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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791.

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rem Lobe sagen können. Farbe, Gestalt der
Muskeln, Frische und Sammetweiche der
Haut, sind wahr bis zum Angreifen, und
in der Fülle der Reize. Es ist nur Schade,
dass der grosse Meister diesem schönen
Körper keine Seele schuf; der leere Kopf
mit den geschlossenen Augen ist auszeich¬
nend hässlich; man möchte ihn aus dem
Bilde herausschneiden, damit er dessen Har¬
monie nicht störte. Frau Joconde erinnerte
mich augenblicklich an mein Lieblingsbild
in der Landgräflichen Galerie zu Cassel,
wo dem Künstler genau dasselbe Gesicht zu
einer himmlischen Madonna gedient haben
muss. Das Kolorit des hiesigen Stücks hat
indess vor jenem einen entschiedenen Vor¬
zug. Sie hält die eine Hand mit einer
Aglaienblume ein wenig steif nach Art der
älteren Maler empor; in der andern hat sie
blühenden Jasmin, und im Schoosse liegen

noch

rem Lobe sagen können. Farbe, Gestalt der
Muskeln, Frische und Sammetweiche der
Haut, sind wahr bis zum Angreifen, und
in der Fülle der Reize. Es ist nur Schade,
daſs der groſse Meister diesem schönen
Körper keine Seele schuf; der leere Kopf
mit den geschlossenen Augen ist auszeich¬
nend häſslich; man möchte ihn aus dem
Bilde herausſchneiden, damit er dessen Har¬
monie nicht störte. Frau Joconde erinnerte
mich augenblicklich an mein Lieblingsbild
in der Landgräflichen Galerie zu Cassel,
wo dem Künstler genau dasselbe Gesicht zu
einer himmlischen Madonna gedient haben
muſs. Das Kolorit des hiesigen Stücks hat
indeſs vor jenem einen entschiedenen Vor¬
zug. Sie hält die eine Hand mit einer
Aglaienblume ein wenig steif nach Art der
älteren Maler empor; in der andern hat sie
blühenden Jasmin, und im Schooſse liegen

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[496/0508] rem Lobe sagen können. Farbe, Gestalt der Muskeln, Frische und Sammetweiche der Haut, sind wahr bis zum Angreifen, und in der Fülle der Reize. Es ist nur Schade, daſs der groſse Meister diesem schönen Körper keine Seele schuf; der leere Kopf mit den geschlossenen Augen ist auszeich¬ nend häſslich; man möchte ihn aus dem Bilde herausſchneiden, damit er dessen Har¬ monie nicht störte. Frau Joconde erinnerte mich augenblicklich an mein Lieblingsbild in der Landgräflichen Galerie zu Cassel, wo dem Künstler genau dasselbe Gesicht zu einer himmlischen Madonna gedient haben muſs. Das Kolorit des hiesigen Stücks hat indeſs vor jenem einen entschiedenen Vor¬ zug. Sie hält die eine Hand mit einer Aglaienblume ein wenig steif nach Art der älteren Maler empor; in der andern hat sie blühenden Jasmin, und im Schooſse liegen noch

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/508>, abgerufen am 24.11.2024.