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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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es nicht was ganz Dienstliches is, so nehmen Sie den
Stuhl da."

Uncke trat auch näher, nahm aber keinen Stuhl
und sagte: "Herr Major wollen entschuldigen. Ich komme
so bloß ... Der alte Baruch Hirschfeld hat mir erzählt,
und die alte Buschen hat mir erzählt ..."

"Ach so, von wegen meiner Füße."

"Zu Befehl, Herr Major."

"Ja, Uncke, wollte Gott es stünde besser. Immer
denk' ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ,nu wird es'.
Aber es will nicht mehr; es hilft immer bloß drei Tage.
Die Buschen hilft nicht mehr, und Krippenstapel hilft
nicht mehr, und Sponholz hilft schon lange nicht mehr;
der kutschiert so in der Welt 'rum. Bleibt also bloß
noch der liebe Gott."

Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopfbewegung,
die seine respektvolle Stellung (aber doch auch nicht
mehr) zum lieben Gott ausdrücken sollte. Dubslav sah
es und erheiterte sich. Dann fuhr er in rasch wachsender
guter Laune fort: "Ja, Uncke, mir haben so manchen
Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück --
sind noch einer von den alten. Und der Pyterke auch.
Was macht er denn?"

"Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; schneidig,"
und dabei rückte er sich selbst zurecht, wie wenn er die
überlegene Stattlichkeit seines Kollegen wenigstens an¬
deuten wolle.

Dubslav verstand es auch so und sagte: "Ja, der
Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Und Sie, Uncke
ja, Sie müssen laufen wie 'n Landbriefträger. Es hat
aber auch sein Gutes; zu Fuß macht geschmeidig, zu
Pferde macht steif. Und macht auch faul. Und über¬
haupt, Gebrüder Beeneke is schon immer das Beste. Da
kann man nicht zu Fall kommen. Aber jeder will
heutzutage hoch 'raus. Das is, was sie jetzt die ,Signa¬

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es nicht was ganz Dienſtliches is, ſo nehmen Sie den
Stuhl da.“

Uncke trat auch näher, nahm aber keinen Stuhl
und ſagte: „Herr Major wollen entſchuldigen. Ich komme
ſo bloß ... Der alte Baruch Hirſchfeld hat mir erzählt,
und die alte Buſchen hat mir erzählt ...“

„Ach ſo, von wegen meiner Füße.“

„Zu Befehl, Herr Major.“

„Ja, Uncke, wollte Gott es ſtünde beſſer. Immer
denk' ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ‚nu wird es‘.
Aber es will nicht mehr; es hilft immer bloß drei Tage.
Die Buſchen hilft nicht mehr, und Krippenſtapel hilft
nicht mehr, und Sponholz hilft ſchon lange nicht mehr;
der kutſchiert ſo in der Welt 'rum. Bleibt alſo bloß
noch der liebe Gott.“

Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopfbewegung,
die ſeine reſpektvolle Stellung (aber doch auch nicht
mehr) zum lieben Gott ausdrücken ſollte. Dubslav ſah
es und erheiterte ſich. Dann fuhr er in raſch wachſender
guter Laune fort: „Ja, Uncke, mir haben ſo manchen
Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück —
ſind noch einer von den alten. Und der Pyterke auch.
Was macht er denn?“

„Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; ſchneidig,“
und dabei rückte er ſich ſelbſt zurecht, wie wenn er die
überlegene Stattlichkeit ſeines Kollegen wenigſtens an¬
deuten wolle.

Dubslav verſtand es auch ſo und ſagte: „Ja, der
Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Und Sie, Uncke
ja, Sie müſſen laufen wie 'n Landbriefträger. Es hat
aber auch ſein Gutes; zu Fuß macht geſchmeidig, zu
Pferde macht ſteif. Und macht auch faul. Und über¬
haupt, Gebrüder Beeneke is ſchon immer das Beſte. Da
kann man nicht zu Fall kommen. Aber jeder will
heutzutage hoch 'raus. Das is, was ſie jetzt die ‚Signa¬

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[483/0490] es nicht was ganz Dienſtliches is, ſo nehmen Sie den Stuhl da.“ Uncke trat auch näher, nahm aber keinen Stuhl und ſagte: „Herr Major wollen entſchuldigen. Ich komme ſo bloß ... Der alte Baruch Hirſchfeld hat mir erzählt, und die alte Buſchen hat mir erzählt ...“ „Ach ſo, von wegen meiner Füße.“ „Zu Befehl, Herr Major.“ „Ja, Uncke, wollte Gott es ſtünde beſſer. Immer denk' ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ‚nu wird es‘. Aber es will nicht mehr; es hilft immer bloß drei Tage. Die Buſchen hilft nicht mehr, und Krippenſtapel hilft nicht mehr, und Sponholz hilft ſchon lange nicht mehr; der kutſchiert ſo in der Welt 'rum. Bleibt alſo bloß noch der liebe Gott.“ Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopfbewegung, die ſeine reſpektvolle Stellung (aber doch auch nicht mehr) zum lieben Gott ausdrücken ſollte. Dubslav ſah es und erheiterte ſich. Dann fuhr er in raſch wachſender guter Laune fort: „Ja, Uncke, mir haben ſo manchen Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück — ſind noch einer von den alten. Und der Pyterke auch. Was macht er denn?“ „Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; ſchneidig,“ und dabei rückte er ſich ſelbſt zurecht, wie wenn er die überlegene Stattlichkeit ſeines Kollegen wenigſtens an¬ deuten wolle. Dubslav verſtand es auch ſo und ſagte: „Ja, der Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Und Sie, Uncke ja, Sie müſſen laufen wie 'n Landbriefträger. Es hat aber auch ſein Gutes; zu Fuß macht geſchmeidig, zu Pferde macht ſteif. Und macht auch faul. Und über¬ haupt, Gebrüder Beeneke is ſchon immer das Beſte. Da kann man nicht zu Fall kommen. Aber jeder will heutzutage hoch 'raus. Das is, was ſie jetzt die ‚Signa¬ 31*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/490>, abgerufen am 22.11.2024.