Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.
in den Jahren 1772 bis 1775. und ließ uns gleichsam schon zum voraus empfinden, wie schrecklich in diesen1773.Februar. Seen der Winter seyn müsse; auch wurden die Nächte bereits ungleich länger, und unsre Schiffarth dadurch immer gefährlicher. Es war also wohl sehr natür- lich, daß unsre Matrosen, durch eine so mühselige Fahrt und aus Mangel gesun- der Speisen ganz entkräftet, anfiengen sich nach einem Ruhe- und Erfrischungs- Orte zu sehnen, und herzlich froh seyn mußten, einen Welttheil zu verlassen, in welchem sie dergleichen zu finden sich keine Hoffnung machen konnten. Indessen währte es doch noch bis zum 17ten des folgenden Monats, ehe wirkliche Anstalt ge- macht wurde aus diesen kalten Gegenden Abschied zu nehmen, denn bis zu ge- dachtem Tage steuerten wir abwechselnd zwischen dem 61. und 58sten Grade süd- licher Breite noch immer gegen Osten. Während dieser Zeit hatten wir viel Ostwind, der gemeiniglich Nebel und Regen brachte, und uns mehr als ein- mal in augenscheinliche Gefahr setzte, an den hohen Eis-Inseln zu scheitern. Die Gestalt derselben war mehrentheils sonderbar und, des zertrümmerten Ansehens we- gen, oft mahlerisch genug. Unter andern kamen wir an einer vorbey die von außerordentlicher Größe war, und in der Mitte ein Grottenähnliches Loch hatte, das durch und durch gieng, dergestalt, daß man das Tageslicht an der andern Seite sehen konnte. Einige waren wie Kirchthürme gestaltet; noch andre ga- ben unsrer Einbildungskraft freyes Spiel, daraus zu machen was sie wollte, und dienten uns die Langeweile zu vertreiben, die nunmehro sehr überhand zu nehmen anfieng, weil der tägliche Anblick von See-Vögeln, Meerschweinen, See-Hunden und Wallfischen, den Reitz der Neuheit längst verlohren hatte. Unsrer guten Präservative und namentlich des Sauerkrautes ohnerachtet, zeigten sich bey einigen unsrer Leute nunmehro starke Symptome vom Scorbut, das ist, manche hatten böses Zahnfleisch, schweres Athemhohlen, blaue Flecke, Aus- schlag, Lähmung der Glieder, und grüne fettichte Filamente im Urin. Es ward ihnen also frische Bier-Würze verordnet, wodurch einige von dieser schrecklichen Krankheit ganz, andere wenigstens zum Theil, befreyet wurden. Das rauhe Clima ward auch den Schaafen, die wir vom Vorgebirge der guten Hoffnung mitgenommen hatten, sehr nachtheilig. Sie wurden krätzig, fielen zu Haut und Knochen zusammen, und wollten fast gar nicht mehr fressen. Unsre Ziegen und Schweine warfen, aber die Jungen kamen in dem stürmischen Wetter entweder Forsters Reise u. d. W. erster Th. M
in den Jahren 1772 bis 1775. und ließ uns gleichſam ſchon zum voraus empfinden, wie ſchrecklich in dieſen1773.Februar. Seen der Winter ſeyn muͤſſe; auch wurden die Naͤchte bereits ungleich laͤnger, und unſre Schiffarth dadurch immer gefaͤhrlicher. Es war alſo wohl ſehr natuͤr- lich, daß unſre Matroſen, durch eine ſo muͤhſelige Fahrt und aus Mangel geſun- der Speiſen ganz entkraͤftet, anfiengen ſich nach einem Ruhe- und Erfriſchungs- Orte zu ſehnen, und herzlich froh ſeyn mußten, einen Welttheil zu verlaſſen, in welchem ſie dergleichen zu finden ſich keine Hoffnung machen konnten. Indeſſen waͤhrte es doch noch bis zum 17ten des folgenden Monats, ehe wirkliche Anſtalt ge- macht wurde aus dieſen kalten Gegenden Abſchied zu nehmen, denn bis zu ge- dachtem Tage ſteuerten wir abwechſelnd zwiſchen dem 61. und 58ſten Grade ſuͤd- licher Breite noch immer gegen Oſten. Waͤhrend dieſer Zeit hatten wir viel Oſtwind, der gemeiniglich Nebel und Regen brachte, und uns mehr als ein- mal in augenſcheinliche Gefahr ſetzte, an den hohen Eis-Inſeln zu ſcheitern. Die Geſtalt derſelben war mehrentheils ſonderbar und, des zertruͤmmerten Anſehens we- gen, oft mahleriſch genug. Unter andern kamen wir an einer vorbey die von außerordentlicher Groͤße war, und in der Mitte ein Grottenaͤhnliches Loch hatte, das durch und durch gieng, dergeſtalt, daß man das Tageslicht an der andern Seite ſehen konnte. Einige waren wie Kirchthuͤrme geſtaltet; noch andre ga- ben unſrer Einbildungskraft freyes Spiel, daraus