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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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Reiz, meine teure Freundin, daß Sie nicht einmal
wissen, wie gut Sie sind und welch stille Macht Sie
über mich üben."

Er hatte fast mit Bewegung gespochen, und das
Auge der schönen Frau leuchtete, während ihre Hand
in der seinen zitterte. Rasch aber nahm sie den
scherzhaften Ton wieder auf und sagte: "Wie gut Sie
zu sprechen verstehen. Wissen Sie wohl, so gut spricht
man nur aus der Verschuldung heraus."

"Oder aus dem Herzen. Aber lassen wirs bei
der Verschuldung, die nach Sühne verlangt. Und zu¬
nächst nach Beichte. Deshalb kam ich gestern. Ich
hatte vergessen, daß Ihr Empfangsabend war, und
erschrak fast, als ich Bülow sah und diesen aufgedun¬
senen Roturier, den Sander. Wie kommt er nur in
Ihre Gesellschaft?"

"Er ist der Schatten Bülows."

"Ein sonderbarer Schatten, der dreimal schwerer
wiegt als der Gegenstand, der ihn wirft. Ein wahres
Mammuth. Nur seine Frau soll ihn noch übertreffen,
weshalb ich neulich spöttisch erzählen hörte, ,Sander,
wenn er seine Brunnenpromenade vorhabe, gehe nur
dreimal um seine Frau herum.' Und dieser Mann
Bülows Schatten! Wenn Sie lieber sagten, sein Sancho
Pansa . ."

"So nehmen Sie Bülow selbst als Don Quixote?"

"Ja, meine Gnädigste . . Sie wissen, daß es

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Reiz, meine teure Freundin, daß Sie nicht einmal
wiſſen, wie gut Sie ſind und welch ſtille Macht Sie
über mich üben.“

Er hatte faſt mit Bewegung geſpochen, und das
Auge der ſchönen Frau leuchtete, während ihre Hand
in der ſeinen zitterte. Raſch aber nahm ſie den
ſcherzhaften Ton wieder auf und ſagte: „Wie gut Sie
zu ſprechen verſtehen. Wiſſen Sie wohl, ſo gut ſpricht
man nur aus der Verſchuldung heraus.“

„Oder aus dem Herzen. Aber laſſen wirs bei
der Verſchuldung, die nach Sühne verlangt. Und zu¬
nächſt nach Beichte. Deshalb kam ich geſtern. Ich
hatte vergeſſen, daß Ihr Empfangsabend war, und
erſchrak faſt, als ich Bülow ſah und dieſen aufgedun¬
ſenen Roturier, den Sander. Wie kommt er nur in
Ihre Geſellſchaft?“

„Er iſt der Schatten Bülows.“

„Ein ſonderbarer Schatten, der dreimal ſchwerer
wiegt als der Gegenſtand, der ihn wirft. Ein wahres
Mammuth. Nur ſeine Frau ſoll ihn noch übertreffen,
weshalb ich neulich ſpöttiſch erzählen hörte, ‚Sander,
wenn er ſeine Brunnenpromenade vorhabe, gehe nur
dreimal um ſeine Frau herum.‘ Und dieſer Mann
Bülows Schatten! Wenn Sie lieber ſagten, ſein Sancho
Panſa . .“

„So nehmen Sie Bülow ſelbſt als Don Quixote?“

„Ja, meine Gnädigſte . . Sie wiſſen, daß es

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[49/0061] Reiz, meine teure Freundin, daß Sie nicht einmal wiſſen, wie gut Sie ſind und welch ſtille Macht Sie über mich üben.“ Er hatte faſt mit Bewegung geſpochen, und das Auge der ſchönen Frau leuchtete, während ihre Hand in der ſeinen zitterte. Raſch aber nahm ſie den ſcherzhaften Ton wieder auf und ſagte: „Wie gut Sie zu ſprechen verſtehen. Wiſſen Sie wohl, ſo gut ſpricht man nur aus der Verſchuldung heraus.“ „Oder aus dem Herzen. Aber laſſen wirs bei der Verſchuldung, die nach Sühne verlangt. Und zu¬ nächſt nach Beichte. Deshalb kam ich geſtern. Ich hatte vergeſſen, daß Ihr Empfangsabend war, und erſchrak faſt, als ich Bülow ſah und dieſen aufgedun¬ ſenen Roturier, den Sander. Wie kommt er nur in Ihre Geſellſchaft?“ „Er iſt der Schatten Bülows.“ „Ein ſonderbarer Schatten, der dreimal ſchwerer wiegt als der Gegenſtand, der ihn wirft. Ein wahres Mammuth. Nur ſeine Frau ſoll ihn noch übertreffen, weshalb ich neulich ſpöttiſch erzählen hörte, ‚Sander, wenn er ſeine Brunnenpromenade vorhabe, gehe nur dreimal um ſeine Frau herum.‘ Und dieſer Mann Bülows Schatten! Wenn Sie lieber ſagten, ſein Sancho Panſa . .“ „So nehmen Sie Bülow ſelbſt als Don Quixote?“ „Ja, meine Gnädigſte . . Sie wiſſen, daß es 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/61>, abgerufen am 26.11.2024.