Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1772.
Decem-
ber.
dichte Eiß einen Weg zu bahnen; so änderten wir unsern Lauf und steuerten längst
demselben, oftmals mitten durch große Strecken gebrochnen Eises, welches die
Nordfahrer Pack-Eis nennen, hindurch, gegen Osten. Schwere Hagel- und
Schnee-Schauer verdunkelten die Luft beständig und ließen uns den belebenden
Blick der Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir sahen stündlich große
Eis-Inseln in allen Gegenden um uns her, so daß ihr Anblick uns nun schon eben
so bekannt und gemein wurde als Wolken und See. Die Menge derselben ver-
anlaßte noch immer neue Beobachtungen, die wir hernach, durch eine noch län-
gere Bekanntschaft mit ihnen, bald zu bestätigen, bald zu berichtigen Gelegenheit
fanden. So hatten wir zum Beyspiel ißt schon gelernt, daß in solchen Gegen-
den ohnfehlbar Eis anzutreffen sey, aus welcher man bereits in der Ferne einen
starken weißen Wiederschein am Horizont hatte bemerken können. Gleichwohl
ist das Eis nicht immer weißer Farbe, sondern oft, gemeiniglich aber gegen die
Oberfläche der See, mit einem schönen Sapphyr- oder vielmehr Beryll-Blau
gefärbt, welches jedoch zweifels-ohne nichts anders als blos der Widerschein des
Wassers ist. Zwar zeigte sich diese Farbe zuweilen wohl zwanzig bis dreyßig Fuß
hoch über der See, allein dann rührte sie wahrscheinlicherweise von einigen Seewas-
sertheilchen her, die bey stürmischen Wettec so hoch auf das Eis hinaufgeschleu-
dert und in die Zwischenräumchen desselben durch neuen Frost eingeschlossen wor-
den waren. Oftmals konnten wir auch an großen Eis-Inseln verschiedne Arten
von Weiß unterscheiden, die in Schichten von sechs zu zwölf Zoll dick über ein-
ander lagen. Dieser Umstand beweiset meines Erachtens, daß dergleichen
große Eis-Massen zum Theil auch durch Schnee nach und nach vergrößert wer-
den; denn da dieser von verschiedner Art ist, bald klein bald grobkörnicht, bald
in leichten federichten Flocken herabfällt u. d. g. so müssen die besondere Schich-
ten desselben von verschiedner Dichtigkeit seyn, und folglich auch eine verschiedne
Farbe annehmen.

Ob wir gleich, wie im vorhergehenden gemeldet worden, der großen Eis-
felder wegen, unsern Lauf nach Osten hatten richten müssen, so verlohren wir
unsre Bestimmung, den kalten Erdzirkel zu untersuchen, dennoch nie aus den
Augen, und steuerten daher, so bald die See nur irgendwo etwas freyer und
ofner war, gleich wieder mehr nach Süden. Anfänglich rückten wir des gerin-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1772.
Decem-
ber.
dichte Eiß einen Weg zu bahnen; ſo aͤnderten wir unſern Lauf und ſteuerten laͤngſt
demſelben, oftmals mitten durch große Strecken gebrochnen Eiſes, welches die
Nordfahrer Pack-Eis nennen, hindurch, gegen Oſten. Schwere Hagel- und
Schnee-Schauer verdunkelten die Luft beſtaͤndig und ließen uns den belebenden
Blick der Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir ſahen ſtuͤndlich große
Eis-Inſeln in allen Gegenden um uns her, ſo daß ihr Anblick uns nun ſchon eben
ſo bekannt und gemein wurde als Wolken und See. Die Menge derſelben ver-
anlaßte noch immer neue Beobachtungen, die wir hernach, durch eine noch laͤn-
gere Bekanntſchaft mit ihnen, bald zu beſtaͤtigen, bald zu berichtigen Gelegenheit
fanden. So hatten wir zum Beyſpiel ißt ſchon gelernt, daß in ſolchen Gegen-
den ohnfehlbar Eis anzutreffen ſey, aus welcher man bereits in der Ferne einen
ſtarken weißen Wiederſchein am Horizont hatte bemerken koͤnnen. Gleichwohl
iſt das Eis nicht immer weißer Farbe, ſondern oft, gemeiniglich aber gegen die
Oberflaͤche der See, mit einem ſchoͤnen Sapphyr- oder vielmehr Beryll-Blau
gefaͤrbt, welches jedoch zweifels-ohne nichts anders als blos der Widerſchein des
Waſſers iſt. Zwar zeigte ſich dieſe Farbe zuweilen wohl zwanzig bis dreyßig Fuß
hoch uͤber der See, allein dann ruͤhrte ſie wahrſcheinlicherweiſe von einigen Seewaſ-
ſertheilchen her, die bey ſtuͤrmiſchen Wettec ſo hoch auf das Eis hinaufgeſchleu-
dert und in die Zwiſchenraͤumchen deſſelben durch neuen Froſt eingeſchloſſen wor-
den waren. Oftmals konnten wir auch an großen Eis-Inſeln verſchiedne Arten
von Weiß unterſcheiden, die in Schichten von ſechs zu zwoͤlf Zoll dick uͤber ein-
ander lagen. Dieſer Umſtand beweiſet meines Erachtens, daß dergleichen
große Eis-Maſſen zum Theil auch durch Schnee nach und nach vergroͤßert wer-
den; denn da dieſer von verſchiedner Art iſt, bald klein bald grobkoͤrnicht, bald
in leichten federichten Flocken herabfaͤllt u. d. g. ſo muͤſſen die beſondere Schich-
ten deſſelben von verſchiedner Dichtigkeit ſeyn, und folglich auch eine verſchiedne
Farbe annehmen.

