Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.April.ten dieser Bay, ein kleiner Bach herabrieselte. An dieser Stelle fanden wir viel Federwildpret, besonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stück erlegten, und daher den Ort auch Duck-Cove, das ist, Endten-Bucht nannten. Auf dem Rückwege kamen wir an einer Insel vorbey, die eine weit hervorragende Fel- senspitze hatte, auf welcher wir einen Menschen sehr laut rufen hörten. Da dies niemand anders als einer von den Eingebohrnen seyn konnte, so nannten wir diese Insel Indian-Island, d. i. Indianer-Insel, und näherten uns dem Ufer derselben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkäme. Als wir wei- ter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule oder Streit-Art bewafnet, auf der Felsenspitze stand, und hinter ihm erblickte man in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauenspersonen, deren jede ei- nen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des Felsen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von Taheiti zu: Tay[o] Harre mai, d. i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, sondern blieb an seinem Posten, auf seine Keule gelehnt stehen und hielt in dieser Stellung eine lange Rede, die er bey verschiednen Stellen mit großem Nachdruck und Heftigkeit aussprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf schwenkte. Da er nicht zu bewegen war näher zu kommen, so gieng Capitain Cook vorn ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm sein und andrer Schnupftücher hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm also etliche Bogen weiß Papier in die Hand, stieg unbewaffnet auf dem Felsen aus und reichte dem Wilden das Papier zu. Nunmehro zitterte der gute Kerl sichtbarer Weise über und über, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deut- lichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt so nahe war, so ergrif ihn dieser bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wil- den Nase mit der seinigen berührte, welches ihre Art ist sich unter einander zu begrüßen. Dieses Freundschaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht, denn er rief die beyden Weiber zu sich, die auch ungesaumt herbey kamen, in- deß daß von unsrer Seite ebenfalls verschiedne aus Land stiegen, um dem Capi- tain Gesellschaft zu leisten. Hierauf erfolgte zwischen uns und den India- nern eine kleine Unterredung, wovon aber Niemand etwas rechtes verstand, weil keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr Hodges zeichnete gleich
Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.April.ten dieſer Bay, ein kleiner Bach herabrieſelte. An dieſer Stelle fanden wir viel Federwildpret, beſonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stuͤck erlegten, und daher den Ort auch Duck-Cove, das iſt, Endten-Bucht nannten. Auf dem Ruͤckwege kamen wir an einer Inſel vorbey, die eine weit hervorragende Fel- ſenſpitze hatte, auf welcher wir einen Menſchen ſehr laut rufen hoͤrten. Da dies niemand anders als einer von den Eingebohrnen ſeyn konnte, ſo nannten wir dieſe Inſel Indian-Island, d. i. Indianer-Inſel, und naͤherten uns dem Ufer derſelben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkaͤme. Als wir wei- ter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule oder Streit-Art bewafnet, auf der Felſenſpitze ſtand, und hinter ihm erblickte man in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauensperſonen, deren jede ei- nen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des Felſen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von Taheiti zu: Tay[o] Harre maï, d. i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, ſondern blieb an ſeinem Poſten, auf ſeine Keule gelehnt ſtehen und hielt in dieſer Stellung eine lange Rede, die er bey verſchiednen Stellen mit großem Nachdruck und Heftigkeit ausſprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf ſchwenkte. Da er nicht zu bewegen war naͤher zu kommen, ſo gieng Capitain Cook vorn ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm ſein und andrer Schnupftuͤcher hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm alſo etliche Bogen weiß Papier in die Hand, ſtieg unbewaffnet auf dem Felſen aus und reichte dem Wilden das Papier zu. Nunmehro zitterte der gute Kerl ſichtbarer Weiſe uͤber und uͤber, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deut- lichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt ſo nahe war, ſo ergrif ihn dieſer bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wil- den Naſe mit der ſeinigen beruͤhrte, welches ihre Art iſt ſich unter einander zu begruͤßen. Dieſes Freundſchaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht, denn er rief die beyden Weiber zu ſich, die auch ungeſaumt herbey kamen, in- deß daß von unſrer Seite ebenfalls verſchiedne aus Land ſtiegen, um dem Capi- tain Geſellſchaft zu leiſten. Hierauf erfolgte zwiſchen uns und den India- nern eine kleine Unterredung, wovon aber Niemand etwas rechtes verſtand, weil keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr Hodges zeichnete gleich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0155" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> April.