gerade solchen Häusern hab' ich meine beste Zeit verbracht, als ich noch ein Quack war, höchstens vierzehn. Und so grausam wild. Damals waren nämlich noch die Rinnsteine, und wenn es dann regnete und alles über¬ schwemmt war und die Bretter anfingen, sich zu heben, und schon so halb herumschwammen, und die Ratten, die da drunter steckten, nicht mehr wußten, wo sie hin sollten, dann sprangen wir auf die Bohlen rauf, und nun die Biester 'raus, links und rechts, und die Jungens hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit seinen Holzpantinen immer drauf losschlug, da wurde das Un¬ tier falsch und biß den Jungen so, daß er schrie! Nein, so hab' ich noch keinen Menschen wieder schreien hören. Und es war auch fürchterlich."
"Ja, das ist es. Und da helfen bloß Rattenfänger."
"Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört -- Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch nicht mehr."
"Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr, wenigstens nicht mehr solche Hexenmeister mit Zauber¬ spruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menschen, die dergleichen als Metier betreiben und sich in den Zeitungen anzeigen, unheimliche Gesichter mit einer Pelzkappe. Was ich meine, sind bloß Pinscher, die nebenher auch noch ,Rattenfänger' heißen und es auch wirklich sind. Und mit einem solchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das ist eigentlich das Schönste, was es giebt."
"Aber mit einem Pinscher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!"
"Doch, doch, meine gnädigste Frau. Als ich in Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert), da bin ich mit 'runtergestiegen in die sogenannten Kata¬ komben, hochgewölbte Kanäle, die sich unter der Erde
gerade ſolchen Häuſern hab' ich meine beſte Zeit verbracht, als ich noch ein Quack war, höchſtens vierzehn. Und ſo grauſam wild. Damals waren nämlich noch die Rinnſteine, und wenn es dann regnete und alles über¬ ſchwemmt war und die Bretter anfingen, ſich zu heben, und ſchon ſo halb herumſchwammen, und die Ratten, die da drunter ſteckten, nicht mehr wußten, wo ſie hin ſollten, dann ſprangen wir auf die Bohlen rauf, und nun die Bieſter 'raus, links und rechts, und die Jungens hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit ſeinen Holzpantinen immer drauf losſchlug, da wurde das Un¬ tier falſch und biß den Jungen ſo, daß er ſchrie! Nein, ſo hab' ich noch keinen Menſchen wieder ſchreien hören. Und es war auch fürchterlich.“
„Ja, das iſt es. Und da helfen bloß Rattenfänger.“
„Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört — Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch nicht mehr.“
„Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr, wenigſtens nicht mehr ſolche Hexenmeiſter mit Zauber¬ ſpruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menſchen, die dergleichen als Metier betreiben und ſich in den Zeitungen anzeigen, unheimliche Geſichter mit einer Pelzkappe. Was ich meine, ſind bloß Pinſcher, die nebenher auch noch ‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich ſind. Und mit einem ſolchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das iſt eigentlich das Schönſte, was es giebt.“
„Aber mit einem Pinſcher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!“
„Doch, doch, meine gnädigſte Frau. Als ich in Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert), da bin ich mit 'runtergeſtiegen in die ſogenannten Kata¬ komben, hochgewölbte Kanäle, die ſich unter der Erde
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0046"n="39"/>
gerade ſolchen Häuſern hab' ich meine beſte Zeit verbracht,<lb/>
als ich noch ein Quack war, höchſtens vierzehn. Und<lb/>ſo grauſam wild. Damals waren nämlich noch die<lb/>
Rinnſteine, und wenn es dann regnete und alles über¬<lb/>ſchwemmt war und die Bretter anfingen, ſich zu heben,<lb/>
und ſchon ſo halb herumſchwammen, und die Ratten,<lb/>
die da drunter ſteckten, nicht mehr wußten, wo ſie hin<lb/>ſollten, dann ſprangen wir auf die Bohlen rauf, und<lb/>
nun die Bieſter 'raus, links und rechts, und die Jungens<lb/>
hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und<lb/>
einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit ſeinen<lb/>
Holzpantinen immer drauf losſchlug, da wurde das Un¬<lb/>
tier falſch und biß den Jungen ſo, daß er ſchrie! Nein,<lb/>ſo hab' ich noch keinen Menſchen wieder ſchreien hören.<lb/>
Und es war auch fürchterlich.“</p><lb/><p>„Ja, das iſt es. Und da helfen bloß Rattenfänger.“<lb/></p><p>„Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört<lb/>— Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch<lb/>
nicht mehr.“</p><lb/><p>„Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr,<lb/>
wenigſtens nicht mehr ſolche Hexenmeiſter mit Zauber¬<lb/>ſpruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine<lb/>
ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menſchen,<lb/>
die dergleichen als Metier betreiben und ſich in den Zeitungen<lb/>
anzeigen, unheimliche Geſichter mit einer Pelzkappe. Was<lb/>
ich meine, ſind bloß Pinſcher, die nebenher auch noch<lb/>‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich ſind. Und<lb/>
mit einem ſolchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das<lb/>
iſt eigentlich das Schönſte, was es giebt.“</p><lb/><p>„Aber mit einem Pinſcher kann man doch nicht<lb/>
auf die Jagd gehen!“</p><lb/><p>„Doch, doch, meine gnädigſte Frau. Als ich in<lb/>
Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert),<lb/>
da bin ich mit 'runtergeſtiegen in die ſogenannten Kata¬<lb/>
komben, hochgewölbte Kanäle, die ſich unter der Erde<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0046]
gerade ſolchen Häuſern hab' ich meine beſte Zeit verbracht,
als ich noch ein Quack war, höchſtens vierzehn. Und
ſo grauſam wild. Damals waren nämlich noch die
Rinnſteine, und wenn es dann regnete und alles über¬
ſchwemmt war und die Bretter anfingen, ſich zu heben,
und ſchon ſo halb herumſchwammen, und die Ratten,
die da drunter ſteckten, nicht mehr wußten, wo ſie hin
ſollten, dann ſprangen wir auf die Bohlen rauf, und
nun die Bieſter 'raus, links und rechts, und die Jungens
hinterher, immer aufgekrempelt und ganz nackigt. Und
einmal, weil der eine Junge nicht abließ und mit ſeinen
Holzpantinen immer drauf losſchlug, da wurde das Un¬
tier falſch und biß den Jungen ſo, daß er ſchrie! Nein,
ſo hab' ich noch keinen Menſchen wieder ſchreien hören.
Und es war auch fürchterlich.“
„Ja, das iſt es. Und da helfen bloß Rattenfänger.“
„Ja, Rattenfänger, davon hab' ich auch gehört
— Rattenfänger von Hameln. Aber die giebt es doch
nicht mehr.“
„Nein, gnädige Frau, die giebt es nicht mehr,
wenigſtens nicht mehr ſolche Hexenmeiſter mit Zauber¬
ſpruch und einer Pfeife zum pfeifen. Aber die meine
ich auch gar nicht. Ich meine überhaupt nicht Menſchen,
die dergleichen als Metier betreiben und ſich in den Zeitungen
anzeigen, unheimliche Geſichter mit einer Pelzkappe. Was
ich meine, ſind bloß Pinſcher, die nebenher auch noch
‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich ſind. Und
mit einem ſolchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das
iſt eigentlich das Schönſte, was es giebt.“
„Aber mit einem Pinſcher kann man doch nicht
auf die Jagd gehen!“
„Doch, doch, meine gnädigſte Frau. Als ich in
Paris war (ich war da nämlich mal hinkommandiert),
da bin ich mit 'runtergeſtiegen in die ſogenannten Kata¬
komben, hochgewölbte Kanäle, die ſich unter der Erde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/46>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.