Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
ner Erd Mücken (tipula alis incumbentibus), die uns schon vom ersten Eintritt1773.
April.

in Dusky-Bay an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem nassen Wetter, ungemein be-
schwerlich fiel. Am Lande waren sie beym Eingange in die Wälder besonders
häufig anzutreffen, und unsre Matrosen nannten sie Sandfliegen. Ohnerachtet sie
kaum halb so groß als Mücken oder Muskito's seyn mochten; so war ihr Stich gleich-
wohl sehr schmerzhaft, und, sobald die gestochene Hand oder das Gesicht warm ward,
erfolgte ein unerträgliches Jucken, welches beym geringsten Reiben oder Kratzen eine
starke Geschwulst und große Schmerzen nach sich zog. Jedoch hatten wir nicht alle
gleich viel von ihnen auszustehen: Ich für mein Theil empfand keine besondre
Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden abscheulich von ihnen gequält,
insbesondre hatten sie meinen Vater so übel zugerichtet, daß er nicht im Stande
war die Feder zu halten, um nur die täglichen Vorfälle in seinem Journal nie-
derzuschreiben, und die Nacht fiel er sogar in ein heftiges Wundfieber. Zwar
versuchte man allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Beste war, die
Hände und das Gesicht mit weicher Pomade einzureiben und beständig Hand-
schuh zu tragen.

Früh am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capi-
tain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain selbst aber nahm ein andres Boot und
gieng nebst Herrn Hodges, Dr. Sparrman, meinem Vater und mir, nach der
Nordseite, um für seine Person in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr
Hodges, um Aussichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natür-
lichen Merkwürdigkeiten des Landes zu untersuchen. In dieser Gegend trafen
wir eine schöne geräumige Bucht an, die so tief und schräg ins Land hinein ragte,
daß man von dort aus die See gar nicht sehen konnte. Das Ufer derselben war
steil und von demselben stürzten sich verschiedene kleine Wasserfälle aus großen
Höhen herab, welches eine überaus herrliche Scene darstellte. Sie ströhmten
mitten aus dem Walde hervor und fielen alsdenn in durchsichtig hellen Wasser-
Säulen so senkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey denselben sich hätte
ans Ufer legen, und vermittelst eines Schlauchs von Seegeltuche (hose) seine
Wasserfässer allenfalls an Boord selbst, in aller Sicherheit anfüllen können.
Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Wasser seicht und morastig war, das
Ufer aber aus Muschel-Sand bestand, über welches hier, so wie in allen Buch-

in den Jahren 1772 bis 1775.
ner Erd Muͤcken (tipula alis incumbentibus), die uns ſchon vom erſten Eintritt1773.
April.

in Dusky-Bay an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem naſſen Wetter, ungemein be-
ſchwerlich fiel. Am Lande waren ſie beym Eingange in die Waͤlder beſonders
haͤufig anzutreffen, und unſre Matroſen nannten ſie Sandfliegen. Ohnerachtet ſie
kaum halb ſo groß als Muͤcken oder Muskito’s ſeyn mochten; ſo war ihr Stich gleich-
wohl ſehr ſchmerzhaft, und, ſobald die geſtochene Hand oder das Geſicht warm ward,
erfolgte ein unertraͤgliches Jucken, welches beym geringſten Reiben oder Kratzen eine
ſtarke Geſchwulſt und große Schmerzen nach ſich zog. Jedoch hatten wir nicht alle
gleich viel von ihnen auszuſtehen: Ich fuͤr mein Theil empfand keine beſondre
Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden abſcheulich von ihnen gequaͤlt,
insbeſondre hatten ſie meinen Vater ſo uͤbel zugerichtet, daß er nicht im Stande
war die Feder zu halten, um nur die taͤglichen Vorfaͤlle in ſeinem Journal nie-
derzuſchreiben, und die Nacht fiel er ſogar in ein heftiges Wundfieber. Zwar
verſuchte man allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Beſte war, die
Haͤnde und das Geſicht mit weicher Pomade einzureiben und beſtaͤndig Hand-
ſchuh zu tragen.

