Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.wärtigen Amt - der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es Görgei gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir - wenigstens in meinen jungen Jahren - zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther - Schwager R. Blums -, Jelinek, Dortu, Techow, Hertzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben. Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht und zwar in einem vergleichsweise neuen Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch und wenn ich von meinem Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah wärtigen Amt – der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es Görgei gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir – wenigstens in meinen jungen Jahren – zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jelinek, Dortu, Techow, Hertzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben. Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht und zwar in einem vergleichsweise neuen Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch und wenn ich von meinem Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0568" n="559"/> wärtigen Amt – der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es <hi rendition="#g">Görgei</hi> gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir – wenigstens in meinen jungen Jahren – zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jelinek, Dortu, Techow, Hertzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben.</p><lb/> <p>Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht und zwar in einem vergleichsweise <choice><sic>neuem</sic><corr>neuen</corr></choice> Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch und wenn ich von meinem Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [559/0568]
wärtigen Amt – der gerade damals in einem Seitenflügel von Sparwaldshof ein chemisches Laboratorium errichtet hatte. Sonnenschein war ein ausgezeichneter Lehrer und so ging alles ganz gut. Nebenan, in einem eigens ihm zur Verfügung gestellten Raume, war ein etwa dreißigjähriger Herr mit hellen blitzenden Augen und von sehr distinguierter Erscheinung ebenfalls mit analytischen Arbeiten beschäftigt. Seine Züge haben sich mir eingeprägt. Ich erfuhr später, daß es Görgei gewesen sei. Sichres darüber weiß ich freilich nicht. Aber es ist mir in hohem Maße wahrscheinlich, daß es Görgei war, weil es mir – wenigstens in meinen jungen Jahren – zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähnlichen Leuten in die Arme zu laufen: Robert Blum, Georg Günther – Schwager R. Blums –, Jelinek, Dortu, Techow, Hertzen, Bakunin und noch andre, die das, wofür sie kämpften, mit ihrem Leben oder mit ihrer Freiheit bezahlt haben.
Ich hatte mich, als ich meine Studien anfing, in der Dorotheenstraße seßhaft gemacht und zwar in einem vergleichsweise neuen Hause, das dem in der Turnerwelt gekannten und gefeierten Eiselen gehörte. Meine Wohnung lag zwei Treppen hoch und wenn ich von meinem Hinterzimmer aus in Schräglinie nach einer im ersten Stock gelegenen Küche sah, sah
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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