zu machen was ſie wollte, und dienten uns die Langeweile zu vertreiben, die nunmehro ſehr uͤberhand zu nehmen anfieng, weil der taͤgliche Anblick von See-Voͤgeln, Meerſchweinen, See-Hunden und Wallfiſchen, den Reitz der Neuheit laͤngſt verlohren hatte. Unſrer guten Praͤſervative und namentlich des Sauerkrautes ohnerachtet, zeigten ſich bey einigen unſrer Leute nunmehro ſtarke Symptome vom Scorbut, das iſt, manche hatten boͤſes Zahnfleiſch, ſchweres Athemhohlen, blaue Flecke, Aus- ſchlag, Laͤhmung der Glieder, und gruͤne fettichte Filamente im Urin. Es ward ihnen alſo friſche Bier-Wuͤrze verordnet, wodurch einige von dieſer ſchrecklichen Krankheit ganz, andere wenigſtens zum Theil, befreyet wurden. Das rauhe Clima ward auch den Schaafen, die wir vom Vorgebirge der guten Hoffnung mitgenommen hatten, ſehr nachtheilig. Sie wurden kraͤtzig, fielen zu Haut und Knochen zuſammen, und wollten faſt gar nicht mehr freſſen. Unſre Ziegen und Schweine warfen, aber die Jungen kamen in dem ſtuͤrmiſchen Wetter entweder Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. M
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/> und ließ uns gleichſam ſchon zum voraus empfinden, wie ſchrecklich in dieſen<note place="right">1773.<lb/> Februar.</note><lb/> Seen der Winter ſeyn muͤſſe; auch wurden die Naͤchte bereits ungleich laͤnger,<lb/> und unſre Schiffarth dadurch immer gefaͤhrlicher. Es war alſo wohl ſehr natuͤr-<lb/> lich, daß unſre Matroſen, durch eine ſo muͤhſelige Fahrt und aus Mangel geſun-<lb/> der Speiſen ganz entkraͤftet, anfiengen ſich nach einem Ruhe- und Erfriſchungs-<lb/> Orte zu ſehnen, und herzlich froh ſeyn mußten, einen Welttheil zu verlaſſen, in<lb/> welchem ſie dergleichen zu finden ſich keine Hoffnung machen konnten. Indeſſen<lb/> waͤhrte es doch noch bis zum 17ten des folgenden Monats, ehe wirkliche Anſtalt ge-<lb/> macht wurde aus dieſen kalten Gegenden Abſchied zu nehmen, denn bis zu ge-<lb/> dachtem Tage ſteuerten wir abwechſelnd zwiſchen dem 61. und 58ſten Grade ſuͤd-<lb/> licher Breite noch immer gegen Oſten. Waͤhrend dieſer Zeit hatten wir viel<lb/> Oſtwind, der gemeiniglich Nebel und Regen brachte, und uns mehr als ein-<lb/> mal in augenſcheinliche Gefahr ſetzte, an den hohen Eis-Inſeln zu ſcheitern. Die<lb/> Geſtalt derſelben war mehrentheils ſonderbar und, des zertruͤmmerten Anſehens we-<lb/> gen, oft mahleriſch genug. Unter andern kamen wir an einer vorbey die von<lb/> außerordentlicher Groͤße war, und in der Mitte ein Grottenaͤhnliches Loch hatte,<lb/> das durch und durch gieng, dergeſtalt, daß man das Tageslicht an der andern<lb/> Seite ſehen konnte. Einige waren wie Kirchthuͤrme geſtaltet; noch andre ga-<lb/> ben unſrer Einbildungskraft freyes Spiel, daraus zu machen was ſie wollte,<lb/> und dienten uns die Langeweile zu vertreiben, die nunmehro ſehr uͤberhand zu<lb/> nehmen anfieng, weil der taͤgliche Anblick von See-Voͤgeln, Meerſchweinen,<lb/> See-Hunden und Wallfiſchen, den Reitz der Neuheit laͤngſt verlohren hatte.<lb/> Unſrer guten Praͤſervative und namentlich des Sauerkrautes ohnerachtet, zeigten<lb/> ſich bey einigen unſrer Leute nunmehro ſtarke Symptome vom Scorbut, das iſt,<lb/> manche hatten boͤſes Zahnfleiſch, ſchweres <choice><sic>Othemhohlen</sic><corr>Athemhohlen</corr></choice>, blaue Flecke, Aus-<lb/> ſchlag, Laͤhmung der Glieder, und gruͤne fettichte Filamente im Urin. Es ward<lb/> ihnen alſo friſche Bier-Wuͤrze verordnet, wodurch einige von dieſer ſchrecklichen<lb/> Krankheit ganz, andere wenigſtens zum Theil, befreyet wurden. Das rauhe<lb/> Clima ward auch den Schaafen, die wir vom <placeName>Vorgebirge der guten Hoffnung</placeName><lb/> mitgenommen hatten, ſehr nachtheilig. Sie wurden kraͤtzig, fielen zu Haut und<lb/> Knochen zuſammen, und wollten faſt gar nicht mehr freſſen. Unſre Ziegen und<lb/> Schweine warfen, aber die Jungen kamen in dem ſtuͤrmiſchen Wetter entweder<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>Forſters</persName> Reiſe u. d. W. erſter Th.</hi> M</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0134]
in den Jahren 1772 bis 1775.
