Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. hatten. Wir saßen zwischen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Ver-1773.August. wandten des Königs. Alle diese Standespersonen wetteiferten mit einander uns freundlich und zärtlich anzublicken, Freundschafts-Versicherungen zu geben und -- um Corallen und Nägel zu bitten. Die Art und Weise aber, womit sie diese Kleinigkeiten zu erhalten suchten, war sehr verschieden, und fiel deshalb auch nicht immer gleich glücklich für sie aus. Wenn wir zum Beyspiel unter eine oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, so drängten sich bisweilen junge unverschämte Bursche herbey und hielten die Hände auch her, als hätten sie ebenfalls Anspruch oder Recht auf unsre Freygebigkeit. Unter solchen Umstän- den bekamen sie aber allemal eine abschlägige Antwort. Schon schwerer war es, alten ehrwürdigen Männern eine Gabe zu versagen, wenn sie mit bebender Hand die unsrigen ergriffen, sie herzlich drückten und in vollkommnen Vertrauen auf unsre Güte uns ihr Anliegen ins Ohr flüsterten. Die älteren Damen hal- fen sich mit etwas Kunst und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir hießen, nahmen uns an Kindesstatt an, und machten uns mit ihren Verwandten bekannt, die auf diese Weise auch die unsrigen wurden. Nach andern kleinen Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebäugelnden Minen, ein: Aima poe ihti no te tayo mettua? heraus, welches so viel ist, als: "Ist denn kein Coralchen für das liebe Mütterchen da? Das hieß nun unsre kindliche Gesin- nungen auf die Probe setzen, und wenn das geschahe, so hatten die guten Alten fast allemal gewonnen. Eine solche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich von dem National-Character dieses Volks ungemein vortheilhafte Begriffe ma- chen, denn gute Gesinnungen von andern zu erwarten, wenn man sie selbst nicht hat, ist eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civilisirten Völkern eigen ist. Unsre jüngere Verwandtinnen, die in der Blüthe der Jugend standen, hatten wieder andre Kunstgriffe zu Gebote. Außerdem daß sie gemeiniglich auf eine oder die andre Art hübsch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten dahin, uns zu gefallen, und da sie sich noch überdies auf die zärtlichste Art von der Welt unsre Schwestern nannten; so durften sie, aus mehr denn einer Ursach, in ihren Anliegen nicht leicht eine abschlägige Antwort besorgen, denn wer hätte so hübschen jungen und gefälligen Mädchen widerstehen können? Mittlerweile, daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geschenke austheilten, Forsters Reise u. d. W. erster Th. J i
in den Jahren 1772 bis 1775. hatten. Wir ſaßen zwiſchen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Ver-1773.Auguſt. wandten des Koͤnigs. Alle dieſe Standesperſonen wetteiferten mit einander uns freundlich und zaͤrtlich anzublicken, Freundſchafts-Verſicherungen zu geben und — um Corallen und Naͤgel zu bitten. Die Art und Weiſe aber, womit ſie dieſe Kleinigkeiten zu erhalten ſuchten, war ſehr verſchieden, und fiel deshalb auch nicht immer gleich gluͤcklich fuͤr ſie aus. Wenn wir zum Beyſpiel unter eine oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, ſo draͤngten ſich bisweilen junge unverſchaͤmte Burſche herbey und hielten die Haͤnde auch her, als haͤtten ſie ebenfalls Anſpruch oder Recht auf unſre Freygebigkeit. Unter ſolchen Umſtaͤn- den bekamen ſie aber allemal eine abſchlaͤgige Antwort. Schon ſchwerer war es, alten ehrwuͤrdigen Maͤnnern eine Gabe zu verſagen, wenn ſie mit bebender Hand die unſrigen ergriffen, ſie herzlich druͤckten und in vollkommnen Vertrauen auf unſre Guͤte uns ihr Anliegen ins Ohr fluͤſterten. Die aͤlteren Damen hal- fen ſich mit etwas Kunſt und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir hießen, nahmen uns an Kindesſtatt an, und machten uns mit ihren Verwandten bekannt, die auf dieſe Weiſe auch die unſrigen wurden. Nach andern kleinen Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebaͤugelnden Minen, ein: Aima poe ihti no te tayo mettua? heraus, welches ſo viel iſt, als: „Iſt denn kein Coralchen fuͤr das liebe Muͤtterchen da? Das hieß nun unſre kindliche Geſin- nungen auf die Probe ſetzen, und wenn das geſchahe, ſo hatten die guten Alten faſt allemal gewonnen. Eine ſolche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich von dem National-Character dieſes Volks ungemein vortheilhafte Begriffe ma- chen, denn gute Geſinnungen von andern zu erwarten, wenn man ſie ſelbſt nicht hat, iſt eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civiliſirten Voͤlkern eigen iſt. Unſre juͤngere Verwandtinnen, die in der Bluͤthe der Jugend ſtanden, hatten wieder andre Kunſtgriffe zu Gebote. Außerdem daß ſie gemeiniglich auf eine oder die andre Art huͤbſch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten dahin, uns zu gefallen, und da ſie ſich noch uͤberdies auf die zaͤrtlichſte Art von der Welt unſre Schweſtern nannten; ſo durften ſie, aus mehr denn einer Urſach, in ihren Anliegen nicht leicht eine abſchlaͤgige Antwort beſorgen, denn wer haͤtte ſo huͤbſchen jungen und gefaͤlligen Maͤdchen widerſtehen koͤnnen? Mittlerweile, daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geſchenke austheilten, Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. J i
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in den Jahren 1772 bis 1775.
