noch einige Blumen. Ein wenig Härte und Trockenheit mag immer der Pinsel beibe halten haben; es ist doch unmöglich eher daran zu denken, als bis man an den Wun¬ dern der Zeichnung geschwelgt hat, und ei¬ nen Vorwand sucht, um endlich sich Ios¬ zureissen. Umsonst! diese kleinen Unvoll¬ kommenheiten, die so innig mit der Schön¬ heit und dem Seelenadel des Weibes ver¬ webt sind, werden bei ihr zu neuen Fesseln für unser Auge und für das Herz. Man überredet sich gern, dass etwas so Vortref¬ liches nicht anders, als wie es ist, vortref¬ lich seyn könne, und liebt den Flecken um des Platzes willen, den man ihm beneidet. Die Natur hat die Talente nicht vereinigen können, nicht Tizian's Sinn für den zarten Hauch des Lebens, mit unseres Leonardo's leiser Ahndung des Seelenausdrucks! Sie gehen also wohl nicht beisammen, und wir
I. Theil. I i
noch einige Blumen. Ein wenig Härte und Trockenheit mag immer der Pinsel beibe halten haben; es ist doch unmöglich eher daran zu denken, als bis man an den Wun¬ dern der Zeichnung geschwelgt hat, und ei¬ nen Vorwand sucht, um endlich sich Ios¬ zureiſsen. Umsonst! diese kleinen Unvoll¬ kommenheiten, die so innig mit der Schön¬ heit und dem Seelenadel des Weibes ver¬ webt sind, werden bei ihr zu neuen Fesseln für unser Auge und für das Herz. Man überredet sich gern, daſs etwas so Vortref¬ liches nicht anders, als wie es ist, vortref¬ lich seyn könne, und liebt den Flecken um des Platzes willen, den man ihm beneidet. Die Natur hat die Talente nicht vereinigen können, nicht Tizian’s Sinn für den zarten Hauch des Lebens, mit unseres Leonardo’s leiser Ahndung des Seelenausdrucks! Sie gehen also wohl nicht beisammen, und wir
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noch einige Blumen. Ein wenig Härte und
Trockenheit mag immer der Pinsel beibe
halten haben; es ist doch unmöglich eher
daran zu denken, als bis man an den Wun¬
dern der Zeichnung geschwelgt hat, und ei¬
nen Vorwand sucht, um endlich sich Ios¬
zureiſsen. Umsonst! diese kleinen Unvoll¬
kommenheiten, die so innig mit der Schön¬
heit und dem Seelenadel des Weibes ver¬
webt sind, werden bei ihr zu neuen Fesseln
für unser Auge und für das Herz. Man
überredet sich gern, daſs etwas so Vortref¬
liches nicht anders, als wie es ist, vortref¬
lich seyn könne, und liebt den Flecken um
des Platzes willen, den man ihm beneidet.
Die Natur hat die Talente nicht vereinigen
können, nicht Tizian’s Sinn für den zarten
Hauch des Lebens, mit unseres Leonardo’s
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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 1. Berlin, 1791, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein01_1791/509>, abgerufen am 21.11.2024.
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