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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
etwas Hagel aufs Schiff und die Wolken über uns hatten ein schrecklich schwar-1773.
May.

zes und schweres Ansehen. Gerade über jenen Wasserwirbel senkte sich eine
Wolke langsam herab, und nahm nach und nach die Gestalt einer langen, dün-
nen Röhre an. Diese schien sich mit dem Dunst-Wirbel vereinigen zu wollen,
der unterdessen hoch aus dem Wasser aufgestiegen war; es währete auch nicht
lange, so hiengen sie würklich zusammen und machten eine gerade aufstehende,
cylindrische Säule aus. Man konnte deutlich sehen, wie das Wasser innerhalb
des Wirbels mit Gewalt aufwärts gerissen ward; und es schien als ließe es in
der Mitte einen hohlen Zwischenraum. Auch dünkte uns als wenn das
Wasser keine dichte, sondern nur eine hohle Säule ausmachte; und in dieser
Vermuthung wurden wir durch ihre Farbe bestärkt, indem sie einer durchsichtigen
gläsernen Röhre völlig ähnlich war. Kurz nachher beugte sich auch diese letzte Was-
serhose und brach wie die andern, nur mit dem Unterschied, daß sich, bey ihrer
Zertrennung ein Blitzstrahl sehen ließ, auf den jedoch kein Donnerschlag folgte.
Diese ganze Zeit über befanden wir uns in einer höchstgefährlichen und beunru-
higenden Lage. Die schreckenvolle Majestät eines Meteors, welches See und
Wolken vereinigte, machte unsre ältesten Seeleute verlegen. Sie wußten kaum
was sie thun oder lassen sollten; denn ob gleich die mehresten solche Wassersäulen
schon ehemals von ferne gesehen hatten, so waren sie doch noch nie so umringt
damit gewesen als diesmal, und ein jeder wußte fürchterliche Geschichten zu er-
zählen, was für schreckliche Verwüstungen sie anrichteten, wenn sie über ein
Schiff weggingen oder sich gegen dasselbe brächen. Wir machten uns auch würk-
lich aufs Schlimmste gefaßt und nahmen unsre Stengen-Seegel ein. Doch war
jedermann der Meynung, daß uns dies wenig schützen sondern Masten und
Seegelstangen drauf gehen würden, wenn wir in den Wirbel gerathen sollten.
Zwar wollte man wissen, daß Canonen-Schüsse, vermittelst der starken Bebung
in der Luft dergleichen Wassersäulen zu zertheilen pflegten, daher auch Be-
fehl gegeben ward, daß ein Vierpfünder in Bereitschaft gehalten werden
sollte; da aber die Leute, wie gewöhnlich, lange damit zubrachten, so war die
Gefahr über, ehe der Versuch angestellt werden konnte. In wie fern die Ele-
ctricität als eine Ursach dieses Phänomens angesehen werden darf, konnten wir
nicht eigentlich bestimmen; daß sie aber überhaupt einigen Antheil daran haben

Forster's Reise u. d. W. erster Th. T

in den Jahren 1772 bis 1775.
etwas Hagel aufs Schiff und die Wolken uͤber uns hatten ein ſchrecklich ſchwar-1773.
May.

zes und ſchweres Anſehen. Gerade uͤber jenen Waſſerwirbel ſenkte ſich eine
Wolke langſam herab, und nahm nach und nach die Geſtalt einer langen, duͤn-
nen Roͤhre an. Dieſe ſchien ſich mit dem Dunſt-Wirbel vereinigen zu wollen,
der unterdeſſen hoch aus dem Waſſer aufgeſtiegen war; es waͤhrete auch nicht
lange, ſo hiengen ſie wuͤrklich zuſammen und machten eine gerade aufſtehende,
cylindriſche Saͤule aus. Man konnte deutlich ſehen, wie das Waſſer innerhalb
des Wirbels mit Gewalt aufwaͤrts geriſſen ward; und es ſchien als ließe es in
der Mitte einen hohlen Zwiſchenraum. Auch duͤnkte uns als wenn das
Waſſer keine dichte, ſondern nur eine hohle Saͤule ausmachte; und in dieſer
Vermuthung wurden wir durch ihre Farbe beſtaͤrkt, indem ſie einer durchſichtigen
glaͤſernen Roͤhre voͤllig aͤhnlich war. Kurz nachher beugte ſich auch dieſe letzte Waſ-
ſerhoſe und brach wie die andern, nur mit dem Unterſchied, daß ſich, bey ihrer
Zertrennung ein Blitzſtrahl ſehen ließ, auf den jedoch kein Donnerſchlag folgte.
Dieſe ganze Zeit uͤber befanden wir uns in einer hoͤchſtgefaͤhrlichen und beunru-
higenden Lage. Die ſchreckenvolle Majeſtaͤt eines Meteors, welches See und
Wolken vereinigte, machte unſre aͤlteſten Seeleute verlegen. Sie wußten kaum
was ſie thun oder laſſen ſollten; denn ob gleich die mehreſten ſolche Waſſerſaͤulen
ſchon ehemals von ferne geſehen hatten, ſo waren ſie doch noch nie ſo umringt
damit geweſen als diesmal, und ein jeder wußte fuͤrchterliche Geſchichten zu er-
zaͤhlen, was fuͤr ſchreckliche Verwuͤſtungen ſie anrichteten, wenn ſie uͤber ein
Schiff weggingen oder ſich gegen daſſelbe braͤchen. Wir machten uns auch wuͤrk-
lich aufs Schlimmſte gefaßt und nahmen unſre Stengen-Seegel ein. Doch war
jedermann der Meynung, daß uns dies wenig ſchuͤtzen ſondern Maſten und
Seegelſtangen drauf gehen wuͤrden, wenn wir in den Wirbel gerathen ſollten.
Zwar wollte man wiſſen, daß Canonen-Schuͤſſe, vermittelſt der ſtarken Bebung
in der Luft dergleichen Waſſerſaͤulen zu zertheilen pflegten, daher auch Be-
fehl gegeben ward, daß ein Vierpfuͤnder in Bereitſchaft gehalten werden
ſollte; da aber die Leute, wie gewoͤhnlich, lange damit zubrachten, ſo war die
Gefahr uͤber, ehe der Verſuch angeſtellt werden konnte. In wie fern die Ele-
ctricitaͤt als eine Urſach dieſes Phaͤnomens angeſehen werden darf, konnten wir
nicht eigentlich beſtimmen; daß ſie aber uͤberhaupt einigen Antheil daran haben

Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. T
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[145/0196] in den Jahren 1772 bis 1775. etwas Hagel aufs Schiff und die Wolken uͤber uns hatten ein ſchrecklich ſchwar- zes und ſchweres Anſehen. Gerade uͤber jenen Waſſerwirbel ſenkte ſich eine Wolke langſam herab, und nahm nach und nach die Geſtalt einer langen, duͤn- nen Roͤhre an. Dieſe ſchien ſich mit dem Dunſt-Wirbel vereinigen zu wollen, der unterdeſſen hoch aus dem Waſſer aufgeſtiegen war; es waͤhrete auch nicht lange, ſo hiengen ſie wuͤrklich zuſammen und machten eine gerade aufſtehende, cylindriſche Saͤule aus. Man konnte deutlich ſehen, wie das Waſſer innerhalb des Wirbels mit Gewalt aufwaͤrts geriſſen ward; und es ſchien als ließe es in der Mitte einen hohlen Zwiſchenraum. Auch duͤnkte uns als wenn das Waſſer keine dichte, ſondern nur eine hohle Saͤule ausmachte; und in dieſer Vermuthung wurden wir durch ihre Farbe beſtaͤrkt, indem ſie einer durchſichtigen glaͤſernen Roͤhre voͤllig aͤhnlich war. Kurz nachher beugte ſich auch dieſe letzte Waſ- ſerhoſe und brach wie die andern, nur mit dem Unterſchied, daß ſich, bey ihrer Zertrennung ein Blitzſtrahl ſehen ließ, auf den jedoch kein Donnerſchlag folgte. Dieſe ganze Zeit uͤber befanden wir uns in einer hoͤchſtgefaͤhrlichen und beunru- higenden Lage. Die ſchreckenvolle Majeſtaͤt eines Meteors, welches See und Wolken vereinigte, machte unſre aͤlteſten Seeleute verlegen. Sie wußten kaum was ſie thun oder laſſen ſollten; denn ob gleich die mehreſten ſolche Waſſerſaͤulen ſchon ehemals von ferne geſehen hatten, ſo waren ſie doch noch nie ſo umringt damit geweſen als diesmal, und ein jeder wußte fuͤrchterliche Geſchichten zu er- zaͤhlen, was fuͤr ſchreckliche Verwuͤſtungen ſie anrichteten, wenn ſie uͤber ein Schiff weggingen oder ſich gegen daſſelbe braͤchen. Wir machten uns auch wuͤrk- lich aufs Schlimmſte gefaßt und nahmen unſre Stengen-Seegel ein. Doch war jedermann der Meynung, daß uns dies wenig ſchuͤtzen ſondern Maſten und Seegelſtangen drauf gehen wuͤrden, wenn wir in den Wirbel gerathen ſollten. Zwar wollte man wiſſen, daß Canonen-Schuͤſſe, vermittelſt der ſtarken Bebung in der Luft dergleichen Waſſerſaͤulen zu zertheilen pflegten, daher auch Be- fehl gegeben ward, daß ein Vierpfuͤnder in Bereitſchaft gehalten werden ſollte; da aber die Leute, wie gewoͤhnlich, lange damit zubrachten, ſo war die Gefahr uͤber, ehe der Verſuch angeſtellt werden konnte. In wie fern die Ele- ctricitaͤt als eine Urſach dieſes Phaͤnomens angeſehen werden darf, konnten wir nicht eigentlich beſtimmen; daß ſie aber uͤberhaupt einigen Antheil daran haben 1773. May. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. T

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/196>, abgerufen am 24.11.2024.