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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
gleichen Grausamkeiten vielfältig Zeugen gewesen und hätten mehr denn ein-1773.
Novem-
ber.

mal gesehen, daß, auch die Kinder sogar, Hand an ihre unglücklichen Mütter leg-
ten und solche in Gegenwart des Vaters schlügen, der gleichsam nur Acht
gäbe, ob sich jene etwa wehren oder wiedersetzen würden. Zwar pflegen fast
alle wilde Völker, in so fern sie blos das Recht des Stärkern unter sich gelten
lassen, ihre Weiber durchgehends als Sclavinnen anzusehn, die den Männern
Kleider verfertigen, Hütten bauen, Speisen kochen und zutragen, und bey aller
ihrer Dienstbarkeit doch noch mit der härtesten Begegnung vorlieb nehmen müs-
sen: Allein in Neu-Seeland scheint diese Tyranney viel weiter getrieben zu seyn,
denn sonst irgend wo. Die Mannspersonen werden daselbst von Kindheit auf ordent-
lich dazu angehalten, daß sie ihre Mütter gegen alle Grundsätze der Sittlichkeit ver-
achten müssen. Ich will mich indessen über diese Barbarey nicht weiter heraus-
lassen, um die Vorfälle des heutigen Tages vollends zu erzählen, als welche
uns, über die Verfassung der Neu-Seeländer, noch manchen Aufschluß gaben.
Der Capitain, nebst Herrn Wales und meinem Vater, ließen sich am Nachmit-
tage nach Motu-Aro übersetzen, um die Pflanz-Gärten zu besehen und Kräu-
terwerk für das Schiff einzusammlen, indeß verschiedne von den Lieutenants
nach Indian Cove giengen, um mit den dortigen Indianern Handel zu trei-
ben. Das erste, was diesen hier in die Augen fiel, waren die Eingeweide
eines Menschen, die nahe am Wasser auf einem Haufen geschüttet lagen. Kaum
hatten sie sich von der ersten Bestürzung über diesen Anblick erholt, als ihnen
die Indianer verschiedne Stücke vom Cörper selbst vorzeigten, und mit Worten
und Gebehrden zu verstehen gaben, daß sie das übrige gefressen hätten. Unter
den vorhandenen Gliedmaaßen war auch noch der Kopf befindlich, und nach die-
sem zu urtheilen, mußte der Erschlagne ein Jüngling von funfzehn bis sech-
zehn Jahren gewesen seyn. Die untere Kinnlade fehlte, und über dem einen
Auge war der Hirnschedel, vermuthlich mit einem Pättu-Pättu, eingeschlagen.
Unsre Leute fragten die Neu-Seeländer, wo sie diesen Cörper her hät
ten? worauf jene antworteten, daß sie ihren Feinden ein Treffen geliefert, und
verschiedne derselben getödtet, von den Erschlagnen aber nur allein den Leichnam
dieses Jünglings mit sich hätten fortbringen können. Sie setzten hinzu, daß
auch von ihrer Parthey verschiedne umgekommen wären und zeigten zu gleicher

Forster's Reise u. d. W. erster Th. C c c

in den Jahren 1772 bis 1775.
gleichen Grauſamkeiten vielfaͤltig Zeugen geweſen und haͤtten mehr denn ein-1773.
Novem-
ber.

mal geſehen, daß, auch die Kinder ſogar, Hand an ihre ungluͤcklichen Muͤtter leg-
ten und ſolche in Gegenwart des Vaters ſchluͤgen, der gleichſam nur Acht
gaͤbe, ob ſich jene etwa wehren oder wiederſetzen wuͤrden. Zwar pflegen faſt
alle wilde Voͤlker, in ſo fern ſie blos das Recht des Staͤrkern unter ſich gelten
laſſen, ihre Weiber durchgehends als Sclavinnen anzuſehn, die den Maͤnnern
Kleider verfertigen, Huͤtten bauen, Speiſen kochen und zutragen, und bey aller
ihrer Dienſtbarkeit doch noch mit der haͤrteſten Begegnung vorlieb nehmen muͤſ-
ſen: Allein in Neu-Seeland ſcheint dieſe Tyranney viel weiter getrieben zu ſeyn,
denn ſonſt irgend wo. Die Mannsperſonen werden daſelbſt von Kindheit auf ordent-
lich dazu angehalten, daß ſie ihre Muͤtter gegen alle Grundſaͤtze der Sittlichkeit ver-
achten muͤſſen. Ich will mich indeſſen uͤber dieſe Barbarey nicht weiter heraus-
laſſen, um die Vorfaͤlle des heutigen Tages vollends zu erzaͤhlen, als welche
uns, uͤber die Verfaſſung der Neu-Seelaͤnder, noch manchen Aufſchluß gaben.
Der Capitain, nebſt Herrn Wales und meinem Vater, ließen ſich am Nachmit-
tage nach Motu-Aro uͤberſetzen, um die Pflanz-Gaͤrten zu beſehen und Kraͤu-
terwerk fuͤr das Schiff einzuſammlen, indeß verſchiedne von den Lieutenants
nach Indian Cove giengen, um mit den dortigen Indianern Handel zu trei-
ben. Das erſte, was dieſen hier in die Augen fiel, waren die Eingeweide
eines Menſchen, die nahe am Waſſer auf einem Haufen geſchuͤttet lagen. Kaum
hatten ſie ſich von der erſten Beſtuͤrzung uͤber dieſen Anblick erholt, als ihnen
die Indianer verſchiedne Stuͤcke vom Coͤrper ſelbſt vorzeigten, und mit Worten
und Gebehrden zu verſtehen gaben, daß ſie das uͤbrige gefreſſen haͤtten. Unter
den vorhandenen Gliedmaaßen war auch noch der Kopf befindlich, und nach die-
ſem zu urtheilen, mußte der Erſchlagne ein Juͤngling von funfzehn bis ſech-
zehn Jahren geweſen ſeyn. Die untere Kinnlade fehlte, und uͤber dem einen
Auge war der Hirnſchedel, vermuthlich mit einem Paͤttu-Paͤttu, eingeſchlagen.
Unſre Leute fragten die Neu-Seelaͤnder, wo ſie dieſen Coͤrper her haͤt
ten? worauf jene antworteten, daß ſie ihren Feinden ein Treffen geliefert, und
verſchiedne derſelben getoͤdtet, von den Erſchlagnen aber nur allein den Leichnam
dieſes Juͤnglings mit ſich haͤtten fortbringen koͤnnen. Sie ſetzten hinzu, daß
auch von ihrer Parthey verſchiedne umgekommen waͤren und zeigten zu gleicher

Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. C c c
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[385/0444] in den Jahren 1772 bis 1775. gleichen Grauſamkeiten vielfaͤltig Zeugen geweſen und haͤtten mehr denn ein- mal geſehen, daß, auch die Kinder ſogar, Hand an ihre ungluͤcklichen Muͤtter leg- ten und ſolche in Gegenwart des Vaters ſchluͤgen, der gleichſam nur Acht gaͤbe, ob ſich jene etwa wehren oder wiederſetzen wuͤrden. Zwar pflegen faſt alle wilde Voͤlker, in ſo fern ſie blos das Recht des Staͤrkern unter ſich gelten laſſen, ihre Weiber durchgehends als Sclavinnen anzuſehn, die den Maͤnnern Kleider verfertigen, Huͤtten bauen, Speiſen kochen und zutragen, und bey aller ihrer Dienſtbarkeit doch noch mit der haͤrteſten Begegnung vorlieb nehmen muͤſ- ſen: Allein in Neu-Seeland ſcheint dieſe Tyranney viel weiter getrieben zu ſeyn, denn ſonſt irgend wo. Die Mannsperſonen werden daſelbſt von Kindheit auf ordent- lich dazu angehalten, daß ſie ihre Muͤtter gegen alle Grundſaͤtze der Sittlichkeit ver- achten muͤſſen. Ich will mich indeſſen uͤber dieſe Barbarey nicht weiter heraus- laſſen, um die Vorfaͤlle des heutigen Tages vollends zu erzaͤhlen, als welche uns, uͤber die Verfaſſung der Neu-Seelaͤnder, noch manchen Aufſchluß gaben. Der Capitain, nebſt Herrn Wales und meinem Vater, ließen ſich am Nachmit- tage nach Motu-Aro uͤberſetzen, um die Pflanz-Gaͤrten zu beſehen und Kraͤu- terwerk fuͤr das Schiff einzuſammlen, indeß verſchiedne von den Lieutenants nach Indian Cove giengen, um mit den dortigen Indianern Handel zu trei- ben. Das erſte, was dieſen hier in die Augen fiel, waren die Eingeweide eines Menſchen, die nahe am Waſſer auf einem Haufen geſchuͤttet lagen. Kaum hatten ſie ſich von der erſten Beſtuͤrzung uͤber dieſen Anblick erholt, als ihnen die Indianer verſchiedne Stuͤcke vom Coͤrper ſelbſt vorzeigten, und mit Worten und Gebehrden zu verſtehen gaben, daß ſie das uͤbrige gefreſſen haͤtten. Unter den vorhandenen Gliedmaaßen war auch noch der Kopf befindlich, und nach die- ſem zu urtheilen, mußte der Erſchlagne ein Juͤngling von funfzehn bis ſech- zehn Jahren geweſen ſeyn. Die untere Kinnlade fehlte, und uͤber dem einen Auge war der Hirnſchedel, vermuthlich mit einem Paͤttu-Paͤttu, eingeſchlagen. Unſre Leute fragten die Neu-Seelaͤnder, wo ſie dieſen Coͤrper her haͤt ten? worauf jene antworteten, daß ſie ihren Feinden ein Treffen geliefert, und verſchiedne derſelben getoͤdtet, von den Erſchlagnen aber nur allein den Leichnam dieſes Juͤnglings mit ſich haͤtten fortbringen koͤnnen. Sie ſetzten hinzu, daß auch von ihrer Parthey verſchiedne umgekommen waͤren und zeigten zu gleicher 1773. Novem- ber. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. C c c

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/444>, abgerufen am 23.11.2024.