Ob wir gleich, wie im vorhergehenden gemeldet worden, der großen Eis-
felder wegen, unſern Lauf nach Oſten hatten richten muͤſſen, ſo verlohren wir
unſre Beſtimmung, den kalten Erdzirkel zu unterſuchen, dennoch nie aus den
Augen, und ſteuerten daher, ſo bald die See nur irgendwo etwas freyer und
ofner war, gleich wieder mehr nach Suͤden. Anfaͤnglich ruͤckten wir des gerin-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1772.<lb/>
Decem-<lb/>
ber.</note>dichte Eiß einen Weg zu bahnen; &#x017F;o a&#x0364;nderten wir un&#x017F;ern Lauf und &#x017F;teuerten la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
dem&#x017F;elben, oftmals mitten durch große Strecken gebrochnen Ei&#x017F;es, welches die<lb/>
Nordfahrer Pack-Eis nennen, hindurch, gegen O&#x017F;ten. Schwere Hagel- und<lb/>
Schnee-Schauer verdunkelten die Luft be&#x017F;ta&#x0364;ndig und ließen uns den belebenden<lb/>
Blick der Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir &#x017F;ahen &#x017F;tu&#x0364;ndlich große<lb/>
Eis-In&#x017F;eln in allen Gegenden um uns her, &#x017F;o daß ihr Anblick uns nun &#x017F;chon eben<lb/>
&#x017F;o bekannt und gemein wurde als Wolken und See. Die Menge der&#x017F;elben ver-<lb/>
anlaßte noch immer neue Beobachtungen, die wir hernach, durch eine noch la&#x0364;n-<lb/>
gere Bekannt&#x017F;chaft mit ihnen, bald zu be&#x017F;ta&#x0364;tigen, bald zu berichtigen Gelegenheit<lb/>
fanden. So hatten wir zum Bey&#x017F;piel ißt &#x017F;chon gelernt, daß in &#x017F;olchen Gegen-<lb/>
den ohnfehlbar Eis anzutreffen &#x017F;ey, aus welcher man bereits in der Ferne einen<lb/>
&#x017F;tarken weißen Wieder&#x017F;chein am Horizont hatte bemerken ko&#x0364;nnen. Gleichwohl<lb/>
i&#x017F;t das Eis nicht immer weißer Farbe, &#x017F;ondern oft, gemeiniglich aber gegen die<lb/>
Oberfla&#x0364;che der See, mit einem &#x017F;cho&#x0364;nen Sapphyr- oder vielmehr Beryll-Blau<lb/>
gefa&#x0364;rbt, welches jedoch zweifels-ohne nichts anders als blos der Wider&#x017F;chein des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers i&#x017F;t. Zwar zeigte &#x017F;ich die&#x017F;e Farbe zuweilen wohl zwanzig bis dreyßig Fuß<lb/>
hoch u&#x0364;ber der See, allein dann ru&#x0364;hrte &#x017F;ie wahr&#x017F;cheinlicherwei&#x017F;e von einigen Seewa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ertheilchen her, die bey &#x017F;tu&#x0364;rmi&#x017F;chen Wettec &#x017F;o hoch auf das Eis hinaufge&#x017F;chleu-<lb/>
dert und in die Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umchen de&#x017F;&#x017F;elben durch neuen Fro&#x017F;t einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wor-<lb/>
den waren. Oftmals konnten wir auch an großen Eis-In&#x017F;eln ver&#x017F;chiedne Arten<lb/>
von Weiß unter&#x017F;cheiden, die in Schichten von &#x017F;echs zu zwo&#x0364;lf Zoll dick u&#x0364;ber ein-<lb/>
ander lagen. Die&#x017F;er Um&#x017F;tand bewei&#x017F;et meines Erachtens, daß dergleichen<lb/>
große Eis-Ma&#x017F;&#x017F;en zum Theil auch <hi rendition="#fr">durch Schnee</hi> nach und nach vergro&#x0364;ßert wer-<lb/>
den; denn da die&#x017F;er von ver&#x017F;chiedner Art i&#x017F;t, bald klein bald grobko&#x0364;rnicht, bald<lb/>
in leichten federichten Flocken herabfa&#x0364;llt u. d. g. &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die be&#x017F;ondere Schich-<lb/>
