Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.viel bedeuten, aber für einen jungen Freiwilligen, der, weil er ewig unsicher ist, auch nicht recht zu befehlen versteht, ist dies eine sehr wesentliche Beschwerung der Situation. Indessen, was half es. Vorwärts also! Bei gräßlichem Wetter tappten wir hinaus. Anfangs ging alles ganz leidlich; die Leute waren traitabel und so kam der Abend heran. Ein rotblonder Westfale, Bulldoggenkopf, mit nicht allzu vielen, aber dafür desto größeren Sommersprossen im Gesicht, hatte draußen den Posten vorm Gewehr und ich ließ mir, bei einer Blaklampe, von den Leuten allerhand aus ihrer Heimat erzählen, als plötzlich ein paar Zivilisten in größter Aufregung in die Wachstube kamen und um Hülfe baten: "in einer Schifferkneipe, hart am Kanal, gehe es drunter und drüber; ein Betrunkener sei da, mit ein paar Freunden, und drangsaliere den Wirt und seine Frau." Das Lokal, um das sich's handelte, war ziemlich weit entfernt. Aber ich hatte keine Wahl und schickte also drei Mann ab, die denn auch nach einer halben Stunde wiederkamen und einen großen Kerl ablieferten, der übrigens kaum ein Kerl, sondern vielmehr ein brutaler Elegant war, gut gekleidet und sogar von einer Art Bildung. In seiner Trunkenheit entschlug er sich freilich aller Vorsicht, zu der, wie sich bald ergab, nur zu guter Grund für ihn viel bedeuten, aber für einen jungen Freiwilligen, der, weil er ewig unsicher ist, auch nicht recht zu befehlen versteht, ist dies eine sehr wesentliche Beschwerung der Situation. Indessen, was half es. Vorwärts also! Bei gräßlichem Wetter tappten wir hinaus. Anfangs ging alles ganz leidlich; die Leute waren traitabel und so kam der Abend heran. Ein rotblonder Westfale, Bulldoggenkopf, mit nicht allzu vielen, aber dafür desto größeren Sommersprossen im Gesicht, hatte draußen den Posten vorm Gewehr und ich ließ mir, bei einer Blaklampe, von den Leuten allerhand aus ihrer Heimat erzählen, als plötzlich ein paar Zivilisten in größter Aufregung in die Wachstube kamen und um Hülfe baten: „in einer Schifferkneipe, hart am Kanal, gehe es drunter und drüber; ein Betrunkener sei da, mit ein paar Freunden, und drangsaliere den Wirt und seine Frau.“ Das Lokal, um das sich’s handelte, war ziemlich weit entfernt. Aber ich hatte keine Wahl und schickte also drei Mann ab, die denn auch nach einer halben Stunde wiederkamen und einen großen Kerl ablieferten, der übrigens kaum ein Kerl, sondern vielmehr ein brutaler Elegant war, gut gekleidet und sogar von einer Art Bildung. In seiner Trunkenheit entschlug er sich freilich aller Vorsicht, zu der, wie sich bald ergab, nur zu guter Grund für ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0258" n="249"/> viel bedeuten, aber für einen jungen Freiwilligen, der, weil er ewig unsicher ist, auch nicht recht zu befehlen versteht, ist dies eine sehr wesentliche Beschwerung der Situation. Indessen, was half es. Vorwärts also! Bei gräßlichem Wetter tappten wir hinaus. Anfangs ging alles ganz leidlich; die Leute waren traitabel und so kam der Abend heran. Ein rotblonder Westfale, Bulldoggenkopf, mit nicht allzu vielen, aber dafür desto größeren Sommersprossen im Gesicht, hatte draußen den Posten vorm Gewehr und ich ließ mir, bei einer Blaklampe, von den Leuten allerhand aus ihrer Heimat erzählen, als plötzlich ein paar Zivilisten in größter Aufregung in die Wachstube kamen und um Hülfe baten: „in einer Schifferkneipe, hart am Kanal, gehe es drunter und drüber; ein Betrunkener sei da, mit ein paar Freunden, und drangsaliere den Wirt und seine Frau.“ Das Lokal, um das sich’s handelte, war ziemlich weit entfernt. Aber ich hatte keine Wahl und schickte also drei Mann ab, die denn auch nach einer halben Stunde wiederkamen und einen großen Kerl ablieferten, der übrigens kaum ein Kerl, sondern vielmehr ein brutaler Elegant war, gut gekleidet und sogar von einer Art Bildung. In seiner Trunkenheit entschlug er sich freilich aller Vorsicht, zu der, wie sich bald ergab, nur zu guter Grund für ihn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [249/0258]
viel bedeuten, aber für einen jungen Freiwilligen, der, weil er ewig unsicher ist, auch nicht recht zu befehlen versteht, ist dies eine sehr wesentliche Beschwerung der Situation. Indessen, was half es. Vorwärts also! Bei gräßlichem Wetter tappten wir hinaus. Anfangs ging alles ganz leidlich; die Leute waren traitabel und so kam der Abend heran. Ein rotblonder Westfale, Bulldoggenkopf, mit nicht allzu vielen, aber dafür desto größeren Sommersprossen im Gesicht, hatte draußen den Posten vorm Gewehr und ich ließ mir, bei einer Blaklampe, von den Leuten allerhand aus ihrer Heimat erzählen, als plötzlich ein paar Zivilisten in größter Aufregung in die Wachstube kamen und um Hülfe baten: „in einer Schifferkneipe, hart am Kanal, gehe es drunter und drüber; ein Betrunkener sei da, mit ein paar Freunden, und drangsaliere den Wirt und seine Frau.“ Das Lokal, um das sich’s handelte, war ziemlich weit entfernt. Aber ich hatte keine Wahl und schickte also drei Mann ab, die denn auch nach einer halben Stunde wiederkamen und einen großen Kerl ablieferten, der übrigens kaum ein Kerl, sondern vielmehr ein brutaler Elegant war, gut gekleidet und sogar von einer Art Bildung. In seiner Trunkenheit entschlug er sich freilich aller Vorsicht, zu der, wie sich bald ergab, nur zu guter Grund für ihn
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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