Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.anwandte, füglich auch auf mich anwenden. "Die Magnetnadel seiner Natur," so sagte Schlegel von Fouque, "zeigt nach Norden." Worin das Uebergewicht Oxfords liegt, ist schwer zu sagen. Es ist keineswegs bloß seine Architektur. Diese wird von der Gothik anderer mittelalterlicher Städte, sei's an erfinderischem Genius, sei's an innerlichem Reichtum mannigfach übertroffen und vielleicht ist überhaupt nichts da, was man, mit Ausnahme von All-Souls- und Maudlin-College, baulich als ersten Ranges bezeichnen könnte. Auch die Landschaft, so schön sie ist, hat mindestens ihresgleichen und was endlich drittens das Imponderable des Historisch-Romantischen angeht, so giebt es viele Punkte, die davon mehr haben. Aber in einer eigenartigen Mischung, richtiger noch Durchdringung von schöner Architektur, schöner Landschaft und reicher Geschichte steht es einzig da, vielleicht auch darin, daß nichts stört, nichts aus dem Rahmen fällt, daß alle "fooschen" Stellen fehlen. Eine Vornehmheit, wie ich sie für mein Gefühl sonst nirgends gefunden habe, drückt dem Ganzen den Stempel auf. Von Oxford aus ging ich nach Woodstock, um mir die Liebes- und Leidensstätte der von mir in einem jugendlichen Romanzen-Zyklus besungenen "schönen Rosamunde" anzusehen und habe dann von dem Tag an, wo anwandte, füglich auch auf mich anwenden. „Die Magnetnadel seiner Natur,“ so sagte Schlegel von Fouqué, „zeigt nach Norden.“ Worin das Uebergewicht Oxfords liegt, ist schwer zu sagen. Es ist keineswegs bloß seine Architektur. Diese wird von der Gothik anderer mittelalterlicher Städte, sei’s an erfinderischem Genius, sei’s an innerlichem Reichtum mannigfach übertroffen und vielleicht ist überhaupt nichts da, was man, mit Ausnahme von All-Souls- und Maudlin-College, baulich als ersten Ranges bezeichnen könnte. Auch die Landschaft, so schön sie ist, hat mindestens ihresgleichen und was endlich drittens das Imponderable des Historisch-Romantischen angeht, so giebt es viele Punkte, die davon mehr haben. Aber in einer eigenartigen Mischung, richtiger noch Durchdringung von schöner Architektur, schöner Landschaft und reicher Geschichte steht es einzig da, vielleicht auch darin, daß nichts stört, nichts aus dem Rahmen fällt, daß alle „fooschen“ Stellen fehlen. Eine Vornehmheit, wie ich sie für mein Gefühl sonst nirgends gefunden habe, drückt dem Ganzen den Stempel auf. Von Oxford aus ging ich nach Woodstock, um mir die Liebes- und Leidensstätte der von mir in einem jugendlichen Romanzen-Zyklus besungenen „schönen Rosamunde“ anzusehen und habe dann von dem Tag an, wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0167" n="158"/> anwandte, füglich auch auf mich anwenden. „Die Magnetnadel seiner Natur,“ so sagte Schlegel von Fouqué, „zeigt nach Norden.“ Worin das Uebergewicht Oxfords liegt, ist schwer zu sagen. Es ist keineswegs bloß seine Architektur. Diese wird von der Gothik anderer mittelalterlicher Städte, sei’s an erfinderischem Genius, sei’s an innerlichem Reichtum mannigfach übertroffen und vielleicht ist überhaupt nichts da, was man, mit Ausnahme von All-Souls- und Maudlin-College, baulich als ersten Ranges bezeichnen könnte. Auch die Landschaft, so schön sie ist, hat mindestens ihresgleichen und was endlich drittens das Imponderable des Historisch-Romantischen angeht, so giebt es viele Punkte, die davon mehr haben. Aber in einer eigenartigen Mischung, richtiger noch Durchdringung von schöner Architektur, schöner Landschaft und reicher Geschichte steht es einzig da, vielleicht auch darin, daß nichts stört, nichts aus dem Rahmen fällt, daß alle „fooschen“ Stellen fehlen. Eine Vornehmheit, wie ich sie für mein Gefühl sonst nirgends gefunden habe, drückt dem Ganzen den Stempel auf. Von Oxford aus ging ich nach Woodstock, um mir die Liebes- und Leidensstätte der von mir in einem jugendlichen Romanzen-Zyklus besungenen „schönen Rosamunde“ anzusehen und habe dann von dem Tag an, wo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0167]
anwandte, füglich auch auf mich anwenden. „Die Magnetnadel seiner Natur,“ so sagte Schlegel von Fouqué, „zeigt nach Norden.“ Worin das Uebergewicht Oxfords liegt, ist schwer zu sagen. Es ist keineswegs bloß seine Architektur. Diese wird von der Gothik anderer mittelalterlicher Städte, sei’s an erfinderischem Genius, sei’s an innerlichem Reichtum mannigfach übertroffen und vielleicht ist überhaupt nichts da, was man, mit Ausnahme von All-Souls- und Maudlin-College, baulich als ersten Ranges bezeichnen könnte. Auch die Landschaft, so schön sie ist, hat mindestens ihresgleichen und was endlich drittens das Imponderable des Historisch-Romantischen angeht, so giebt es viele Punkte, die davon mehr haben. Aber in einer eigenartigen Mischung, richtiger noch Durchdringung von schöner Architektur, schöner Landschaft und reicher Geschichte steht es einzig da, vielleicht auch darin, daß nichts stört, nichts aus dem Rahmen fällt, daß alle „fooschen“ Stellen fehlen. Eine Vornehmheit, wie ich sie für mein Gefühl sonst nirgends gefunden habe, drückt dem Ganzen den Stempel auf. Von Oxford aus ging ich nach Woodstock, um mir die Liebes- und Leidensstätte der von mir in einem jugendlichen Romanzen-Zyklus besungenen „schönen Rosamunde“ anzusehen und habe dann von dem Tag an, wo
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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