Fruͤh am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capi-
tain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain ſelbſt aber nahm ein andres Boot und
gieng nebſt Herrn Hodges, Dr. Sparrman, meinem Vater und mir, nach der
Nordſeite, um fuͤr ſeine Perſon in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr
Hodges, um Ausſichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natuͤr-
lichen Merkwuͤrdigkeiten des Landes zu unterſuchen. In dieſer Gegend trafen
wir eine ſchoͤne geraͤumige Bucht an, die ſo tief und ſchraͤg ins Land hinein ragte,
daß man von dort aus die See gar nicht ſehen konnte. Das Ufer derſelben war
ſteil und von demſelben ſtuͤrzten ſich verſchiedene kleine Waſſerfaͤlle aus großen
Hoͤhen herab, welches eine uͤberaus herrliche Scene darſtellte. Sie ſtroͤhmten
mitten aus dem Walde hervor und fielen alsdenn in durchſichtig hellen Waſſer-
Saͤulen ſo ſenkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey denſelben ſich haͤtte
ans Ufer legen, und vermittelſt eines Schlauchs von Seegeltuche (hoſe) ſeine
Waſſerfaͤſſer allenfalls an Boord ſelbſt, in aller Sicherheit anfuͤllen koͤnnen.
Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Waſſer ſeicht und moraſtig war, das
Ufer aber aus Muſchel-Sand beſtand, uͤber welches hier, ſo wie in allen Buch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0154" n="103"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
ner Erd Mu&#x0364;cken (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">tipula alis incumbentibus</hi></hi>), die uns &#x017F;chon vom er&#x017F;ten Eintritt<note place="right">1773.<lb/>
April.</note><lb/>
in <hi rendition="#fr"><placeName>Dusky-Bay</placeName></hi> an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem na&#x017F;&#x017F;en Wetter, ungemein be-<lb/>
&#x017F;chwerlich fiel. Am Lande waren &#x017F;ie beym Eingange in die Wa&#x0364;lder be&#x017F;onders<lb/>
ha&#x0364;ufig anzutreffen, und un&#x017F;re Matro&#x017F;en nannten &#x017F;ie <hi rendition="#fr">Sandfliegen</hi>. Ohnerachtet &#x017F;ie<lb/>
kaum halb &#x017F;o groß als Mu&#x0364;cken oder Muskito&#x2019;s &#x017F;eyn mochten; &#x017F;o war ihr Stich gleich-<lb/>
wohl &#x017F;ehr &#x017F;chmerzhaft, und, &#x017F;obald die ge&#x017F;tochene Hand oder das Ge&#x017F;icht warm ward,<lb/>
erfolgte ein unertra&#x0364;gliches Jucken, welches beym gering&#x017F;ten Reiben oder Kratzen eine<lb/>
&#x017F;tarke Ge&#x017F;chwul&#x017F;t und große Schmerzen nach &#x017F;ich zog. Jedoch hatten wir nicht alle<lb/>
gleich viel von ihnen auszu&#x017F;tehen: Ich fu&#x0364;r mein Theil empfand keine be&#x017F;ondre<lb/>
Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden ab&#x017F;cheulich von ihnen gequa&#x0364;lt,<lb/>
insbe&#x017F;ondre hatten &#x017F;ie meinen Vater &#x017F;o u&#x0364;bel zugerichtet, daß er nicht im Stande<lb/>
war die Feder zu halten, um nur die ta&#x0364;glichen Vorfa&#x0364;lle in &#x017F;einem Journal nie-<lb/>
derzu&#x017F;chreiben, und die Nacht fiel er &#x017F;ogar in ein heftiges Wundfieber. Zwar<lb/>
ver&#x017F;uchte man allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Be&#x017F;te war, die<lb/>
Ha&#x0364;nde und das Ge&#x017F;icht mit weicher Pomade einzureiben und be&#x017F;ta&#x0364;ndig Hand-<lb/>
&#x017F;chuh zu tragen.</p><lb/>
        <p>Fru&#x0364;h am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capi-<lb/>
tain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain &#x017F;elb&#x017F;t aber nahm ein andres Boot und<lb/>
gieng neb&#x017F;t Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi>, Dr. <persName>Sparrman</persName>, meinem Vater und mir, nach der<lb/>
Nord&#x017F;eite, um fu&#x0364;r &#x017F;eine Per&#x017F;on in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi>, um Aus&#x017F;ichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natu&#x0364;r-<lb/>
lichen Merkwu&#x0364;rdigkeiten des Landes zu unter&#x017F;uchen. In die&#x017F;er Gegend trafen<lb/>
