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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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Unter ihnen giebt es keinen Verklärten, den
man liebgewinnen, an dem man mit Be¬
wunderung oder mit Zärtlichkeit hangen,
auf dessen Wiedersehen man sich freuen;
keinen Verdammten, dem man das Maass
seines Verbrechens und die Gerechtigkeit
des Urtheils an der Stirne lesen, und dessen
Fall man dennoch beweinen könnte! Ich
finde zwar, indem ich mühsam mich durch
das Gewimmel der Ringenden hindurch wüh¬
le, einen schönen Engelskopf; aber dass er
nur schön, und dass es nur Einer ist: ge¬
rade das erschöpft alle Strenge des Tadels.
Von dem ganz misslungenen Michael mag
ich nichts sagen, und eben so wenig von
seinen Begleitern, die zur Unzeit in die Po¬
saune stossen, da eben der Richter des Welt¬
gerichts das Urtheil spricht. Mehr wusste
also Rubens aus diesem grossen Entwurfe,
den die Apokalypse selbst im erhabensten

Unter ihnen giebt es keinen Verklärten, den
man liebgewinnen, an dem man mit Be¬
wunderung oder mit Zärtlichkeit hangen,
auf dessen Wiedersehen man sich freuen;
keinen Verdammten, dem man das Maaſs
seines Verbrechens und die Gerechtigkeit
des Urtheils an der Stirne lesen, und dessen
Fall man dennoch beweinen könnte! Ich
finde zwar, indem ich mühsam mich durch
das Gewimmel der Ringenden hindurch wüh¬
le, einen schönen Engelskopf; aber daſs er
nur schön, und daſs es nur Einer ist: ge¬
rade das erschöpft alle Strenge des Tadels.
Von dem ganz miſslungenen Michael mag
ich nichts sagen, und eben so wenig von
seinen Begleitern, die zur Unzeit in die Po¬
saune stoſsen, da eben der Richter des Welt¬
gerichts das Urtheil spricht. Mehr wuſste
also Rubens aus diesem groſsen Entwurfe,
den die Apokalypse selbst im erhabensten

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[150/0162] Unter ihnen giebt es keinen Verklärten, den man liebgewinnen, an dem man mit Be¬ wunderung oder mit Zärtlichkeit hangen, auf dessen Wiedersehen man sich freuen; keinen Verdammten, dem man das Maaſs seines Verbrechens und die Gerechtigkeit des Urtheils an der Stirne lesen, und dessen Fall man dennoch beweinen könnte! Ich finde zwar, indem ich mühsam mich durch das Gewimmel der Ringenden hindurch wüh¬ le, einen schönen Engelskopf; aber daſs er nur schön, und daſs es nur Einer ist: ge¬ rade das erschöpft alle Strenge des Tadels. Von dem ganz miſslungenen Michael mag ich nichts sagen, und eben so wenig von seinen Begleitern, die zur Unzeit in die Po¬ saune stoſsen, da eben der Richter des Welt¬ gerichts das Urtheil spricht. Mehr wuſste also Rubens aus diesem groſsen Entwurfe, den die Apokalypse selbst im erhabensten

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/162>, abgerufen am 21.11.2024.