allen andern auszeichnete,
war das Dragoner-Regiment Mörner. Es iſt alſo kein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/371>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.