hatten. Wir ſaßen zwiſchen den Oncles, Tanten, Vettern und andern Ver-
wandten des Koͤnigs. Alle dieſe Standesperſonen wetteiferten mit einander uns
freundlich und zaͤrtlich anzublicken, Freundſchafts-Verſicherungen zu geben und
— um Corallen und Naͤgel zu bitten. Die Art und Weiſe aber, womit ſie dieſe
Kleinigkeiten zu erhalten ſuchten, war ſehr verſchieden, und fiel deshalb auch
nicht immer gleich gluͤcklich fuͤr ſie aus. Wenn wir zum Beyſpiel unter eine
oder die andere Art von Leuten Corallen austheilten, ſo draͤngten ſich bisweilen
junge unverſchaͤmte Burſche herbey und hielten die Haͤnde auch her, als haͤtten
ſie ebenfalls Anſpruch oder Recht auf unſre Freygebigkeit. Unter ſolchen Umſtaͤn-
den bekamen ſie aber allemal eine abſchlaͤgige Antwort. Schon ſchwerer war
es, alten ehrwuͤrdigen Maͤnnern eine Gabe zu verſagen, wenn ſie mit bebender
Hand die unſrigen ergriffen, ſie herzlich druͤckten und in vollkommnen Vertrauen
auf unſre Guͤte uns ihr Anliegen ins Ohr fluͤſterten. Die aͤlteren Damen hal-
fen ſich mit etwas Kunſt und Schmeicheley. Sie frugen gemeiniglich wie wir
hießen, nahmen uns an Kindesſtatt an, und machten uns mit ihren Verwandten
bekannt, die auf dieſe Weiſe auch die unſrigen wurden. Nach andern kleinen
Schmeicheleyen kam denn im bittenden Ton, mit liebaͤugelnden Minen, ein:
Aima poe ihti no te tayo mettua? heraus, welches ſo viel iſt, als: „Iſt denn
kein Coralchen fuͤr das liebe Muͤtterchen da? Das hieß nun unſre kindliche Geſin-
nungen auf die Probe ſetzen, und wenn das geſchahe, ſo hatten die guten Alten faſt
allemal gewonnen. Eine ſolche Einkleidung ihres Anliegens mußte uns nemlich
von dem National-Character dieſes Volks ungemein vortheilhafte Begriffe ma-
chen, denn gute Geſinnungen von andern zu erwarten, wenn man ſie ſelbſt nicht
hat, iſt eine Verfeinerung der Sitten, die blos ganz civiliſirten Voͤlkern eigen
iſt. Unſre juͤngere Verwandtinnen, die in der Bluͤthe der Jugend ſtanden,
hatten wieder andre Kunſtgriffe zu Gebote. Außerdem daß ſie gemeiniglich auf
eine oder die andre Art huͤbſch waren, gieng auch ihr ganzes Tichten und Trachten
dahin, uns zu gefallen, und da ſie ſich noch uͤberdies auf die zaͤrtlichſte Art von der
Welt unſre Schweſtern nannten; ſo durften ſie, aus mehr denn einer Urſach, in
ihren Anliegen nicht leicht eine abſchlaͤgige Antwort beſorgen, denn wer haͤtte ſo
huͤbſchen jungen und gefaͤlligen Maͤdchen widerſtehen koͤnnen? Mittlerweile,
daß wir den Damen und Herren vom Hofe allerhand Geſchenke austheilten,
1773.
Auguſt.
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