</note>ten dieſer Bay, ein kleiner Bach herabrieſelte. An dieſer Stelle fanden wir viel<lb/> Federwildpret, beſonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stuͤck erlegten, und<lb/> daher den Ort auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i"><placeName>Duck-Cove</placeName></hi>,</hi> das iſt, <placeName><persName>Endten-Bucht</persName></placeName> nannten. Auf dem<lb/> Ruͤckwege kamen wir an einer Inſel vorbey, die eine weit hervorragende Fel-<lb/> ſenſpitze hatte, auf welcher wir einen Menſchen ſehr laut rufen hoͤrten. Da<lb/> dies niemand anders als einer von den Eingebohrnen ſeyn konnte, ſo nannten<lb/> wir dieſe Inſel <hi rendition="#aq"><placeName>Indian-Island</placeName>,</hi> d. i. <placeName>Indianer-Inſel</placeName>, und naͤherten uns dem<lb/> Ufer derſelben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkaͤme. Als wir wei-<lb/> ter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule<lb/> oder Streit-Art bewafnet, auf der Felſenſpitze ſtand, und hinter ihm erblickte man<lb/> in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauensperſonen, deren jede ei-<lb/> nen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des<lb/> Felſen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von <hi rendition="#fr"><placeName>Taheiti</placeName></hi> zu: <hi rendition="#fr">Tay<supplied>o</supplied><lb/> Harre</hi> ma<hi rendition="#aq">ï</hi>, d. i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, ſondern blieb<lb/> an ſeinem Poſten, auf ſeine Keule gelehnt ſtehen und hielt in dieſer Stellung<lb/> eine lange Rede, die er bey verſchiednen Stellen mit großem Nachdruck und<lb/> Heftigkeit ausſprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf ſchwenkte.<lb/> Da er nicht zu bewegen war naͤher zu kommen, ſo gieng Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> vorn<lb/> ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm ſein und andrer Schnupftuͤcher<lb/> hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm alſo etliche<lb/> Bogen weiß Papier in die Hand, ſtieg unbewaffnet auf dem Felſen aus und<lb/> reichte dem Wilden das Papier zu. Nunmehro zitterte der gute Kerl ſichtbarer<lb/> Weiſe uͤber und uͤber, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deut-<lb/> lichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt ſo nahe<lb/> war, ſo ergrif ihn dieſer bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wil-<lb/> den Naſe mit der ſeinigen beruͤhrte, welches ihre Art iſt ſich unter einander zu<lb/> begruͤßen. Dieſes Freundſchaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht,<lb/> denn er rief die beyden Weiber zu ſich, die auch ungeſaumt herbey kamen, in-<lb/> deß daß von unſrer Seite ebenfalls verſchiedne aus Land ſtiegen, um dem Capi-<lb/> tain Geſellſchaft zu leiſten. Hierauf erfolgte zwiſchen uns und den India-<lb/> nern eine kleine Unterredung, wovon aber Niemand etwas rechtes verſtand, weil<lb/> keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr <hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi> zeichnete<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gleich</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0155]
Forſter’s Reiſe um die Welt
ten dieſer Bay, ein kleiner Bach herabrieſelte. An dieſer Stelle fanden wir viel
Federwildpret, beſonders wilde Endten, davon wir vierzehn Stuͤck erlegten, und
daher den Ort auch Duck-Cove, das iſt, Endten-Bucht nannten. Auf dem
Ruͤckwege kamen wir an einer Inſel vorbey, die eine weit hervorragende Fel-
ſenſpitze hatte, auf welcher wir einen Menſchen ſehr laut rufen hoͤrten. Da
dies niemand anders als einer von den Eingebohrnen ſeyn konnte, ſo nannten
wir dieſe Inſel Indian-Island, d. i. Indianer-Inſel, und naͤherten uns dem
Ufer derſelben, um zu erfahren, von wem die Stimme herkaͤme. Als wir wei-
ter heran kamen, entdeckte man, daß es ein Indianer war, der mit einer Keule
oder Streit-Art bewafnet, auf der Felſenſpitze ſtand, und hinter ihm erblickte man
in der Ferne, am Eingang des Waldes, zwo Frauensperſonen, deren jede ei-
nen Spieß in der Hand hielt. Sobald wir mit dem Boot bis an den Fus des
Felſen hingekommen waren, rief man ihm in der Sprache von Taheiti zu: Tayo
Harre maï, d. i. Freund komm hier! Allein das that er nicht, ſondern blieb
an ſeinem Poſten, auf ſeine Keule gelehnt ſtehen und hielt in dieſer Stellung
eine lange Rede, die er bey verſchiednen Stellen mit großem Nachdruck und
Heftigkeit ausſprach, und alsdenn zugleich die Keule um den Kopf ſchwenkte.
Da er nicht zu bewegen war naͤher zu kommen, ſo gieng Capitain Cook vorn
ins Boot, rief ihm freundlich zu und warf ihm ſein und andrer Schnupftuͤcher
hin, die er jedoch nicht auflangen wollte. Der Capitain nahm alſo etliche
Bogen weiß Papier in die Hand, ſtieg unbewaffnet auf dem Felſen aus und
reichte dem Wilden das Papier zu. Nunmehro zitterte der gute Kerl ſichtbarer
Weiſe uͤber und uͤber, nahm aber endlich, wiewohl noch immer mit vielen deut-
lichen Merkmalen von Furcht, das Papier hin. Da er dem Capitain jetzt ſo nahe
war, ſo ergrif ihn dieſer bey der Hand und umarmete ihn, indem er des Wil-
den Naſe mit der ſeinigen beruͤhrte, welches ihre Art iſt ſich unter einander zu
begruͤßen. Dieſes Freundſchaftszeichen benahm ihm mit einemmale alle Furcht,
denn er rief die beyden Weiber zu ſich, die auch ungeſaumt herbey kamen, in-
deß daß von unſrer Seite ebenfalls verſchiedne aus Land ſtiegen, um dem Capi-
tain Geſellſchaft zu leiſten. Hierauf erfolgte zwiſchen uns und den India-
nern eine kleine Unterredung, wovon aber Niemand etwas rechtes verſtand, weil
keiner in des andern Sprache hinreichend erfahren war. Herr Hodges zeichnete
gleich
1773.
April.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |