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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Strickzeug in der Hand. Solch junges Ding wie du
muß immer was zu thun haben, sonst kommt sie auf
dumme Gedanken. Nicht wahr?"

Agnes knickste wieder, und da sie sah, daß ihr der
Alte weiter nichts zu sagen hatte, ging sie bis an das
ihr bezeichnete Fenster, dran ein länglicher Eichentisch
stand, und fing an zu stricken. Es war ein sehr langer
Strumpf, brandrot und, nach seiner Schmalheit zu
schließen, für sie selbst bestimmt.

Sie war noch nicht lange bei der Arbeit, als Adel¬
heid eintrat und auf ihren im Lehnstuhl sitzenden Bruder
zuschritt. Bei der geringen Helle, die herrschte, traf
sich's, daß sie von dem Gast am Fenster nicht recht was
wahrnahm. Erst als Engelke mit dem Frühstück kam
und die plötzlich geöffnete Thür mehr Licht einfallen
ließ, bemerkte sie das Kind und sagte: "Da sitzt ja wer.
Wer ist denn das?"

"Das ist Agnes, das Enkelkind von der Buschen."

Adelheid bewahrte mit Mühe Haltung. Als sie sich
wieder zurechtgefunden, sagte sie: "So, Agnes. Das
Kind von der Karline?"

Dubslav nickte.

"Das ist mir ja 'ne Überraschung. Und wo hast
du sie denn, seit ich hier bin, versteckt gehalten? Ich
habe sie ja die ganze Woche über noch nicht gesehn."

"Konntest du auch nicht, Adelheid; sie ist erst seit
gestern Abend hier. Mit Engelke ging das nicht mehr,
wenigstens nicht auf die Dauer. Er ist ja so alt wie
ich. Und immer 'raus in der Nacht und 'rauf und
'runter und mich umdrehn und heben. Das konnt' ich
nich mehr mit ansehn."

"Und da hast du dir die Agnes kommen lassen?
Die soll dich nun 'rumdrehn und heben? Das Kind,
das Wurm. Haha. Was du dir doch alles für Ge¬
schichten machst."

Strickzeug in der Hand. Solch junges Ding wie du
muß immer was zu thun haben, ſonſt kommt ſie auf
dumme Gedanken. Nicht wahr?“

Agnes knickſte wieder, und da ſie ſah, daß ihr der
Alte weiter nichts zu ſagen hatte, ging ſie bis an das
ihr bezeichnete Fenſter, dran ein länglicher Eichentiſch
ſtand, und fing an zu ſtricken. Es war ein ſehr langer
Strumpf, brandrot und, nach ſeiner Schmalheit zu
ſchließen, für ſie ſelbſt beſtimmt.

Sie war noch nicht lange bei der Arbeit, als Adel¬
heid eintrat und auf ihren im Lehnſtuhl ſitzenden Bruder
zuſchritt. Bei der geringen Helle, die herrſchte, traf
ſich's, daß ſie von dem Gaſt am Fenſter nicht recht was
wahrnahm. Erſt als Engelke mit dem Frühſtück kam
und die plötzlich geöffnete Thür mehr Licht einfallen
ließ, bemerkte ſie das Kind und ſagte: „Da ſitzt ja wer.
Wer iſt denn das?“

„Das iſt Agnes, das Enkelkind von der Buſchen.“

Adelheid bewahrte mit Mühe Haltung. Als ſie ſich
wieder zurechtgefunden, ſagte ſie: „So, Agnes. Das
Kind von der Karline?“

Dubslav nickte.

„Das iſt mir ja 'ne Überraſchung. Und wo haſt
du ſie denn, ſeit ich hier bin, verſteckt gehalten? Ich
habe ſie ja die ganze Woche über noch nicht geſehn.“

„Konnteſt du auch nicht, Adelheid; ſie iſt erſt ſeit
geſtern Abend hier. Mit Engelke ging das nicht mehr,
wenigſtens nicht auf die Dauer. Er iſt ja ſo alt wie
ich. Und immer 'raus in der Nacht und 'rauf und
'runter und mich umdrehn und heben. Das konnt' ich
nich mehr mit anſehn.“

„Und da haſt du dir die Agnes kommen laſſen?
Die ſoll dich nun 'rumdrehn und heben? Das Kind,
das Wurm. Haha. Was du dir doch alles für Ge¬
ſchichten machſt.“

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[464/0471] Strickzeug in der Hand. Solch junges Ding wie du muß immer was zu thun haben, ſonſt kommt ſie auf dumme Gedanken. Nicht wahr?“ Agnes knickſte wieder, und da ſie ſah, daß ihr der Alte weiter nichts zu ſagen hatte, ging ſie bis an das ihr bezeichnete Fenſter, dran ein länglicher Eichentiſch ſtand, und fing an zu ſtricken. Es war ein ſehr langer Strumpf, brandrot und, nach ſeiner Schmalheit zu ſchließen, für ſie ſelbſt beſtimmt. Sie war noch nicht lange bei der Arbeit, als Adel¬ heid eintrat und auf ihren im Lehnſtuhl ſitzenden Bruder zuſchritt. Bei der geringen Helle, die herrſchte, traf ſich's, daß ſie von dem Gaſt am Fenſter nicht recht was wahrnahm. Erſt als Engelke mit dem Frühſtück kam und die plötzlich geöffnete Thür mehr Licht einfallen ließ, bemerkte ſie das Kind und ſagte: „Da ſitzt ja wer. Wer iſt denn das?“ „Das iſt Agnes, das Enkelkind von der Buſchen.“ Adelheid bewahrte mit Mühe Haltung. Als ſie ſich wieder zurechtgefunden, ſagte ſie: „So, Agnes. Das Kind von der Karline?“ Dubslav nickte. „Das iſt mir ja 'ne Überraſchung. Und wo haſt du ſie denn, ſeit ich hier bin, verſteckt gehalten? Ich habe ſie ja die ganze Woche über noch nicht geſehn.“ „Konnteſt du auch nicht, Adelheid; ſie iſt erſt ſeit geſtern Abend hier. Mit Engelke ging das nicht mehr, wenigſtens nicht auf die Dauer. Er iſt ja ſo alt wie ich. Und immer 'raus in der Nacht und 'rauf und 'runter und mich umdrehn und heben. Das konnt' ich nich mehr mit anſehn.“ „Und da haſt du dir die Agnes kommen laſſen? Die ſoll dich nun 'rumdrehn und heben? Das Kind, das Wurm. Haha. Was du dir doch alles für Ge¬ ſchichten machſt.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/471>, abgerufen am 22.11.2024.