ten de&#x017F;&#x017F;elben von ver&#x017F;chiedner Dichtigkeit &#x017F;eyn, und folglich auch eine ver&#x017F;chiedne<lb/>
Farbe annehmen.</p><lb/>
        <p>Ob wir gleich, wie im vorhergehenden gemeldet worden, der großen Eis-<lb/>
felder wegen, un&#x017F;ern Lauf nach O&#x017F;ten hatten richten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o verlohren wir<lb/>
un&#x017F;re Be&#x017F;timmung, den <hi rendition="#fr">kalten</hi> Erdzirkel zu unter&#x017F;uchen, dennoch nie aus den<lb/>
Augen, und &#x017F;teuerten daher, &#x017F;o bald die See nur irgendwo etwas freyer und<lb/>
ofner war, gleich wieder mehr nach Su&#x0364;den. Anfa&#x0364;nglich ru&#x0364;ckten wir des gerin-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0121] Forſter’s Reiſe um die Welt dichte Eiß einen Weg zu bahnen; ſo aͤnderten wir unſern Lauf und ſteuerten laͤngſt demſelben, oftmals mitten durch große Strecken gebrochnen Eiſes, welches die Nordfahrer Pack-Eis nennen, hindurch, gegen Oſten. Schwere Hagel- und Schnee-Schauer verdunkelten die Luft beſtaͤndig und ließen uns den belebenden Blick der Sonne nur immer auf kurze Zeit genießen. Wir ſahen ſtuͤndlich große Eis-Inſeln in allen Gegenden um uns her, ſo daß ihr Anblick uns nun ſchon eben ſo bekannt und gemein wurde als Wolken und See. Die Menge derſelben ver- anlaßte noch immer neue Beobachtungen, die wir hernach, durch eine noch laͤn- gere Bekanntſchaft mit ihnen, bald zu beſtaͤtigen, bald zu berichtigen Gelegenheit fanden. So hatten wir zum Beyſpiel ißt ſchon gelernt, daß in ſolchen Gegen- den ohnfehlbar Eis anzutreffen ſey, aus welcher man bereits in der Ferne einen ſtarken weißen Wiederſchein am Horizont hatte bemerken koͤnnen. Gleichwohl iſt das Eis nicht immer weißer Farbe, ſondern oft, gemeiniglich aber gegen die Oberflaͤche der See, mit einem ſchoͤnen Sapphyr- oder vielmehr Beryll-Blau gefaͤrbt, welches jedoch zweifels-ohne nichts anders als blos der Widerſchein des Waſſers iſt. Zwar zeigte ſich dieſe Farbe zuweilen wohl zwanzig bis dreyßig Fuß hoch uͤber der See, allein dann ruͤhrte ſie wahrſcheinlicherweiſe von einigen Seewaſ- ſertheilchen her, die bey ſtuͤrmiſchen Wettec ſo hoch auf das Eis hinaufgeſchleu- dert und in die Zwiſchenraͤumchen deſſelben durch neuen Froſt eingeſchloſſen wor- den waren. Oftmals konnten wir auch an großen Eis-Inſeln verſchiedne Arten von Weiß unterſcheiden, die in Schichten von ſechs zu zwoͤlf Zoll dick uͤber ein- ander lagen. Dieſer Umſtand beweiſet meines Erachtens, daß dergleichen große Eis-Maſſen zum Theil auch durch Schnee nach und nach vergroͤßert wer- den; denn da dieſer von verſchiedner Art iſt, bald klein bald grobkoͤrnicht, bald in leichten federichten Flocken herabfaͤllt u. d. g. ſo muͤſſen die beſondere Schich- ten deſſelben von verſchiedner Dichtigkeit ſeyn, und folglich auch eine verſchiedne Farbe annehmen. 1772. Decem- ber. Ob wir gleich, wie im vorhergehenden gemeldet worden, der großen Eis- felder wegen, unſern Lauf nach Oſten hatten richten muͤſſen, ſo verlohren wir unſre Beſtimmung, den kalten Erdzirkel zu unterſuchen, dennoch nie aus den Augen, und ſteuerten daher, ſo bald die See nur irgendwo etwas freyer und ofner war, gleich wieder mehr nach Suͤden. Anfaͤnglich ruͤckten wir des gerin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/121
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/121>, abgerufen am 14.05.2024.