Unfähigkeit den Seelen anderer auf den Grund zu sehen, daß sich dies Hochgradige nur aus einer gewissen Unlust, "sich auf irgendwie ernste Untersuchungen einzulassen", erklären läßt. Die Meisten nehmen, so lange sich's einigermaßen mit ihrem Vorteil verträgt, alles so, wie's bequem-zugänglich obenauf liegt. Genau so war es mit dem Tunnel-Urteil über Schneider. Ich glaube nicht, daß jemand da war, der sich ernstlich mit seiner Wertfrage beschäftigt hätte. Man redete darauf los, von Voreingenommenheiten ausgehend. Es soll nicht geleugnet werden, Schneider war ein ungeheurer Faiseur, immer mußte was "gemacht", versammelt, zusammengetrommelt werden. Wer ihn gekannt, weiß das. Es gab damals ein Lustspiel "Er mengt sich in alles", dessen komische Hauptfigur den Namen Mengler führte. Solch Mengler war er. Aber wenn dies auch gelegentlich störend wirkte, so viel bleibt: er war ein wohlmeinender Mann und alle Verketzerung, der er immer wieder und wieder begegnete, lief darauf hinaus, "daß er das Heil Preußens ausschließlich in einem innigen Bündnis mit Rußland erkenne." Sein Leben, wenn wir Frankreich statt Rußland setzen, erinnert an das Lombards. Lombard war klüger, Schneider ehrlicher und überzeugter.
Unfähigkeit den Seelen anderer auf den Grund zu sehen, daß sich dies Hochgradige nur aus einer gewissen Unlust, „sich auf irgendwie ernste Untersuchungen einzulassen“, erklären läßt. Die Meisten nehmen, so lange sich’s einigermaßen mit ihrem Vorteil verträgt, alles so, wie’s bequem-zugänglich obenauf liegt. Genau so war es mit dem Tunnel-Urteil über Schneider. Ich glaube nicht, daß jemand da war, der sich ernstlich mit seiner Wertfrage beschäftigt hätte. Man redete darauf los, von Voreingenommenheiten ausgehend. Es soll nicht geleugnet werden, Schneider war ein ungeheurer Faiseur, immer mußte was „gemacht“, versammelt, zusammengetrommelt werden. Wer ihn gekannt, weiß das. Es gab damals ein Lustspiel „Er mengt sich in alles“, dessen komische Hauptfigur den Namen Mengler führte. Solch Mengler war er. Aber wenn dies auch gelegentlich störend wirkte, so viel bleibt: er war ein wohlmeinender Mann und alle Verketzerung, der er immer wieder und wieder begegnete, lief darauf hinaus, „daß er das Heil Preußens ausschließlich in einem innigen Bündnis mit Rußland erkenne.“ Sein Leben, wenn wir Frankreich statt Rußland setzen, erinnert an das Lombards. Lombard war klüger, Schneider ehrlicher und überzeugter.
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Unfähigkeit den Seelen anderer auf den Grund zu sehen, daß sich dies Hochgradige nur aus einer gewissen Unlust, „sich auf irgendwie ernste Untersuchungen einzulassen“, erklären läßt. Die Meisten nehmen, so lange sich’s einigermaßen mit ihrem Vorteil verträgt, alles so, wie’s bequem-zugänglich obenauf liegt. Genau so war es mit dem Tunnel-Urteil über Schneider. Ich glaube nicht, daß jemand da war, der sich ernstlich mit seiner Wertfrage beschäftigt hätte. Man redete darauf los, von Voreingenommenheiten ausgehend. Es soll nicht geleugnet werden, Schneider war ein ungeheurer Faiseur, immer mußte was „gemacht“, versammelt, zusammengetrommelt werden. Wer ihn gekannt, weiß das. Es gab damals ein Lustspiel „Er mengt sich in alles“, dessen komische Hauptfigur den Namen Mengler führte. Solch Mengler war er. Aber wenn dies auch gelegentlich störend wirkte, so viel bleibt: er war ein wohlmeinender Mann und alle Verketzerung, der er immer wieder und wieder begegnete, lief darauf hinaus, „daß er das Heil Preußens ausschließlich in einem innigen Bündnis mit Rußland erkenne.“ Sein Leben, wenn wir Frankreich statt Rußland setzen, erinnert an das Lombards. Lombard war klüger, Schneider ehrlicher und überzeugter.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
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Unfähigkeit den Seelen anderer auf den Grund zu sehen, daß sich dies Hochgradige nur aus einer gewissen Unlust, „sich auf irgendwie ernste Untersuchungen einzulassen“, erklären läßt. Die Meisten nehmen, so lange sich’s einigermaßen mit ihrem Vorteil verträgt, alles so, wie’s bequem-zugänglich obenauf liegt. Genau so war es mit dem Tunnel-Urteil über Schneider. Ich glaube nicht, daß jemand da war, der sich ernstlich mit seiner Wertfrage beschäftigt hätte. Man redete darauf los, von Voreingenommenheiten ausgehend. Es soll nicht geleugnet werden, Schneider war ein ungeheurer Faiseur, immer mußte was „gemacht“, versammelt, zusammengetrommelt werden. Wer ihn gekannt, weiß das. Es gab damals ein Lustspiel „Er mengt sich in alles“, dessen komische Hauptfigur den Namen Mengler führte. Solch Mengler war er. Aber wenn dies auch gelegentlich störend wirkte, so viel bleibt: er war ein wohlmeinender Mann und alle Verketzerung, der er immer wieder und wieder begegnete, lief darauf hinaus, „daß er das Heil Preußens ausschließlich in einem innigen Bündnis mit Rußland erkenne.“ Sein Leben, wenn wir Frankreich statt Rußland setzen, erinnert an das Lombards. Lombard war klüger, Schneider ehrlicher und überzeugter.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/422>, abgerufen am 27.07.2024.
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