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Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794.

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spiel wäre. Wo es einmal Sitte geworden
ist, den Vorzug eines Individuums vor dem
andern in der Zahl seiner Heerden zu su-
chen, da wird nicht mehr der Endzweck,
weshalb man überhaupt Viehzucht treibt,
nämlich froher bequemer Genuß des Le-
bens, im Auge behalten, sondern das Mit-
tel wird Zweck, und das Leben ist mehr
nicht als ein emsiges Bemühen, durch frü-
he und späte Anstrengung und karge Fru-
galität, jeden Sohn und jede Tochter mit
einer eben so großen Habe auszustatten,
als der Hausvater ursprünglich hatte. Mich
dünkt, diese Stimmung muß den Kreis der
Ideen verrengen, muß für den Kopf und das
Gefühl nachtheilig wirken, und, wo nicht
geradezu eine unmoralische Engherzigkeit,
doch eine üble Einseitigkeit im Denken zu-
wege bringen, die vielleicht auch hier wirk-
lich sichtbar genug ist. Ihr kann man es zu-

spiel wäre. Wo es einmal Sitte geworden
ist, den Vorzug eines Individuums vor dem
andern in der Zahl seiner Heerden zu su-
chen, da wird nicht mehr der Endzweck,
weshalb man überhaupt Viehzucht treibt,
nämlich froher bequemer Genuß des Le-
bens, im Auge behalten, sondern das Mit-
tel wird Zweck, und das Leben ist mehr
nicht als ein emsiges Bemühen, durch frü-
he und späte Anstrengung und karge Fru-
galität, jeden Sohn und jede Tochter mit
einer eben so großen Habe auszustatten,
als der Hausvater ursprünglich hatte. Mich
dünkt, diese Stimmung muß den Kreis der
Ideen verrengen, muß für den Kopf und das
Gefühl nachtheilig wirken, und, wo nicht
geradezu eine unmoralische Engherzigkeit,
doch eine üble Einseitigkeit im Denken zu-
wege bringen, die vielleicht auch hier wirk-
lich sichtbar genug ist. Ihr kann man es zu-

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[114/0137] spiel wäre. Wo es einmal Sitte geworden ist, den Vorzug eines Individuums vor dem andern in der Zahl seiner Heerden zu su- chen, da wird nicht mehr der Endzweck, weshalb man überhaupt Viehzucht treibt, nämlich froher bequemer Genuß des Le- bens, im Auge behalten, sondern das Mit- tel wird Zweck, und das Leben ist mehr nicht als ein emsiges Bemühen, durch frü- he und späte Anstrengung und karge Fru- galität, jeden Sohn und jede Tochter mit einer eben so großen Habe auszustatten, als der Hausvater ursprünglich hatte. Mich dünkt, diese Stimmung muß den Kreis der Ideen verrengen, muß für den Kopf und das Gefühl nachtheilig wirken, und, wo nicht geradezu eine unmoralische Engherzigkeit, doch eine üble Einseitigkeit im Denken zu- wege bringen, die vielleicht auch hier wirk- lich sichtbar genug ist. Ihr kann man es zu-

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Ansichten vom Niederrhein. Bd. 3. Berlin, 1794, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_niederrhein03_1794/137>, abgerufen am 21.11.2024.