und ließ uns gleichſam ſchon zum voraus empfinden, wie ſchrecklich in dieſen
Seen der Winter ſeyn muͤſſe; auch wurden die Naͤchte bereits ungleich laͤnger,
und unſre Schiffarth dadurch immer gefaͤhrlicher. Es war alſo wohl ſehr natuͤr-
lich, daß unſre Matroſen, durch eine ſo muͤhſelige Fahrt und aus Mangel geſun-
der Speiſen ganz entkraͤftet, anfiengen ſich nach einem Ruhe- und Erfriſchungs-
Orte zu ſehnen, und herzlich froh ſeyn mußten, einen Welttheil zu verlaſſen, in
welchem ſie dergleichen zu finden ſich keine Hoffnung machen konnten. Indeſſen
waͤhrte es doch noch bis zum 17ten des folgenden Monats, ehe wirkliche Anſtalt ge-
macht wurde aus dieſen kalten Gegenden Abſchied zu nehmen, denn bis zu ge-
dachtem Tage ſteuerten wir abwechſelnd zwiſchen dem 61. und 58ſten Grade ſuͤd-
licher Breite noch immer gegen Oſten. Waͤhrend dieſer Zeit hatten wir viel
Oſtwind, der gemeiniglich Nebel und Regen brachte, und uns mehr als ein-
mal in augenſcheinliche Gefahr ſetzte, an den hohen Eis-Inſeln zu ſcheitern. Die
Geſtalt derſelben war mehrentheils ſonderbar und, des zertruͤmmerten Anſehens we-
gen, oft mahleriſch genug. Unter andern kamen wir an einer vorbey die von
außerordentlicher Groͤße war, und in der Mitte ein Grottenaͤhnliches Loch hatte,
das durch und durch gieng, dergeſtalt, daß man das Tageslicht an der andern
Seite ſehen konnte. Einige waren wie Kirchthuͤrme geſtaltet; noch andre ga-
ben unſrer Einbildungskraft freyes Spiel, daraus zu machen was ſie wollte,
und dienten uns die Langeweile zu vertreiben, die nunmehro ſehr uͤberhand zu
nehmen anfieng, weil der taͤgliche Anblick von See-Voͤgeln, Meerſchweinen,
See-Hunden und Wallfiſchen, den Reitz der Neuheit laͤngſt verlohren hatte.
Unſrer guten Praͤſervative und namentlich des Sauerkrautes ohnerachtet, zeigten
ſich bey einigen unſrer Leute nunmehro ſtarke Symptome vom Scorbut, das iſt,
manche hatten boͤſes Zahnfleiſch, ſchweres Athemhohlen, blaue Flecke, Aus-
ſchlag, Laͤhmung der Glieder, und gruͤne fettichte Filamente im Urin. Es ward
ihnen alſo friſche Bier-Wuͤrze verordnet, wodurch einige von dieſer ſchrecklichen
Krankheit ganz, andere wenigſtens zum Theil, befreyet wurden. Das rauhe
Clima ward auch den Schaafen, die wir vom Vorgebirge der guten Hoffnung
mitgenommen hatten, ſehr nachtheilig. Sie wurden kraͤtzig, fielen zu Haut und
Knochen zuſammen, und wollten faſt gar nicht mehr freſſen. Unſre Ziegen und
Schweine warfen, aber die Jungen kamen in dem ſtuͤrmiſchen Wetter entweder
1773.
Februar.
Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. M
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/134 |
| Zitationshilfe: | Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/134>, abgerufen am 14.05.2024. |
