seinen starken Preußen-Antagonismus in übrigens nie verletzender Weise gegen mich auszulassen. Er erkundigte sich regelmäßig bei mir nach den Schicksalen der "jroßen Nation" oder fragte mich "ob es wahr sei, daß Kaiser Nikolaus wieder auf einer Inspektionsreise sei, um nachzusehen, ob sein ,Unterknäs Friedrich Wilhelm der Vierte' mittlerweile keine Dummheiten gemacht habe".
Viel interessanter war Dr. Adler, überhaupt das Prachtstück unter denen, die die Doktorbörse besuchten. Er galt auch bei den eigenen Kollegen, was immer was sagen will, als der Klügste, vielleicht sogar als Arzt, sicherlich aber als Mensch. Nebenher stand er leider in den Anfängen des Delirium tremens. Natürlich war er auch Dichter, - sogar ein sehr guter - was meine nähere Bekanntschaft mit ihm herbeiführte. Er hatte damals Thomas Moore's "Paradies und Peri" übersetzt und trug mir spät abends, wo wenig zu thun und ein Unterbrochenwerden von Seiten des Publikums fast ausgeschlossen war, die ganze Dichtung vor. Er ging dabei, seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet, beständig auf und ab, hingerissen vom Wohlklang der Strophen und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst. All dies führte bald dazu, daß ich ihn eines Tages bat, ihm
seinen starken Preußen-Antagonismus in übrigens nie verletzender Weise gegen mich auszulassen. Er erkundigte sich regelmäßig bei mir nach den Schicksalen der „jroßen Nation“ oder fragte mich „ob es wahr sei, daß Kaiser Nikolaus wieder auf einer Inspektionsreise sei, um nachzusehen, ob sein ‚Unterknäs Friedrich Wilhelm der Vierte‘ mittlerweile keine Dummheiten gemacht habe“.
Viel interessanter war Dr. Adler, überhaupt das Prachtstück unter denen, die die Doktorbörse besuchten. Er galt auch bei den eigenen Kollegen, was immer was sagen will, als der Klügste, vielleicht sogar als Arzt, sicherlich aber als Mensch. Nebenher stand er leider in den Anfängen des Delirium tremens. Natürlich war er auch Dichter, – sogar ein sehr guter – was meine nähere Bekanntschaft mit ihm herbeiführte. Er hatte damals Thomas Moore’s „Paradies und Peri“ übersetzt und trug mir spät abends, wo wenig zu thun und ein Unterbrochenwerden von Seiten des Publikums fast ausgeschlossen war, die ganze Dichtung vor. Er ging dabei, seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet, beständig auf und ab, hingerissen vom Wohlklang der Strophen und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst. All dies führte bald dazu, daß ich ihn eines Tages bat, ihm
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seinen starken Preußen-Antagonismus in übrigens nie verletzender Weise gegen mich auszulassen. Er erkundigte sich regelmäßig bei mir nach den Schicksalen der „jroßen Nation“ oder fragte mich „ob es wahr sei, daß Kaiser Nikolaus wieder auf einer Inspektionsreise sei, um nachzusehen, ob sein ‚Unterknäs Friedrich Wilhelm der Vierte<choice><sic/><corr>‘</corr></choice> mittlerweile keine Dummheiten gemacht habe“.</p><lb/><p>Viel interessanter war <hirendition="#aq">Dr</hi>. Adler, überhaupt das Prachtstück unter denen, die die Doktorbörse besuchten. Er galt auch bei den eigenen Kollegen, was immer was sagen will, als der Klügste, vielleicht sogar als Arzt, sicherlich aber als Mensch. Nebenher stand er leider in den Anfängen des <hirendition="#aq">Delirium tremens</hi>. Natürlich war er auch Dichter, – sogar ein sehr guter – was meine nähere Bekanntschaft mit ihm herbeiführte. Er hatte damals Thomas Moore’s „<hirendition="#g">Paradies und Peri</hi>“ übersetzt und trug mir spät abends, wo wenig zu thun und ein Unterbrochenwerden von Seiten des Publikums fast ausgeschlossen war, die ganze Dichtung vor. Er ging dabei, seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet, beständig auf und ab, hingerissen vom Wohlklang der Strophen und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst. All dies führte bald dazu, daß ich ihn eines Tages bat, ihm<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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seinen starken Preußen-Antagonismus in übrigens nie verletzender Weise gegen mich auszulassen. Er erkundigte sich regelmäßig bei mir nach den Schicksalen der „jroßen Nation“ oder fragte mich „ob es wahr sei, daß Kaiser Nikolaus wieder auf einer Inspektionsreise sei, um nachzusehen, ob sein ‚Unterknäs Friedrich Wilhelm der Vierte‘ mittlerweile keine Dummheiten gemacht habe“.
Viel interessanter war Dr. Adler, überhaupt das Prachtstück unter denen, die die Doktorbörse besuchten. Er galt auch bei den eigenen Kollegen, was immer was sagen will, als der Klügste, vielleicht sogar als Arzt, sicherlich aber als Mensch. Nebenher stand er leider in den Anfängen des Delirium tremens. Natürlich war er auch Dichter, – sogar ein sehr guter – was meine nähere Bekanntschaft mit ihm herbeiführte. Er hatte damals Thomas Moore’s „Paradies und Peri“ übersetzt und trug mir spät abends, wo wenig zu thun und ein Unterbrochenwerden von Seiten des Publikums fast ausgeschlossen war, die ganze Dichtung vor. Er ging dabei, seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet, beständig auf und ab, hingerissen vom Wohlklang der Strophen und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst. All dies führte bald dazu, daß ich ihn eines Tages bat, ihm
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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