wir eine &#x017F;cho&#x0364;ne gera&#x0364;umige Bucht an, die &#x017F;o tief und &#x017F;chra&#x0364;g ins Land hinein ragte,<lb/>
daß man von dort aus die See gar nicht &#x017F;ehen konnte. Das Ufer der&#x017F;elben war<lb/>
&#x017F;teil und von dem&#x017F;elben &#x017F;tu&#x0364;rzten &#x017F;ich ver&#x017F;chiedene kleine Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;lle aus großen<lb/>
Ho&#x0364;hen herab, welches eine u&#x0364;beraus herrliche Scene dar&#x017F;tellte. Sie &#x017F;tro&#x0364;hmten<lb/>
mitten aus dem Walde hervor und fielen alsdenn in durch&#x017F;ichtig hellen Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
Sa&#x0364;ulen &#x017F;o &#x017F;enkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey den&#x017F;elben &#x017F;ich ha&#x0364;tte<lb/>
ans Ufer legen, und vermittel&#x017F;t eines Schlauchs von Seegeltuche (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ho&#x017F;e</hi></hi>) &#x017F;eine<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er allenfalls an Boord &#x017F;elb&#x017F;t, in aller Sicherheit anfu&#x0364;llen ko&#x0364;nnen.<lb/>
Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eicht und mora&#x017F;tig war, das<lb/>
Ufer aber aus Mu&#x017F;chel-Sand be&#x017F;tand, u&#x0364;ber welches hier, &#x017F;o wie in allen Buch-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0154] in den Jahren 1772 bis 1775. ner Erd Muͤcken (tipula alis incumbentibus), die uns ſchon vom erſten Eintritt in Dusky-Bay an gepeinigt hatten, jetzt, bey dem naſſen Wetter, ungemein be- ſchwerlich fiel. Am Lande waren ſie beym Eingange in die Waͤlder beſonders haͤufig anzutreffen, und unſre Matroſen nannten ſie Sandfliegen. Ohnerachtet ſie kaum halb ſo groß als Muͤcken oder Muskito’s ſeyn mochten; ſo war ihr Stich gleich- wohl ſehr ſchmerzhaft, und, ſobald die geſtochene Hand oder das Geſicht warm ward, erfolgte ein unertraͤgliches Jucken, welches beym geringſten Reiben oder Kratzen eine ſtarke Geſchwulſt und große Schmerzen nach ſich zog. Jedoch hatten wir nicht alle gleich viel von ihnen auszuſtehen: Ich fuͤr mein Theil empfand keine beſondre Ungelegenheit davon; andre hingegen wurden abſcheulich von ihnen gequaͤlt, insbeſondre hatten ſie meinen Vater ſo uͤbel zugerichtet, daß er nicht im Stande war die Feder zu halten, um nur die taͤglichen Vorfaͤlle in ſeinem Journal nie- derzuſchreiben, und die Nacht fiel er ſogar in ein heftiges Wundfieber. Zwar verſuchte man allerhand Mittel dagegen, aber ohne Nutzen. Das Beſte war, die Haͤnde und das Geſicht mit weicher Pomade einzureiben und beſtaͤndig Hand- ſchuh zu tragen. 1773. April. Fruͤh am 6ten giengen einige Officier nach der Bucht, welche der Capi- tain am 2ten entdeckt hatte; der Capitain ſelbſt aber nahm ein andres Boot und gieng nebſt Herrn Hodges, Dr. Sparrman, meinem Vater und mir, nach der Nordſeite, um fuͤr ſeine Perſon in Abzeichnung der Bay fortzufahren, Herr Hodges, um Ausſichten nach der Natur aufzunehmen, und wir, um die natuͤr- lichen Merkwuͤrdigkeiten des Landes zu unterſuchen. In dieſer Gegend trafen wir eine ſchoͤne geraͤumige Bucht an, die ſo tief und ſchraͤg ins Land hinein ragte, daß man von dort aus die See gar nicht ſehen konnte. Das Ufer derſelben war ſteil und von demſelben ſtuͤrzten ſich verſchiedene kleine Waſſerfaͤlle aus großen Hoͤhen herab, welches eine uͤberaus herrliche Scene darſtellte. Sie ſtroͤhmten mitten aus dem Walde hervor und fielen alsdenn in durchſichtig hellen Waſſer- Saͤulen ſo ſenkrecht herunter, daß ein Schiff ganz nahe bey denſelben ſich haͤtte ans Ufer legen, und vermittelſt eines Schlauchs von Seegeltuche (hoſe) ſeine Waſſerfaͤſſer allenfalls an Boord ſelbſt, in aller Sicherheit anfuͤllen koͤnnen. Im Hintergrunde gab es einen Fleck, wo das Waſſer ſeicht und moraſtig war, das Ufer aber aus Muſchel-Sand beſtand, uͤber welches hier, ſo wie in allen Buch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/154
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/154>, abgerufen am 21.11.2024.